K_Konstant schrieb 23.01.24, 21:28
Obwohl ich seit längerer Zeit in SES investiert bin, hatte ich bisher nicht die Zeit genommen, eine ausführliche Analyse zu machen. (Was eigentlich immer eine schlechte Idee ist). Ich habe in den letzten Tage versucht zumindest einige Aspekte von SES als Investment zu analysieren, u.a. die Risiken. Ich werde hier eine Zusammenfassung meiner Analyse posten, vielleicht gibt der eine oder andere, der mir eine Rückmeldung geben kann ob etwas fehlt oder falscherweise als Risiko identifiziert wurde:
Wesentliche Risiken und Herausforderungen:
1. Fallende Umsätze des Video Geschäfts: SES hat im Videosegment einen Umsatzrückgang von 27 % zwischen 2018 und 2023. Dabei spielen folgende Faktoren eine negative Rolle: Die Gesamtentwicklung des US Markts, der Trend der Verlagerung von Standard- zu High-Definition-Fernsehen, der Rückgang linearer TV-Kanäle in reifen Märkten aufgrund von Glasfasernetzen und insgesamt der verschärfte internationale Wettbewerb.
Es wird erwartet, dass diese Herausforderungen anhalten werden, aber die Auswirkungen werden durch die abnehmende Rolle von US-Video im Geschäftsmix und die wachsenden Einnahmen aus der networks Sparte, insbesondere in den Bereichen government und mobility services, abgemildert.
Das letzte Basisszenario von Fitch prognostiziert wohl einen jährlichen Rückgang der Videoeinnahmen um 5 % von 2023 bis 2027, wobei ihr Beitrag zum Gesamtumsatz von 48 % auf etwa 42 % sinken soll.
2. Aktuelle Probleme mit den neuen O3b mPower-Satelliten: Die bekannte technische Probleme an den neu gestarteten sechs O3b mPower-Satelliten haben zur Einschränkung der Kapazität und zur Verzögerung der Einführung der Dienstleistungen geführt. Das wird negativ auf Umsatz und EBITDA auswirken, wobei SES für 2024 einen Rückgang beider Kennzahlen im mittleren einstelligen Bereich erwartet.
3. Verkürzung der Investitionszyklen (CAPEX): SES ist in einer sehr kapitalintensiven Industrie tätig. Die aktuell rasante Entwicklung der Satellitentechnologie, der Investitionsumfang der LEO-Betreiber und die Einführung der SES-eigenen MEO-Konstellation könnten zu einer Verkürzung des Investitionszyklus für SES führen. Das könnte mittelfristig die Bilanz und somit die Wettbewerbsfähigkeit von SES belasten.
4. Konkurrenz aus der traditionellen Industrie: SES sieht sich einer starken Konkurrenz im Telekommunikationssektor gegenüber, einschließlich Satelliten-, terrestrischen und drahtlosen Netzwerken. Nationale Satellitenbetreiber, die von Steuervorteilen profitieren, stellen eine Herausforderung dar, und der zunehmende Wettbewerb durch wachsende nationale Satellitenprogramme kann sich auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von SES auswirken.
Das Vorhandensein von terrestrischen und drahtlosen Netzen trägt ebenfalls zum Wettbewerb bei, und technische Fortschritte in diesem Bereich könnten die Nachfrage nach den Satellitendiensten von SES einschränken, insbesondere in den Segmenten Fixed Data, Enterprise und Cloud.
5. Wettbewerb duch LEO-Satelliten: Das aktuelle Interesse an LEO Satellitenkonstellationen wird durch technologische Fortschritte, neue Geschäftsmodelle, leichtere Finanzierungsmöglichkeiten und eine wachsende Nachfrage nach bandwidth mit geringer Latenz unterstützt. LEO-Konstellationen zeichnen sich durch eine geringe Latenz im Vergleich zu geostationären Satelliten aus. Geostationäre Satelliten haben eine theoretische Mindestlatenz von mindestens 477 Millisekunden (praktisch etwa 600 ms), während LEO-Satelliten, wie diese von Starlink, praktische Latenzen zwischen Erde und Satellit von etwa 25 bis 35 Millisekunden bieten sollen – vergleichbar mit bestehenden Kabel- und Glasfasernetzen.
Zwar sind die Investitionskosten für LEO Systeme enorm hoch (mind 5-10 Mrd USD + ca 20% an CAPEX p.a. + Betriebskosten) aber im Gegensatz zu den 1990er Jahren wird die aktuelle Landschaft von Invest-Ansätzen geprägt, bei denen der langfristige Erfolg über den unmittelbaren Cashflow gestellt wird. Unternehmen priorisieren die Gewinnung von Kunden mit anfänglich niedrigeren (ggf unter den Kosten!) Preisen, um frühzeitig den Markt zu dominieren und erst später die Gewinne zu maximieren.
Allerdings soll geschätzt nur 5 % des Internetverkehrs latenzkritisch und etwa 20 % latenzempfindlich sein. Die übrigen Anwendungen könnten von kostengünstigeren MEO- und GEO-Systemen adäquat abgedeckt werden.
6. Finanzielle Risiken bzw. Zins- und USD-Sensitivität
Eine Aufwertung des US-Dollars um 0,01 US-Dollar gegenüber dem Euro bedeutet einen höheren Umsatz von rund 10 Mio. € und ein um rund 5 Mio. € höheres EBITDA und umgekehrt (laut SES).
Ein Anstieg von etwa 2,5 % gegenüber dem Vorjahr bei den Diskontierungssätzen hat zu einer Wertminderung von 397 Mio. € auf den Nettobuchwert von immateriellen Vermögenswerten im Jahr 2022 geführt.
Das waren die wesentlichen Punkte, die ich identifizieren konnte. Habe ich etwas wichtiges übersehen?
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