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OK, ich probiere es einfach mal, aus manager magazin zu zitieren. Die vollständige Originalquelle ist:
http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/fs/0,1153,7325…
Über zusätzlich Besuche wird man sich dort nicht ärgern.

Unheilvolle Allianz

Aktienresearch: Drei mächtige Investmentbanken geben in der Wertpapieranalyse den Ton an. Doch das Trio, das gleichzeitig Unternehmen berät, will seine Kunden nicht mit kritischen Aktienempfehlungen verprellen. Die Analystenzunft gerät in Verruf.

Konzentration:
Morgan Stanley, Goldman Sachs und Merrill Lynch haben ihren Marktanteil im Aktienhandel und im Research erheblich ausgebaut. Die Konzentration der Analyseindustrie bedroht die Vielfalt der Meinungen.

Mandate:
Die großen Brokerhäuser tendieren dazu, lukrative Firmenmandate nicht durch negative Kommentare ihrer Analysten zu gefährden.

Empfehlungen:
Nur positive Empfehlungen lassen sich gut vermarkten. So gibt es rund zehnmal so viele Kauf- wie Verkaufstipps.

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Staranalysten wie Hyde können gestandenen Topmanagern das Leben schwer machen. Sie schaffen es, selbst die rauschende Feier zur Mega-Hochzeit in der Finanzwelt zu vermiesen: Kaum hatten Deutsche-Bank-Chef Rolf-E. Breuer und sein Doppel-partner Bernhard Walter (Dresdner Bank) auf der Analystenkonferenz Details des angeblichen "Mergers of Equals" präsentiert, da rauschten die Kurse schon in den Keller.

Bisher habe noch in keinem Konzern der Welt das System "Doppelspitze" funktioniert (siehe auch "Doppelspitze: Begrenzt haltbar"), mäkelten Hyde und seine Kollegen. Sie "preisten" die Kosten der kommenden Grabenkämpfe sofort in ihre Prognoserechnungen ein und änderten ihre Einschätzung: 22 von 25 Brokerhäusern reduzierten das Rating, meist von "kaufen" auf "halten".


Wochen, bevor die geplante Fusion wieder platzte, hatten die Analysten die Fusionsparty bereits empfindlich gestört: Die Kurse rutschten in den Keller.

Daraufhin brach die Deutsche-Bank-Aktie innerhalb von zwei Tagen von 92,32 auf 74,60 Euro ein. Dem vermeintlichen Übernahmeopfer erging es wenig besser. Die Dresdner-Aktie sackte von 56,10 auf 46,40 Euro (siehe Grafik).

Nicht jeder Analyst kann eine solche Verkaufslawine auslösen. Bei den Fondsmanagern finden nur die Stars der Branche Gehör. Und die arbeiten meist für Morgan Stanley, Goldman Sachs oder Merrill Lynch (siehe Ranking-Tabellen).

Die Konzentration der Analyse auf die drei Brokergiganten ist eine unschöne Entwicklung. Sie bedroht die Meinungsvielfalt, und sie gefährdet die Existenz der kleineren Häuser.

Die Londoner Consultingfirma Tempest, an der die Familie Hoffmann (Hoffmann-LaRoche) beteiligt ist, prognostiziert bereits eine deutliche Konsolidierung der Analyse-industrie. "Wer in den Top Drei ist, macht das große Geschäft. Die anderen müssen kämpfen", sagt Tempest-Direktor Mike Cowling.

Der frühere Fondsmanager Cowling und seine Kollegen untersuchen regelmäßig die Qualität der Brokerhäuser und ihrer Analysten. Die Interviews und Umfragen bei den 350 größten börsennotierten Konzernen Europas, bei mehr als 100 Fondsfirmen und dutzenden von Brokern zeichnen ein Bild der Analystenzunft, wie es niemand anders bietet.

Das Tempest-Ranking gilt als eine Art Bibel des Gewerbes. Wer hier erwähnt ist, der macht Gehaltssprünge und wird von Konzernvorständen feierlich empfangen.

Cowlings Erkenntnisse zeigen eine bedenkliche Entwicklung der Analysebranche: Die Unabhängigkeit ist durch die Konzentration bedroht.

Morgan Stanley, Goldman Sachs und Merrill Lynch haben ihren Marktanteil im Handel und die Qualität der Analyse erheblich ausgebaut. "Research will become king" ­ also: Die Qualität der Analysten wird zum wichtigsten Wettbewerbsfaktor der Broker. Und da können die kleineren Häuser nicht mehr mithalten.

So geht auch Kohlhaussens Vorwurf ­ die Analysten verstünden nur wenig von den Unternehmen, die sie aburteilen ­ ins Leere. Sicherlich: Kaum einer der Firmenexperten hat je in einem Konzern gearbeitet. Die meisten Staranalysten kommen direkt von Eliteuniversitäten oder haben vorher für ein anderes Analysehaus gearbeitet.

Doch die besten Aktienprofis sind hoch spezialisiert. Sie haben ein tiefes Verständnis für ihre jeweilige Branche, kennen alle Wettbewerber, Technologien und Produkte perfekt. Sie holen sich ihr Wissen direkt von den Vorständen, gehen auf Fachkonferenzen und werden von ihren Helfern über wichtige Ereignisse in allen Teilen der Welt sofort informiert.

"Die führenden Analysten kennen unsere Wettbewerber und die Branche besser als wir", klagt der Vorstandschef eines deutschen Pharmakonzerns, "wir haben nicht die Zeit und das Personal, um weltweit an jeder Firmenpräsentation teilzunehmen." Diese "Verselbstständigung des Wissens" sei eine bedrohliche Entwicklung, meint der Topmanager.

Ihre Kenntnisse lassen sich die Analysten sofort versilbern. Das Geschäft mit der Aktie boomt. 857 Fondsmanager, 113 Brokerhäuser (1998 waren es noch 200) und 3637 (1998: 2683) Analysten kurbeln die gewaltige Finanzmaschine an. Gehör findet nur, wer aggressiv mit guten Investmentideen auf sich aufmerksam macht und dann die nötige Vertriebspower einsetzt.

Morgan Stanley Dean Witter hat die Bedeutung der Analyse und des Marketings rechtzeitig erkannt. Der Tempest-Sieger verdoppelte in den vergangenen drei Jahren die Zahl der Analysten.

Robert Vaudry, Direktor der Analyse bei Morgan Stanley, koordiniert den Einsatz seiner 144 Aktienexperten, die alle in London arbeiten. 650 europäische Börsenfirmen stehen unter Beobachtung der Spezialisten ­ keiner hat mehr als zehn Firmen auf der Agenda.

Um die besten Kräfte der Konkurrenz abzuwerben, lockt Morgan Stanley mit hohen Gehältern. Die Stars der Branche verdienen mehr als zwei Millionen Dollar im Jahr und werden an den Aktienumsätzen beteiligt.

Analyst Vaudry spricht bereits von einer Art Champions-League der Firmenexperten. Noch bürge der Name des Arbeitgebers für Qualität, meint er. Doch schon bald könnten die Analysestars wie in den USA eine eigene Marke entwickeln ­ egal für welchen Broker sie dann arbeiten.

Uberto Ferrari von Warburg Dillon Read ist heute schon eine Ausnahmeerscheinung. Gemeinsam mit James Golob (Goldman Sachs) ­ dem Sieger des Tempest-Einzelrankings ­ und Chris McFadden (Merrill Lynch) gilt der gebürtige Italiener als der führende europäische Analyst für Telekommunikationsfirmen.

Ferrari verfolgt die zehn größten europäischen Telekom-Werte, darunter Deutsche Telekom und France Télécom. Mindestens zweimal jährlich ist er vor Ort und "grillt" (Szenejargon) das Topmanagement in ausgiebigen Einzelgesprächen. Häufiger noch suchen die Telefonmanager Ferrari in der Londoner Finsbury Avenue auf, dem Sitz der postmodernen Europa-Zentrale von Warburg Dillon Read.

Während die Analysten früher meist fundamentale Daten und Prognosen abfragten, zählt heute vor allem die spannende Story. Denn nur die lässt sich dann zu einer Kaufempfehlung verarbeiten, die am Markt entsprechend ankommt.

Als Ferrari kürzlich zum Kauf der Telecom Italia riet, stieg der Kurs um mehr als 8 Prozent. Das stärkt das Selbstbewusstsein. Schwache Werte, die er nach der Analyse zum Verkauf stellen müsste, schaut sich Ferrari nur ungern an. Das frustriere die Fondsmanager und verärgere die Investmentbanker, gesteht er.

Eine ungute Entwicklung: Die schleichende Mutation des Research von der kritischen Analyse zur reinen Marketingveranstaltung gibt Beobachtern Anlass zur Sorge. Wenn Analysten nur noch Kaufempfehlungen abgeben, dann wird auch das beste Haus allmählich unglaubwürdig.

Dieser Trend zur Schönfärberei ist ein Ergebnis des Geschäftsmix, den die führenden Brokerhäuser betreiben. Banken wie Goldman Sachs, Merrill Lynch oder Morgan Stanley sind gleichzeitig die dominierenden europäischen Emissionsbanken, unterstreicht Tempest-Direktor Cowling. Die Fondsmanager seien daher bestrebt, ihre Analyseaufträge an das Spitzentrio zu vergeben, in der Hoffnung, als Gegenleistung bei Emissionen besonders gut bedacht zu werden: Zeichnungsgewinne verbessern die Performance der Fondsmanager.

Die Gefahr, dass es in diesem Geschäftsdickicht zu Interessenkonflikten innerhalb eines Brokerhauses kommt, ist evident. Hier trifft die Kritik des Commerzbank-Chefs Kohlhaussen ins Schwarze: Selbst die besten Analysten haben das Geschäft ihrer Brötchengeber zu beachten.

Gerade die amerikanischen Investmentbanken tendieren dazu, lukrative Mandate nicht durch negative Kommentare ihrer Analysten zu gefährden. Immerhin ein Viertel der befragten Unternehmen reagiert ziemlich empfindlich, wenn ihre Aktien zum Verkauf gestellt werden: Sie brechen die Geschäftsbeziehungen zu dem Broker ab (siehe Grafik "Jeder Vierte ist beleidigt").

Da halten viele Researcher lieber gleich den Mund. So fällt auf, dass seit einem halben Jahr praktisch kein maßgeblicher Analyst einen negativen Kommentar zur Deutschen Telekom abgegeben hat. Die Brokerhäuser wollen bei der gewaltigen Emission der Telekom-Tochter T-Online dabei sein. Kritische Studien könnten das Geschäft gefährden.

Money comes first. Der Trend zur reinen Geschäftemacherei gefährdet selbst den Ruf einer Edeladresse wie Goldman Sachs. Noch hört der Markt auf die Amerikaner. Wenn Goldman Sachs etwa eine Aktie auf die rund hundert Werte umfassende "Recommended List" stellt, dann steigt der jeweilige Wert am Tag nach Veröffentlichung indexbereinigt im Schnitt um 1,66 Prozent. Nimmt Goldman Sachs einen Wert von der Liste, dann fällt die Aktie um 1,7 Prozent (siehe Schaubild "Die Macht des Marktführers").

So weit, so gut. Wenig schmeichelhaft für die Goldman-Analyse ist jedoch, dass sie auch Kaufempfehlungen zu einer Firma gibt, an der die Bank ein ordentliches Aktienpaket hält. So hat die Goldman Sachs Private Equity Group einen Fonds für Privatkunden und alle Direktoren von Goldman Sachs, der an der Softwarefirma Ixos beteiligt ist. Goldman Sachs hat das Münchener Unternehmen an den Neuen Markt gebracht.

Die Manager des Fonds sind unter anderem Stefan Jentzsch, Timothy Plaut und Alexander Dibelius, alle drei Managing Directors aus dem Frankfurter Büro. Charles Elliott, führender Technologieanalyst von Goldman Sachs, verfolgt den Wert und hat Ixos am 26. Januar zum Kauf ("market outperformer") empfohlen.

Am 10. März verkaufte Goldman Sachs dann 600 000 Ixos-Aktien und reduzierte so seinen Anteil von 11,1 auf 8,4 Prozent. Ein Schelm, wer Böses bei diesem Geschehen denkt.

Mit Staunen haben externe Beobachter auch das Treiben von Paul Achleitner beobachtet, einst Geschäftsführer von Goldman Sachs. Der gebürtige Österreicher schaffte es, bei der Konsolidierung der Banken für alle drei involvierten Parteien zu arbeiten.

Erst beriet Achleitners Institut die Deutsche Bank beim Kauf von Bankers Trust. Dann unterstützte sein Team die Dresdner Bank in ihren Geheimverhandlungen mit der Deutschen Bank. Und zur gleichen Zeit (am 3. November 1999) bestätigte Goldman-Analyst Neil Crowder die Kaufempfehlung ("Recommended List") für die Dresdner-Bank-Aktie mit dem Kursziel: 60,6 Euro.

Zum Jahresende 1999 schließlich wechselte Achleitner als Finanzvorstand zur Münchener Allianz, dem Gewinner der Konsolidierung. Dort heckte er mit Deutsche-Bank-Primus Rolf-E. Breuer den Schlachtplan für die Bankenneuordnung aus ­ hinter dem Rücken des vermeintlichen Fusionspartners Dresdner Bank.

Die Tänze auf zu vielen Hochzeiten bewirken, dass das Research der Sell-Side-Analysten ­ sie arbeiten für die großen Brokerhäuser ­ nach Meinung vieler Fondsmanager mit dem entsprechenden Abstand gelesen werden muss. Und es sorgt dafür, dass eine Spezies von Analysten wieder auflebt, die eigentlich auszusterben drohte: die so genannten Buy-Side-Analysten.

Diese Aktienexperten arbeiten ausschließlich für ihre Fondsmanager und haben keinerlei Interessen zu beachten. Fidelity und die Capital Group, zwei der größten unabhängigen Fondsfirmen weltweit, vertrauen einzig und allein auf die Tipps ihrer Buy-Side-Analysten.

Fidelity-Manager Alexander Scurlock gibt den Trend an: "Wir kaufen kein Research von außen ­ die Gefahr der Befangenheit ist zu groß."

Andreas Nölting
 
aus der Diskussion: Das Wort zum Samstag, B.O.
Autor (Datum des Eintrages): sirjohn  (04.06.00 13:25:13)
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