checkAd

     3640  0 Kommentare Widerrufsjoker: Wann greift Verwirkung?

    Eine der großen, offenen Fragen rund um den Widerruf einer Baufinanzierung lautet: Hat der Verbraucher sein Widerrufsrecht verwirkt, wenn er den Kredit erst nach dessen Tilgung widerruft. Die Gerichte entscheiden dieses Thema unterschiedlich - daher sollte man diesem Aspekt sehr genau prüfen.

    Um den Widerrufsjoker bei einem bereits getilgten Darlehen erfolgreich zu ziehen, sollten Sie vorher prüfen, ob ihr Widerrufsrecht möglicherweise verwirkt ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen leider nicht für alle Fälle eindeutig beantwortet, wann das konkret der Fall ist. Stattdessen hat er darauf hingewiesen, dass dieser Aspekt im Einzelfall zu bewerten sei und diese Entscheidung an die unteren Instanzen übertragen.

    Nun ist es aber leider so, dass sich die zahlreichen Landgerichte und Oberlandesgerichte in dieser Frage alles andere als einig sind. Aus den Erfahrungen der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info), die zahlreiche Verbraucher beim Widerruf ihrer Baufinanzierungen begleitet hat, lässt sich folgendes sagen: Klar ist, dass in der Regel keine Verwirkung vorliegt, wenn der Kunde den Widerruf des Kredits zu einem Zeitpunkt ausspricht, zu dem dieses noch läuft und auch noch nicht prolongiert wurde. Das immerhin hat der BGH in einem Urteil aus 2016 (Az. XI ZR 564/15) klar beantwortet.  In diesen Fällen kann man den Aspekt der Verwirkung normalerweise beiseite lassen und sich ausschließlich darauf konzentrieren, ob die Widerrufsbelehrung des Kreditvertrags fehlerhaft ist. Gefährlich könnte lediglich eine zwischenzeitliche Prolongation des Darlehens werden. Auch dies haben einige Gerichte bereits als Anlass genommen, auf Verwirkung zu entscheiden – allerdings handelt es sich dabei um eine klare Minderheitsmeinung bei wenigen Gerichten.

    Schwieriger wird es, wenn der Widerruf des Darlehens erst ausgesprochen wurde, nachdem der Kredit bereits beendet wurde. Denn in diesen Fällen ist die Rechtsprechung zum Widerrufsjoker sehr uneinheitlich, man könnte auch sagen: sie gleicht Kraut und Rüben. So gibt es etliche Urteile, die auch dann nicht von Verwirkung ausgehen, wenn der Widerruf des Darlehens einige Jahre nach Beendigung des Kredits erfolgt ist. Beispielhaft dafür ist ein Urteil des OLG Frankfurt (23 U 46/16), das ein Kooperationsanwalt der Interessengemeinschaft Widerruf vor kurzem erstritten hat.

    In diesem Fall hatte der Verbraucher seine Baufinanzierung vorzeitig beendet und dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt. Erst fünf Jahre später widerrief er den Darlehensvertrag. Trotzdem verurteilte das Gericht die Bank zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung zuzüglich Zinsen. Ähnliche Urteile lassen den Schluss zu, dass zumindest einige Gerichte eine Zeitspanne von sechs bis sieben Jahren als Obergrenze ansehen, innerhalb derer beim Widerrufsjoker keine Verwirkung vorliegt.


    Roland Klaus
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    Roland Klaus arbeitet als freier Journalist und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerrufsjoker informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen, Kfz-Krediten und Lebensversicherungen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buches Wirtschaftliche Selbstverteidigung.

    Sie erreichen Ihn unter www.widerruf.info
    Mehr anzeigen
    Seite 1 von 3

    Verfasst von Roland Klaus
    Widerrufsjoker: Wann greift Verwirkung? Eine der großen, offenen Fragen rund um den Widerruf einer Baufinanzierung lautet: Hat der Verbraucher sein Widerrufsrecht verwirkt, wenn er den Kredit erst nach dessen Tilgung widerruft. Die Gerichte entscheiden dieses Thema unterschiedlich - daher sollte man diesem Aspekt sehr genau prüfen.