Vergiss Inflationssorgen – für Anleger ist jetzt etwas anderes wichtiger
Es ist ein komplexes Panorama, mit dem wir es derzeit bei Wirtschaft und Politik zu tun haben. Krisen und Rekorde sind in direkter Nachbarschaft. Deflations- und Inflationssorgen wechseln sich ab. Jetzt, wo die Teuerungsraten wieder in normales Fahrwasser kommen und die Zinswende absehbar wird, sind ein paar wichtige Dinge zu beachten. Ich habe mal versucht, die verschiedenen Handlungsstränge zusammenzufassen und daraus meine Schlüsse gezogen, wie Anleger sich jetzt positionieren sollten.
Beschleunigte Wirtschaft ohne steigende Inflation
Die Aussicht auf höhere Zinsen führt voraussichtlich zu Vorzieheffekten. Jeder, der eine Großanschaffung oder Renovierungsarbeiten plant, der sollte sich überlegen, ob er nicht noch schnell die aktuell günstigen Finanzierungsbedingungen nutzt. Hinzu kommt, dass die Kombination von Nullzinsen und Inflation zu Vermögensverlusten führt. Andersherum erleichtert die Aussicht auf steigende Löhne das Abbezahlen von Krediten.
Es spricht also grundsätzlich viel dafür das Konto zu räumen und in Sachanlagen zu investieren. Alternativ könnte man sich auch durch kluge Investitionen an der Börse gegen den Wertverfall schützen, aber bekanntlich entscheidet sich nur der kleinere Teil der Bevölkerung in Deutschland für diesen Weg. Da wird dann lieber auf Pump ein repräsentatives Auto, eine schicke Einbauküche oder ein aufwendiges Heimkinosystem gekauft. Viele investieren jetzt auch zu Höchstpreisen in neue Immobilien. Das ist aus Investorensicht nicht immer so schlau, aber man muss als Beobachter damit rechnen und die Wirtschaft profitiert natürlich erst mal stark davon.
Wäre Deutschland ein geschlossenes Wirtschaftssystem, dann wäre jetzt eine losgaloppierende Inflation zu erwarten. Aber weil bei vielen wichtigen Handelspartnern wie Italien, Frankreich und Spanien die Arbeitslosenzahlen insbesondere bei jungen Menschen weiterhin erschreckend hoch sind, ist kaum mit stark anziehenden Importpreisen zu rechnen. Dort liegen viele ungenutzte Kapazitäten brach, die bei Bedarf vergleichsweise günstig aktiviert werden können.
Auch von der Rohstoffseite her erwarte ich bis auf Weiteres keine zusätzlichen Impulse mehr, nachdem die Stabilisierung der Öl- und Metallpreise zuletzt für einen Auftrieb gesorgt hat. Dafür müsste irgendwo ein zweites China entstehen, welches wie ein Staubsauger alles aufnimmt und so das Angebot verknappt. Das einzige Land, das diese Rolle übernehmen könnte, wäre Indien. Aber die gut 7 % Wirtschaftswachstum, die für die kommenden Jahre von der Asiatischen Entwicklungsbank und der OECD prognostiziert werden, reichen dazu nicht aus. Innovationen in der Förder- und Bergbautechnik senken zudem ständig die operativen Kosten, was dämpfend wirkt.
Es ist also weniger die Inflation, die uns Sorgen machen sollte, sondern etwas anderes.
Was nach dem Konsumboom kommt
Für die kommenden Quartale dürfte die Nachfrage der Konsumenten weiterhin stark steigen. Die Stimmung der Verbraucher ist laut Umfragen ausgezeichnet mit weiterhin positivem Trend. Das ist erst mal gut. Aber eine Gefahr, die ich sehe, ist, dass Anbieter zu optimistisch in den Ausbau ihrer Kapazitäten investieren. Geld ist schließlich dank billiger Kredite und hoher Gewinne ausreichend da.
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Langfristig könnte sich das für solche Unternehmen rächen, aber zunächst lassen hochschießende Profite die Kurs-Gewinn-Verhältnisse optisch günstig aussehen. Kurzfristig orientierte Anleger lassen sich dann gerne von den 3-Monats-Zahlen blenden. Auch Bankanalysten empfehlen dann wahrscheinlich wieder wärmstens Aktien, die eigentlich bereits heißgelaufen sind. Wer solchen Tipps folgt, kann aber übel auf die Nase fallen.
Denn eines ist klar: Wo es Vorzieheffekte gibt, da gibt es auch irgendwann einen Einbruch oder zumindest Stagnation. Vielerorts in Europa werden stark steigende Autoverkäufe und Immobilienpreise gemeldet. Wer sich in diesem Jahr ein Fahrzeug oder eine Wohnung zulegt, der wird nächstes Jahr nicht nochmal zugreifen. Eine zukünftige Schwächephase ist daher fast unvermeidlich.
Auch Unternehmen, die auf dem Höhepunkt des Booms teuer investieren, stehen dann erst mal blöd da. So erging es der Commerzbank (WKN:CBK100), die vor der Finanzkrise 2008 die Dresdner übernahm, oder Siemens (WKN:723610), die vor dem Ölpreiseinbruch 2014 tief für Dresser-Rand in die Tasche griff, einem Ausrüster der Öl- und Gasbranche. Das schlägt auf die Bilanz, wenn das investierte Geld nicht die erhofften Rückflüsse generiert.
Was Anleger tun können
Zunächst können wir aber natürlich vom positiven Umfeld für die deutsche Wirtschaft profitieren (ich blende mal großzügig die allzeit präsenten geopolitischen Risiken aus). Solange die vorgelegten Zahlen positiv ausfallen, sieht es für Aktien gut aus, weil zumindest besagte kurzfristig orientierte Anleger die Kurs-Niveaus hoch halten.
Allerdings ist nun erhöhte Wachsamkeit angesagt. Unternehmen, die in den Boom hinein Großinvestitionen, dicke Manager-Boni und milliardenschwere Aktienrückkaufprogramme ankündigen, sind mit Vorsicht zu genießen. Jetzt sind besonnene Vorstände gefragt, welche die aktuelle Situation dazu nutzen, Geschäftsrisiken zu reduzieren und die Bilanz sattelfest zu machen.
Gut gefallen mir deshalb Unternehmen, die ein Investitionsprogramm bereits hinter sich haben, wie zum Beispiel Merck KGaA (WKN:659990) oder andere, die derzeit massiv in kostensenkende Infrastruktur investieren, wie die Deutsche Telekom (WKN:555750) mit ihrem europäischen All-IP-Netzwerk. Beide dürften in Zukunft kräftige Barmittelzuflüsse generieren, die sie flexibel einsetzen können, je nachdem, was das Marktumfeld erfordert.
Ob jetzt eine Phase der Euphorie mit anschließender Ernüchterung kommt oder eine, die Wirtschaft und Politik mit weisen Maßnahmen stabil durch die kommenden Herausforderungen navigiert, ist derzeit schwer absehbar. Im Moment spricht aus meiner Sicht für Anleger noch nicht viel dagegen vorsichtig optimistisch zu bleiben.
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Ralf Anders hält keine Wertpapiere genannter Unternehmen. The Motley Fool besitzt keine der erwähnten Aktien.
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