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    Börsen-Zeitung  823  0 Kommentare Italienisches Roulette, Marktkommentar von Kai Johannsen

    Frankfurt (ots) - Eigentlich ist es nur ein Referendum über eine
    Verfassungsänderung. Eigentlich betrifft sie auch nur Italien und
    sonst keinen. Und eigentlich ist die Verfassungsänderung, über die
    die Italiener abstimmen, gar nicht mal so blöd. Ja, wenn da nur nicht
    dieses "eigentlich" wäre - wie so oft im Leben. Am 4. Dezember
    stimmen die Italiener über eine Änderung der Verfassung ab, bei der
    es um Folgendes geht. Die beiden Kammern des italienischen Parlaments
    - Abgeordnetenhaus und Senat sollen - anders als bisher - nicht mehr
    vollkommen gleichberechtigt sein, sondern die Gesetze müssten künftig
    nur noch das Abgeordnetenhaus passieren. Eine Änderung, die die
    Volkswirte der Commerzbank, die sich ausgiebig mit diesem Thema
    auseinandergesetzt haben, als eine Entwicklung hin zu einem
    effizienten parlamentarischen Entscheidungsprozess einstufen. Die
    Begründung liefern sie ebenfalls gleich mit: Mit dieser Änderung
    entfiele das häufig langwierige Hin- und Herschicken der Gesetze
    zwischen den beiden Kammern, bei dem schon viele Reformen verwässert
    oder ganz verhindert worden sind. Denn es ist genau diese Entwicklung
    in Italien, die nicht nur bei der Staatsschuldenkrise auf
    europäischer Politikbühne schon so manches Mal dafür gesorgt hat,
    dass Missfallen ausgedrückt wurde.

    Bedeutsam ist das Referendum aber deshalb, weil Ministerpräsident
    Matteo Renzi sein politisches Schicksal an diese Verfassungsänderung
    geknüpft hat. Stimmen die Italiener nun mit Nein, und damit gegen das
    Herzstück von Renzis Reformen, wie er es selbst nennt, wäre er
    geschwächt und der Rücktritt wäre wohl die sichere Folge. Stimmen sie
    mit Ja, geht die Verfassungsänderung durch, und er bleibt im Amt.
    Nach den Erfahrungen des Brexit, der die Märkte erst einmal kräftig
    durcheinandergewirbelt hat, und dem überraschenden Erfolg von Donald
    Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen nun also das Renzi-Referendum
    mit offenem Ausgang und damit auch mit Gefahrenpotenzial für die
    Märkte. Die Commerzbank-Volkswirte sprechen in diesem Zusammenhang
    völlig zu Recht vom "italienischen Roulette". Genau das ist es für
    die Märkte, und das Thema wirft an den Finanzmärkten seine Schatten
    voraus.

    Was sind die Marktszenarien, die abzuleiten sind? Die Italiener
    stimmen mit "Si": Der Schrecken wäre gebannt. Die Renditen der
    italienischen Staatsanleihen sind in der jüngeren Vergangenheit
    gestiegen, und zwar wegen der Sorgen um dieses Referendum. Aber eben
    nicht nur wegen des Referendums, da sollte man sich nichts vormachen.
    Nach Trumps Wahlerfolg stiegen die Renditen der Anleihen aus der
    Eurozone insgesamt wegen der Aussicht auf eine enorme
    Konjunkturstimulierung, damit einhergehenden Erwartungen einer
    höheren Inflation sowie infolgedessen auf längere Sicht auch höhere
    Leitzinsen. Darauf ist ein erheblicher Teil des Weges hin zu höheren
    Bondrenditen zurückzuführen. Kommt es also zu einem Ja, ist mit sehr
    großer Wahrscheinlichkeit mit einer Erleichterungsreaktion an den
    Märkten zu rechnen: Aktien rauf, Renditen runter, Euro gestärkt, weil
    Euro-Gefahren gesunken sind. Aber auch mit einem "Si" bleiben
    Italiens Probleme erst einmal bestehen - hohe Schulden und Banken mit
    notleidenden Krediten, um nur zwei zu nennen.

    Es knallt so richtig

    Stimmen die Italiener mit "No", dann knallt es beim italienischen
    Roulette und aller Voraussicht nach auch an den Märkten kräftig.
    Renzis Herzstück der Reform wäre hin, er selbst geschwächt, und er
    könnte wegen des Glaubwürdigkeitsverlustes wohl kaum im Amt bleiben.
    Neuwahlen sind zu erwarten und genau da liegt der Hase im Pfeffer:
    Die Anti-Establishment-Stimmen der eurokritischen
    Fünf-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo könnten regen Zulauf erhalten.
    Ein weiteres Mal würde sich Volkes Stimme gegen die etablierten
    Parteien richten. Genau das fürchten viele - nicht nur an den
    Finanzmärkten. Heftige Reaktionen an Märkten wären die Folge: Aktien
    runter, vor allem Bankentitel würden noch mehr abgestraft; Renditen
    der Anleihen rauf und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu knapp,
    Spreads zu Bundesanleihen weiten sich aus. Der Euro kommt der Parität
    zum Dollar einen gewaltigen Schritt näher. Denn die
    Fünf-Sterne-Bewegung hatte auch mal mit der Forderung nach einem
    "Italexit" - also Referendum über einen EU-Ausstieg von Italien - von
    sich reden gemacht. Zuletzt waren sie aber gemäßigter.

    Sollte das "No" Realität werden, ist sicherlich auch die
    Europäische Zentralbank gefordert. Eines ist dann klar, sie wird wohl
    an den Märkten eingreifen, das hat sie in der abgelaufenen Woche
    schon signalisiert. Einer Verlängerung von QE dürfte dann kaum noch
    etwas im Wege stehen. Und die Commerzbank-Volkswirte haben recht:
    Staatsschuldenkrise 2.0 ist dann durchaus einzukalkulieren.

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