Shortguy schrieb gestern 12:17
Ich denke, man muß sich hier tatsächlich ein wenig mehr in die Welt der institutionellen Anleihe-Investoren hineinversetzen, die primär gar keine Meinung zu der Aktie haben, aber dafür auch in wesentlich größeren Tickets investieren. Dass ist die Klientel, die man mit dem Bond überzeugen muß. Wir hier sind (i) in erster Linie Aktienanleger und keine klassischen Bond-Investoren und (ii) investieren wir im Zweifel keine siebenstelligen Beträge in eine Anleihe, wie es ein Institutioneller problemlos machen würde.
Daher muß man sich aus dieser Sicht heranbewegen, um ein Gefühl zu bekommen, ob die Emission erfolgreich werden könnte oder nicht. Da spielt übrigens das aktuelle Umfeld am Bondmarkt für Mittelstandsanleihen eine gewichtige Rolle. Ich hatte ja bereits den Link zum Anleihenboard eingestellt (https://www.anleihenboard.de/viewtopic.php?f=5&t=1296&p=137631&hilit=abo+wind#p137631). Dort findet man häufig auch sehr fundierte Einschätzungen von semiprofessionellen oder gar professionellen Forumsmitgliedern, deren Meinung als durchaus repräsentativ für Institutionelle im Allgemeinen in diesem Segment gesehen werden kann. Die Diskussion zur Abo Wind Anleihe dort ist durchaus ausgewogen und differenziert. Ich fasse das Meinungsbild für diejenigen, die dort nicht registriert sind, einmal wie folgt zusammen:
1. Auf den "ersten Blick" wirkt der angestrebte Kupon von 7%-8% für einen Nachrangbond eines mittelständischen Unternehmens eher niedrig.
2. Das aktuelle Umfeld ist etwas eingetrübt durch ein in dieser Woche geplatztes Anleiheemissionsvorhaben der Baywa, die ja zumindest partiell auch als mittelständisches EE-Unternehmen gesehen wird. Baywa hat allerdings großen (und dringenden) Refinanzierungsbedarf für eine in 8 Wochen auslaufende Emission und eine durch die Expansion im EE-Bereich stark angestiegene Verschuldung. Terms waren 5 Jahre, Kupon 6,75% für Senior Unsecured Debt, also besser als Nachrang ! Trotzdem ging die Emission nicht durch. Man sieht hier aber allgemein erhebliche Unterschiede zu bspw. einer Abo Wind, die 7-8% für Nachrang bietet, was im Vergleich zu der geplatzten 6,75% Baywa Secured vordergründig wenig aussieht, aber aufgrund der aktuell viel besseren aktuellen Bonitätssituation ggü. einer Baywa (s. Aktienkurs!) letztlich doch angemessen erscheint.
3. Der Nachrang wird bei einem Projektierer im EE-Sektor - und das ist auch in meinen Augen der entscheidene Punkt - ohnehin nicht als ein Faktor angesehen, der die Emission nennenswert von einer Senior Unsecured Anleihe unterscheidet, da auch nicht nachrangige (unbesicherte) Anleihen eines Projektierers im Krisenfall kaum größeren Schutz bieten als ein Nachrang (das hatten wir hier auch schon besprochen, s. Kommentare des Users Istanbul). Liegt daran, dass im Grunde alle wesentlichen Assets als Individualsicherheiten bei den projektfinanzierenden Banken liegen. Unbesicherte Anleihen, egal ob mit oder ohne Nachrang stehen dahinter, unterscheiden sich im Risikoprofil bei dieser Art des Geschäfts aber nicht nennenswert.
Berücksichtigt man alle diese Punkte, kombiniert mit der hohen Transparenz einer Abo Wind sowie der makellosen Gewinnhistorie, erscheinen die Bedingungen der Nachranganleihe fair und eine vollständige Platzierung, auch am oberen Ende (8%) sollte aus Unternehmenssicht als Erfolg gewertet werden. Bei 7% wärs mE sogar ein großer Erfolg.
Ich zeichne trotzdem die Anleihe nicht, aber nicht obwohl ich vom Unternehmen überzeugt bin, sondern weil ich überzeugt bin. Ich bin nämlich so überzeugt, dass ich lieber die Aktie kaufe als die Anleihe, denn nur der Aktionär partizipiert am Geschäftserfolg und am Wachstum des Unternehmens, der Gläubiger bekommt im besten Fall "nur" seine Zinsen. Für mich gibt es immer einen natürlichen Interessengegensatz zwischen Aktionär und Gläubiger. Ich bin Aktionär und freue mich, wenn sich das Unternehmen "günstig" mit Fremdkapital finanzieren kann. Wäre ich Gläubiger, wäre eine aus Unternehmenssicht "günstige" Finanzierung schlecht für mich, denn dann müßte aus meiner Warte der Zins ja höher sein. Ist aber eine Einstellungssache. Ich halte prinzipiell so gut wie nie Anleihen und Aktien eines Unternehmens gleichzeitig, sondern - wegen des o.g Interessengegensatzes - praktisch immer nur das eine oder andere.
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