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     1507  1 Kommentar Marina, der Füllfederhalter

    Im Zusammenhang mit der Wahl in Frankreich sind mir ein paar Dinge noch deutlicher geworden als sie das vorher waren. Und ich denke, dass das augenblicklich alle westlichen Gesellschaften gleichermaßen betrifft:

     

    Die Mitte schrumpft, verschwindet oder versteckt sich – und die Extreme auf beiden Seiten des politischen Spektrums nehmen zu. Und nicht nur das, sie berühren sich sogar. Ob hier etwas rechts oder links ist, kann man gar nicht mehr sagen. Diese Aufteilung macht wohl mittlerweile auch keinen Sinn mehr.

     

    Gemeinsam ist den Extrempostionen jedoch, dass sie sich meistens vollkommen jenseits der Realität befinden. Ich bin ja selbst ein Romantiker, weswegen ich auch glaube, ganz gut erkennen zu können, wenn mir irgendwo romantische Vorstellungen begegnen. Und ich sehe die Romantik heute deutlich den Realismus überwiegen.

     

    Der Grundirrtum ist aus meiner Sicht auf beiden Seiten der gleiche: Man verkennt, dass wir in einem System leben, das sich Kapitalismus nennt. Dieses System funktioniert dadurch, dass privates Kapital von privaten Vermögenseigner dort eingesetzt wird, wo es die höchste Profitabilität findet.

     

    Natürlich kann der Staat hier regulierend eingreifen, und das tut er ja auch. Doch seine Möglichkeiten sind beschränkt. Ich finde das nicht gut, doch es ist eine Tatsache. Und will man sie umgehen, müssten wir ein völlig neues System haben. Doch so etwas kann, wenn überhaupt, sich nur nach einem Zusammenbruch ergeben. Und das sollte sich niemand wünschen.

     

    Ein Zurück zum Früher wird es im jetzigen System nicht geben. Nationale Grenzen, die einmal geöffnet sind, lassen sich nicht ohne Weiteres wieder schließen, und die an die Globalisierung verlorene Kontrolle lässt sich nicht national wiedergewinnen. Das alles sind schöne, aber eben rein romantische Vorstellungen.

     

    Der Zauberbesen ist los – und niemand wird ihn wieder einfangen, ohne sich dabei lebensgefährlich zu verletzen.

     

    Hoffentlich bleibt uns das erspart. Auf jeden Fall haben wir jetzt ja erst einmal ein paar Jahre Zeit. Das wird sicherlich keine wunderschöne Zeit, im Vergleich zu dem, was ansonsten passieren würde, aber schon.

     

    Ich hoffe, ich habe den Namen von Frau Le Pen in der Überschrift richtig übersetzt. Zwei Dinge machen mir dabei Hoffnung: Erstens, dass außer mir sicherlich kaum noch jemand mit Tinte schreibt, und zweitens, dass niemand wohl auch nur ansatzweise ahnt, was mein eigener Name beinahe bedeuten könnte.

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Marina, der Füllfederhalter Der Zauberbesen ist los