"Nicht für Schnellschüsse zu haben"
SPD sperrt sich gegen Gröhes Versuch, den Versandhandel mit Medikamenten zu verbieten
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zugunsten deutscher Apotheker verbieten lassen. Das lehnt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach jedoch entschieden ab.
"In Notfällen muss es auch manchmal schnell gehen", erklärte das Bundesgesundheitsministerium Ende Oktober, kurz nachdem der Europäische Gerichtshof die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gekippt hatte. Weil die Apotheker dadurch einen Wettbewerbsnachteil und um eine Einschränkung der "flächendeckende Versorgung" fürchteten, hatten sie ein umgehendes Verbot des Onlinehandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten gefordert. Ein Wunsch, dem Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) so schnell wie möglich nachkommen wollte und ratzfatz ein entsprechendes Gesetz vorbereiten ließ.
Dem Lobbydruck standhalten
Dazu muss er jedoch erstmal an seinem Koalitionspartner vorbei. Von Anfang an hatte sich die SPD dem Vorhaben entschieden in den Weg gestellt, in der "Frankfurter Allgemeinen" (Montagsausgabe) unterstrich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach einmal mehr seine Ablehnung gegenüber Gröhes Plan. "Wir sind zu einem kurzfristigen Verbot nicht bereit und das haben wir auch der Union und dem Bundesgesundheitsminister mitgeteilt", sagte der Abgeordnete.
Man sei für "Schnellschüsse unter dem Lobbydruck und zugunsten der Apotheker" nicht zu haben, wohl aber für eine Reform der Apothekerhonorierung, hieß es weiter. Und: Man werde versuchen, eine Lösung noch vor der Bundestagswahl hinzubekommen, was eben davon abhänge, wie sich die Union bewegt.
Lauterbach, der gelernter Mediziner ist, hatte sich schon zuvor dafür ausgesprochen, die Beratungs- und Serviceleistungen in stationären Apotheken besser zu vergüten, anstatt "chronisch kranken Menschen in strukturschwachen Gebieten mit wenigen Apotheken diesen einfachen Weg der Arzneimittelversorgung abzuschneiden."
Verbot nicht zeitgemäß
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Zustimmung dafür erhielt er auch vonseiten der Krankenkassen. Für Gröhes Vorhaben gebe es keinen erkennbaren Grund außer den Lobbyinteressen der niedergelassenen Apotheker, sagte etwa der GKV-Vorstandsvize Johann Magnus von Stackelberg. "Im 21. Jahrhundert eine ganze Branche per Gesetz vom Online-Versandhandel ausschließen zu wollen, erscheint nicht zeitgemäß."
Christoph Straub, Vorsitzender der Barmer GEK, betonte zudem: "Der Versandhandel mit Arzneimitteln kann einen wichtigen Beitrag zu mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen leisten, von dem auch die Bürger profitieren." AOK-Chef Martin Litsch ergänzte: "Auch die Apotheker können sich neuen Vertriebsformen nicht gänzlich verschließen."
Apotheker vs. Verbraucher
Klageführerin gegen die Preisbindung war die Deutsche Parkinson Vereinigung zusammen mit der deutschen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Selbsthilfeorganisation hatte bei ihren Mitgliedern für eine Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris geworben. Diese bot ihren Kunden beim Kauf der Medikamente diverse Boni in Form von Zuzahlungen an.
Mit dem Urteil des EuGH hätte sich für deutsche Kunden nun die Möglichkeit eröffnet, vermehrt von solchen Rabatten profitieren zu können. "Ich hätte mir gewünscht, dass sich Herr Minister Gröhe darüber freut, dass mit dem Ende der Preisbindung für Medikamente auf Rezept der Kumpel im Ruhrgebiet und die Rentnerin in der Eifel entlastet werden", sagte DocMorris-Chef Olaf Heinrich in Bezug auf die Pläne des Gesundheitsministers. Offenbar würden die wirtschaftlichen Interessen von 20.000 Apothekern höher bewertet als die "Entlastung von Millionen" von Verbrauchern und Patienten.