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    Marktkommentar  940  0 Kommentare Neil Dwane (Allianz GI): Wahlmarathon in Frankreich

    Die Wahl in Frankreich wird auch darüber entscheiden, ob die Europäische Union dem Ziel einer politischen Einheit näherkommt, so Neil Dwane.

    Am 23. April beginnt die erste Runde der französischen Präsidentschaftswahlen. Das Ergebnis wird nicht nur Frankreichs politische Zukunft bestimmen, sondern auch darüber entscheiden, ob die Europäische Union in diesem wichtigen „Superwahljahr“ dem Ziel einer politischen Einheit näherkommt.

    Das Wichtigste in Kürze

    • Wir meinen, dass eine Präsidentschaft von Emmanuel Macron für Europa als Ganzes vorteilhaft wäre und am europäischen Aktienmarkt für moderate Kursgewinne sorgen könnte.
    • Nach unserer Einschätzung wird Marine Le Pen im letzten Wahlgang keinen Erfolg haben. Sollte sie dennoch Präsidentin werden, dürfte die zu erwartende Blockade in der Regierung sie an der Durchsetzung ihrer Anti-EU-Vorhaben hindern, aber auch echten strukturellen Reformen entgegenstehen.
    • Allerdings hat in Umfragen der linksgerichtete Kandidat Jean-Luc Mélenchon zuletzt überraschend aufgeholt, nachdem er in Fernsehdebatten Eindruck gemacht hatte. Somit könnte der erste Wahlgang zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen von vier Kandidaten werden.
    • Die meisten Marktteilnehmer sind derzeit skeptisch im Hinblick auf die politischen Entwicklungen in der EU und risikobehaftete Anlagen aus dem Euroraum, obwohl diese attraktive laufende Erträge und Dividendenrenditen bieten. 

    Schon bald werden wir wissen, ob die Welle des Populismus, die 2016 zum Brexit-Votum und der Wahl von US-Präsident Donald Trump geführt hat, auch Frankreich erreichen wird. Im Zeitraum von April bis September werden die Franzosen einen neuen Präsidenten, eine neue Nationalversammlung und die Hälfte der Senatoren wählen. Rückenwind für die populistischen Kräfte wäre wohl vor allem ein Sieg der gegen die EU, den Euro und Einwanderung gerichteten Partei Front National und deren Anführerin Marine Le Pen – obwohl dies zunehmend unwahrscheinlich erscheint. Allerdings waren die Wähler in Frankreich noch nie so unentschlossen – rund 60 % schwanken noch – was eine Prognose ausgesprochen schwierig macht.  Die europäische Öffentlichkeit, die es mit einem herausfordernden „Superwahljahr“ zu tun hat, wird die weitere politische Entwicklung genau beobachten. Nach den französischen Wahlen finden im September in Deutschland Bundestagswahlen statt. In Italien kann es jederzeit zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, auch wenn dort turnusmäßig erst 2018 wieder gewählt wird. Jede dieser Wahlen kann Einfluss darauf haben, ob sich die EU einer stärkeren politischen Integration nähert oder die entgegengesetzte Richtung nimmt.  Bislang sieht es so aus, als ob die EU-freundlichen Kräfte gewinnen werden. An den Kapitalmärkten dürfte ein solcher Ausgang positiv aufgenommen werden, denn dies würde die Unsicherheit verringern, die aus dem EU-Austritt Großbritanniens resultiert, der kürzlich formal begonnen hat. Unterdessen befindet sich die deutsche Wirtschaft in guter Verfassung und es könnte zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Paris und Berlin kommen, wenn sich in beiden Ländern Kandidaten durchsetzen, die der Europäischen Union wohlgesonnen sind. Dies würde der EU und dem Euroraum gleichermaßen zugutekommen.  Zuerst stehen aber die Wahlen in Frankreich an. Nachfolgend stellen wir die Kandidaten und ihre Vorhaben vor und geben eine Einschätzung zu ihren Aussichten und den möglichen Implikationen für Anleger ab. 

    Überblick über die Wahlen in Frankreich im Jahr 2017

    Zwischen April und Juni werden die französischen Wähler einen neuen Staatspräsidenten und die Abgeordneten der Nationalversammlung wählen, im September folgen dann Senatswahlen. Auch wenn der französische Staatspräsident grundsätzlich über erhebliche Macht verfügt, muss er letztlich eng mit der Nationalversammlung und dem Senat zusammenarbeiten, wenn er wesentliche politische Änderungen durchsetzen will. Aus unserer Sicht gibt es nur sehr wenige Situationen, in denen es zu einer solchen engen Kooperation kommen dürfte. Für Frankreich typisch ist die Situation der „Cohabitation“, in der die meisten Parlamentsmitglieder einer anderen Partei angehören als der Präsident. Allerdings dürften eher linksorientierte Präsidentschaftskandidaten es einfacher haben, eine sie unterstützende Mehrheit im Parlament zu gewinnen. Möglich ist auch, dass sich bei den Parlamentswahlen keine eindeutige Mehrheit ergibt und neuerliche Wahlen erforderlich sind; zu einer ähnlichen Situation kam es in Spanien im letzten Jahr. 

    Fünf Wahlen in sechs Monaten

    Präsidentschaftswahlen Wahlen zur Nationalversammlung Senatswahlen
    Wann 23. April 2017:  1. Wahlgang 7. Mai 2017: 2. Wahlgang 11. Juni 2017: 1. Wahlgang 18. Juni 2017: 2. Wahlgang September 2017
    Wer 11 Kandidaten treten an 2 Kandidaten in der letzten Runde Kandidaten bewerben sich um 577 Sitze Die Hälfte der 348 Sitze wird von einem Wahlkollegium aus Bürgermeistern und Mitgliedern der Nationalversammlung gewählt
    Bedeutung
    • Der Staatspräsident ernennt den Premierminister und kann die Nationalversammlung auflösen
    • Der Sieger muss mit den in der Nationalversammlung vertretenen Parteien zusammenarbeiten

    Etablierte Parteien dominieren:

    • Sozialisten: 280 Sitze
    • Republikaner: 194 Sitze
    • Linksaußen: 10 Sitze
    • Front National: 2 Sitze
    • Der Senat war schon immer politisch konservativ
    • Dadurch konnten populistische Kräfte in Schach gehalten werden

    Programme und Aussichten der vier Präsidentschaftskandidaten

    Zu den französischen Präsidentschaftswahlen treten vier Hauptkandidaten an:

    • Emmanuel Macron könnte die besten Chancen auf einen Sieg haben. Er ist klar zugunsten der EU eingestellt, aber ein politischer Außenseiter. Selbst wenn es schwierig für ihn wird, eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu gewinnen, könnte er über genug Unterstützung zur Durchsetzung einiger Reformen verfügen. Auf einige weitreichendere Vorhaben müsste er dann vermutlich verzichten.
    • Marine Le Pen dürfte im ersten Wahlgang erfolgreich sein, jedoch kaum den zweiten gewinnen. Sollte sie dennoch Präsidentin werden, wird ihre Partei Front National wahrscheinlich nicht genügend Sitze in der Nationalversammlung gewinnen, um ihr wesentliche politische Veränderungen zu ermöglichen.
    • François Fillon ist ein eher rechtsorientierter Kandidat des Establishments. Seine Chancen, auch nur den ersten Wahlgang zu überstehen, sind durch den mutmaßlichen Missbrauch öffentlicher Gelder durch seine Frau gesunken.
    • Jean-Luc Mélenchon ist ein links außen angesiedelter Politiker, der mit dem ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders verglichen wird. Er hat zuletzt in Umfragen Boden gut gemacht, obwohl er weiterhin an dritter Stelle hinter Macron und Le Pen liegt.

    Außenseiter Macron hat die besten Chancen, beide Wahlrunden zu gewinnen

    Emmanuel MACRON Marine LE PEN François FILLON Jean-Luc MÉLENCHON
    Chancen im 1. Wahlgang hoch hoch mäßig zunehmend
    Chancen im 2. Wahlgang hoch gering bis mäßig gering gering, aber zunehmend
    Pro-EU/Euro ja nein ja nein
    Steuerpolitik Senkung der Einkommen- und Unternehmenssteuern Senkung einiger Steuern Senkung der Einkommensteuer, aber Erhöhung der Umsatzsteuer Senkung der Steuern
    Staatsausgaben sparsame Ausgabenpolitik Wiedereinführung des Francs sparsame Ausgabenpolitik starke Ausweitung der Sozialausgaben
    Arbeitsmarkt einige vernünftige Reformen keine Reform einige vernünftige Reformen Anhebung des Mindestlohns
    Einstellung ggü. Einwanderung positiv sehr negativ negativ negativ
    Anmerkung „neuer” Sozialist, aber ohne Partei spricht unzufriedene Wähler aus der Arbeiterklasse an von Skandalen beeinträchtigter Vertreter des Establishments der „Bernie Sanders“ Frankreichs

    Wahlausgang in Frankreich hat weitreichende Konsequenzen für Anleger

    Wie die französischen Wähler abstimmen, wird generell von großer Bedeutung sein, und wir erwarten eine höhere Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen als an den Wahlen zur Nationalversammlung. Die Bereitschaft wählen zu gehen, lässt typischerweise nach, je länger sich der Wahlprozess hinzieht. Dies verschafft Parteien mit besonders treuer Anhängerschaft einen Vorteil.  Die vier Kandidaten bei den französischen Präsidentschaftswahlen liegen weiterhin so nahe beieinander, dass wir keine Prognose wagen möchten, wer am Ende der Gewinner sein wird. Dafür spricht auch der überraschende Ausgang der Brexit-Abstimmung und der US-Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr. Wir gehen aber davon aus, dass im ersten Wahlgang Macron und Le Pen dominieren werden.  Sobald die Ergebnisse der ersten Runde am 24. April vorliegen, wird man sehen, wie Europa und die Finanzmärkte auf die Möglichkeit einer Präsidentschaft von Marine Le Pen reagieren. Sie ist der EU gegenüber feindselig eingestellt und könnte dazu beitragen, dass die Europäische Union ziellos dahintreibt, während sich populistische Kräfte auf dem Kontinent breitmachen, die Komplexität des Brexit Verwirrung stiftet und der Kurs von US-Präsident Trump ungewiss ist. Dies könnte nicht zuletzt auch den Zusammenhalt der NATO weiter beeinträchtigen.  Dagegen könnte ein Sieg von Macron im ersten Wahlgang die Aussichten der EU verbessern und für einen Kursaufschwung an den Märkten sorgen. Bis dahin werden die Marktteilnehmer in der Region und weltweit skeptisch im Hinblick auf die politischen Entwicklungen in der EU und auf Euro lautende risikobehaftete Anlagen bleiben, obwohl diese attraktive laufende Erträge bzw. Dividendenrenditen bieten und der Euro unterbewertet erscheint. 

    Drei Szenarien: Politische Folgen der Präsidentschaftswahlen und Konsequenzen für Anleger

    MACRON gewinnt LE PEN gewinnt MÉLENCHON oder FILLON gewinnt
    Wahrscheinlichkeit SEHR WAHRSCHEINLICH 50-60 % Wahrscheinlichkeit WENIGER WAHRSCHEINLICH 10-20 % Wahrscheinlichkeit UNWAHRSCHEINLICH 5-15 % Wahrscheinlichkeit
    Politische Folgen
    • Zu erwarten ist eine vernünftige, der EU freundlich gesinnte französische Regierung
    • in Paris kommt es wie in den USA zu einer Blockade im Hinblick auf die EU, den Euro oder Einwanderung
    • sehr geringe Chance auf eine Regierungsbildung durch Le Pen, wenn sie die gegen das Establishment gerichteten Kräfte für sich gewinnt; dies würde die Möglichkeit eines Austritts Frankreichs aus der EU und/oder dem Euroraum erhöhen
    • hohe Wahrscheinlichkeit einer nach links bzw. rechts tendierenden Regierung; aber wenig Bereitschaft für einen radikalen Politikwechsel und faktisch nur wenige wirkliche Reformen
    Konsequenzen für Anleger
    • risikobehaftete Anlagen aus der EU profitieren; Euro wertet auf; weitere EU-freundliche Entwicklungen in Politik und Wirtschaft nach den deutschen Bundestagswahlen
    • ein Schulterschluss von Frankreich und Deutschland könnte die Brexit- Verhandlungen für Großbritannien schwieriger machen
    • die Sorgen um die EU und den Euro nehmen zu; risikobehaftete Anlagen, vor allem aus dem Finanzsektor, geraten trotz Unterstützung durch die EZB unter Abgabedruck
    • wenn sich die gegen die EU gerichtete Stimmung in Paris verstärkt, werden die Brexit-Verhandlungen leichter
    • die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs und die Notwendigkeit von Arbeitsmarktreformen rücken wieder in den Blickpunkt; zunehmende Bedenken hinsichtlich der geplanten drastischen Ausgabenkürzungen von Fillon bzw. exzessiven Mehrausgaben von Mélenchon
    • zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang werden sich die Wähler, deren Favoriten keinen Erfolg hatten, für einen neuen Kandidaten entscheiden – wahrscheinlich Macron oder Le Pen

    Lesen Sie den Beitrag hier im Original.




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