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nun hab ich aber immer noch nicht verstanden, um was es dir genau geht. niquet hat sich übrigens heute auch dem china-thema gewidmed. IMO: da stecken für mich 1 % wirtschaftswachstum weltweit drin. worauf niquet jedoch nicht eingeht sind die handelsbilanzen. wußtest du, daß ein großer teil des amerikanischen defizites heute daraus resultiert, daß amerikanische firmen im ausland (mexico etc.) SELBST produzieren und die waren dann auf dem amerikanischen markt verkaufen und daß dies in der handelsbilanz als import (=> defizit) gewertet wird, obwohl das geld wieder in die konzernkassen zurückfließt.
viele grüße
gourmet (der auch schon eine ganze kiste handgefertigter, grazieler weihnachtfiguren für 5 mark gekauft hat - made in china, für das geld kannst du in deutschland nicht mal ne schachtel streichhölzer produzieren)

Wenn die Realität die Fiktion einholt

- von Bernd Niquet -

Wer beherrscht gegenwärtig eigentlich das Geschehen an den Weltfinanzmärkten? Die Europäer? Wohl eher lächerlich dieser Gedanke. Japan? Meine Güte ... Und die USA? Ja, wahrscheinlich ... doch was ist eigentlich mit China? China steht gegenwärtig im Kreuzfeuer der Kritik – ganz besonders der europäischen und amerikanischen Notenbank.

Warum? Weil China seine Währung an den Dollar gebunden hat und damit künstlich unterbewertet. Diese Unterbewertung führt nicht nur dazu, dass China seine Exporte marktwidrig subventioniert, sondern seine eigene Deflation in die ganze Welt exportiert. Und da halb Asien seine Währungen ebenfalls an die chinesische gebunden hat – und dies auch tun muss, um wenigstens noch einigermaßen mithalten zu können – ist zu diagnostizieren, dass in ganz Asien falsche, dass heißt nicht marktmäßige Wechselkurse herrschen.

Das Resultat dieser Politik ist, dass China wie ein Staubsauger die Währungsreserven der Welt aufsaugt. 600 Mio. Dollar sind es, die die chinesische Zentralbank derzeit täglich (!) aufkaufen muss, um den Wechselkurs ihrer Währung auf Dollar-Niveau zu halten. Das bedeutet: Die Nachfrage nach chinesischer Währung ist riesengroß, weil alle Welt dort investieren will, doch es herrscht kein Marktpreis zwischen Angebot und Nachfrage, sondern ein fiktiver und administrativer Preis, zu dem die chinesische Notenbank an jedem Tag umgerechnet für 600 Mio. Dollar eigene Währung in den Kreislauf geben muss – und dafür spiegelbildlich Dollar einnimmt.

Ob diese Geldmengenerhöhung an anderer Stelle "sterilisiert" wird, weiß ich nicht. Doch angesichts der Deflation im eigenen Lande ist das sicherlich weder erforderlich noch gewünscht. Insgesamt sind im ersten Halbjahr 2003 auf diese Art und Weise 60 Mrd. Dollar in die Tresore der chinesischen Zentralbank geflossen. Insgesamt lagern dort jetzt 346 Mrd. Dollar Währungsreserven. Das, was China derzeit betreibt, ist mithin ein Merkantilismus in Reinform. Der chinesische Staat wird damit immer reicher, wohingegen wir, die wir zumindest in dieser Hinsicht auf den Marktmechanismus setzen, immer ärmer werden.

Alan Greenspan, der Chef der US-Notenbank, hat kürzlich verlauten lassen, dass seiner Meinung nach die chinesische Notenbank diesen Interventionskurs nicht aufrecht erhalten kann. Ich frage mich hingegen: Warum nicht? Wenn eine Notenbank interveniert, um die eigene Währung zu stützen, dann geht das immer nur eine bestimmte Zeit, weil irgendwann die Währungsreserven aufgebraucht sind. Doch im umgekehrten Fall? Hier geht es bis zum jüngsten Tage. Die Währungsreserven steigen stetig und die heimische Wirtschaft profitiert und profitiert im Außenhandel von der Unterbewertung der eigenen Währung. Natürlich werden die Importe etwas teurer, aber das macht gar nichts. Dann lässt man eben einen Bruchteil der Zinserträge, die die Notenbank aus den Währungsreserven zieht, als Dividende ausschütten, und subventioniert damit die Importe.

Spätestens an dieser Stelle holt nun die Realität die Fiktion ein. Denn exakt diesen Mechanismus habe ich in meinem Buch "Der Zauberberg des Geldes" beschrieben. Wie nämlich ein Staat durch bewusste Manipulation seiner Währung zum reichsten Land der Welt aufsteigen und damit beinahe nach Belieben selbst das Geschehen an den Aktienmärkten steuern kann. Natürlich ist hierzu ebenso ein wenig kreative Buchführung gefragt. Doch auch in dieser Hinsicht hat sich ja die Realität mittlerweile bereits der verrücktesten Fiktion zu hundert Prozent angenähert.

Bernd Niquet, im August 2003.
berndniquet@t-online.de
 
aus der Diskussion: Salami-Crash an den Weltbörsen Teil 6
Autor (Datum des Eintrages): gourmet  (01.08.03 18:15:42)
Beitrag: 3,076 von 3,115 (ID:10314118)
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