Dr. Daniel Stelter
Die Trendwende ist näher, als wir denken: Zeit, das Pfund zu kaufen
Mehr als 15 Prozent hat das Britische Pfund seit der Brexit-Entscheidung gegenüber dem Euro an Wert verloren. Und die einhellige Meinung der Ökonomen und Finanzmärkte ist, dass es weiter fallen wird. Denn der Brexit sei nun einmal schlecht für England.
Wirklich? Man muss gar nicht auf die starken (wirtschafts)liberalen Traditionen Großbritanniens, die Qualität der Universitäten – immerhin sind acht der hundert besten Universitäten der Welt in dem Land domiziliert - , eine positive demografische Entwicklung und den Vorteil der Sprache (welches das Land immer noch attraktiv für qualifizierte Zuwanderer aus aller Welt macht) verweisen. Schon allein die Haltung der EU-Politiker, die möglichst hart mit England umspringen wollen um ein Exempel zu statuieren, unterstreicht die Schwäche der Union. Sie scheitert zunehmend daran, das Wohlstandsversprechen an ihre Bürger zu erfüllen. Und man fühlt sich in einer europäischen Version des „Hotel California“, welches man nicht mehr verlassen darf.
Doch in diesem Hotel führen zu viele faule Schulden, eine rückläufige Erwerbsbevölkerung, schwaches Produktivitätswachstum, Reformstau und Umverteilung statt Schaffung von Wohlstand zu einer Dauerstagnation. Schuldenrestrukturierung, Reformen und eine Neuordnung der Eurozone sind dringend erforderlich, bleiben angesichts des politischen Personals aber nur eine Hoffnung der allergrößten Optimisten. Ohne die EZB mit ihren immer aggressiveren Maßnahmen wäre die ganze Konstruktion schon lange in die Luft geflogen. Hinzu kommt die Unfähigkeit, eine gemeinsame Antwort auf die andere große Herausforderung unserer Zeit zu finden: die Migrationskrise, die eine direkte Folge der Schrumpfvergreisung bei uns und des demografischen Booms auf der anderen Seite des Mittelmeeres ist.
Ganz schön mutig finde ich da, wenn wir EU-Europäer abschätzig nach Großbritannien schauen und der dortigen Wirtschaft den Niedergang prophezeien. Wie ein Krebskranker, der sich Sorgen macht um den Patienten mit der Lungenentzündung.
Sicherlich wird Großbritannien durch eine Phase der Unsicherheit gehen, dennoch ist es weit davon entfernt, zu einem dauerhaften Problemfall zu werden, wie die EU es schon ist. Die Briten haben da eher die Notbremse gezogen mit ihrem Austritt und dürften auch nicht das letzte Land sein, welches der EU den Rücken kehrt.
Umso erstaunlicher ist die Reaktion an den Finanzmärkten. Der Absturz des Pfunds nimmt hysterische Ausmaße an. Strategisch halte ich diesen Absturz für überzogen. Auf einen Zeithorizont von 10 Jahren ist es sicherlich ratsam, andere Währungen zu halten, als den Euro. Er wird nämlich dann in dieser Form nicht mehr existieren!
Taktisch spricht noch viel mehr dafür, Pfund zu kaufen. Es sind nämliche alle Banken und Spekulanten wieder einmal einer Meinung. Die Short-Positionen der Spekulanten sind auf einem Höchststand. Alle, die verkaufen wollen, haben verkauft. Alle, die auf fallende Kurse setzen wollen, haben das getan. Es war ein gutes Geschäft bis jetzt. Doch wie schon in der Vergangenheit, dürfte die Trendumkehr dann weitaus näher sein, als wir denken. Erinnern Sie sich noch an die Prognose von einem Wechselkurs von 1:1 zwischen US-Dollar und Euro. Kurz nachdem alle Banken die Prognose abgegeben haben, drehte die Entwicklung und der Euro wertete auf. Oder die Prognose von fallenden Goldpreisen – allen voran die Deutsche Bank mit ihrem Kursziel von 750 US-Dollar? Kaum abgegeben, war die Abwärtsbewegung bei Gold beendet und es gab eine deutliche Erholung.
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Keine Entwicklung verläuft linear. Keine Prognose der Kapitalmarktexperten darf man für bare Münze nehmen. Wüssten sie wirklich, was an den Märkten passiert, würden sie keine Studien schreiben, sondern in einem warmen Steuerparadies von ihren Kapitalerträgen leben. Vielmehr geht es auch darum, aus den profitablen Trades auch mit Profit aussteigen zu können. Dazu braucht man einen „greater fool“, also einen dümmeren Investor, der selbst wenn der Großteil der Entwicklung schon gelaufen ist, noch auf den fahrenden Zug aufspringen will.
Nicht einmal die klügsten Köpfe sind vor diesen Fehlern gefeit. Isaac Newton hatte bereits viel Geld mit seiner Spekulation in der Südseeblase gewonnen, ärgerte sich aber darüber, dass seine Bekannten noch mehr Geld verdienten. Also stieg er kurz vor dem Crash erneut ein, mit der Folge herber Verluste. Heute noch auf ein weiter fallendes Pfund zu setzen ist dumm. Pfund zu kaufen hingegen, sieht zunehmend interessanter aus. Selbst wenn es noch etwas nach unten gehen sollte, langfristig spricht eine Menge für die Währung.