Fenster schließen  |  Fenster drucken

Auslandsimmobilien: Am Wert gerüttelt

In vielen Ländern sind Immobilien so teuer wie noch nie. Ein Rückgang der Preise wäre für die Konjunktur gefährlicher als der Börsencrash.

An der Drei kommt keiner vorbei. Drei Jahre Aktienkrise, drei Prozent Minizinsen für Anleihen. Ratlos suchen Investoren nach Alternativen – und flüchten zu Immobilieninvestments: eine Eigentumswohnung kaufen und vermieten; sich an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligen und so Miteigentümer eines Bürohauses werden; oder zumindest ein paar Prozent des Wertpapierdepots in einen offenen, täglich verkaufbaren Immobilienfonds anlegen.

Dieser Nachfrageboom trieb in den vergangenen Jahren die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser, Bürobauten und Ladenlokale fast weltweit an. Die Preise stiegen nicht nur, sie stiegen auch mit den höchsten Zuwachsraten aller Zeiten. Das Wirtschaftsmagazin „The Economist“ warnt bereits, die Börsenblase der späten Neunzigerjahre sei abgelöst worden von einer Immobilienblase, die „früher oder später platzen wird“.

Expertenstreit

Viele Experten streiten dennoch die Gefahr dramatischer Preiseinbrüche an den Immobilienmärkten ab. Ihre Argumente: Die historisch niedrigen Hypothekenzinsen heizen die Nachfrage in den wichtigen Industrienationen an; die wachsende Bevölkerung bedeutet Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum; das steigende Einkommensniveau erlaubt immer mehr Menschen, sich den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen – und zwar immer üppiger, mit immer mehr Quadratmetern pro Kopf; die Flächen mit attraktivem Bauland sind begrenzt, das Angebot kann daher nicht mit der steigenden Nachfrage Schritt halten und führt zwangsläufig zu weiter steigenden Preisen für Wohnimmobilien.

In Großbritannien etwa stiegen die durchschnittlichen Immobilienpreise nach Berechnungen der Bank Halifax binnen eines Jahres um fast 23 Prozent. In den USA kletterten sie in Städten wie San Francisco, New York oder Washington seit 1999 vorübergehend um rund 50 Prozent. Ähnlich sieht das Bild in Spanien und anderen europäischen Staaten aus. Japan und Deutschland sind nahezu die einzigen wichtigen Märkte, die den Boom verpasst haben. Sind diese hohen Zuwachsraten in vielen Ländern berechtigt oder tatsächlich Zeichen einer Blase?

Was ist eine Immobilie wert?

Anders gefragt: Was ist eine Immobilie wirklich wert? Für den Familienvater auf der Suche nach einem Garten für die Kinder mag das eine Frage des Verliebtseins in ein bestimmtes Haus mit einem charmanten Grundstück sein. Doch Profis kalkulieren kühler, und ihre Einschätzung bestimmt langfristig den Marktwert. Investoren vom Fach beurteilen eine Immobilie ausschließlich anhand der Mieteinnahmen, die sich mit ihr langfristig erzielen lassen. Sie ermitteln den fairen Kaufpreis als Vielfaches der auf Dauer realistischen Jahresmiete. Für eine neu gebaute Eigentumswohnung in absoluter Filetstücklage zum Beispiel rechnen sie in Deutschland mit dem Faktor 25, sonst nur mit 20.

In Zahlen bedeutet das: Angenommen, eine Wohnung mit 100 Quadratmetern lässt sich – ohne Nebenkosten – für 800 Euro im a Monat vermieten. Das sind 9600 Euro im Jahr. Mit dem Faktor 25 ergibt das einen angemessenen Kaufpreis von 240 000 Euro, mit dem 20-fachen sogar nur 192 000 Euro. Keinen Cent mehr. Wer auf das Geschwätz des Bauträgers oder Maklers hereinfällt und mehr bezahlt, der steuert beim späteren Verkauf der Wohnung auf Verluste zu.

Diese Rechenschemata gelten so oder ähnlich weltweit. Doch in vielen ausländischen Märkten wurden sie in den vergangenen Jahren außer Kraft gesetzt: Dort stiegen die Preise der Immobilien schneller als die Mieten – ein untrügliches Zeichen einer bevorstehenden Korrektur.

Sollte die kommen, bedeutet das für die Weltwirtschaft Gefahr von einer zusätzlichen Seite. Nach Schätzungen machen Immobilien zwei Drittel des Gesamtvermögens in den Industrienationen aus.

Das gilt besonders für die USA. Die scheinbar unendlichen Wertzuwächse ihrer Immobilien gaukeln den amerikanischen Konsumenten einen Wohlstand vor, den sie nach einem Preissturz nicht mehr haben. Sie wirken zusätzlich in den Augen der Banken kreditwürdiger, als sie es mit einem niedriger bewerteten Eigentum wären. Die so oft bestaunte ungebrochene Konsumlust der US-Bürger, Stütze der amerikanischen Konjunktur, beruht zu einem wesentlichen Teil auf diesen beiden Aspekten. Das geht so lange gut, wie die Hauspreise nicht nachhaltig abrutschen.

Angst vor japanischen Verhältnissen

Nach einer Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) trafen bisherige Crashs an den Immobilienmärkten die Konjunktur doppelt so hart wie Börseneinbrüche. „Das zeigt bereits die fatale Entwicklung in Japan Ende der Achtzigerjahre, als der Immobilienmarkt dem Aktienmarkt folgte und die Wirtschaft in eine tiefe Rezession riss“, warnt Tobias Just, Experte der Deutsche-Bank-Tochter DB Research. Der Kollaps im Immobiliensektor war letztlich einer der auslösenden Faktoren für die Deflation, die Japan derzeit zum konjunkturellen Schreckensbild der Amerikaner und Europäer macht.

Zumal der Auftrieb der Immobilienpreise in einer nur moderat wachsenden, stagnierenden oder gar schrumpfenden Volkswirtschaft an natürliche Grenzen stößt. Auf Dauer können die Werte der Häuser nicht schneller steigen als das landesweite Einkommen. Wenn Mieter nicht mehr bereit oder in der Lage sind, hohe Beträge für ihre Bleibe zu zahlen, rüttelt das automatisch am Wert des Hauses.

Rezession und steigende Arbeitslosigkeit verhindern, dass Immobilien auf Dauer eine Insel des Glücks in einem rundum problematischen Wirtschaftsumfeld sein können. Beispiel Deutschland: Seit Beginn der Konjunkturkrise stieg die Zahl der Zwangsversteigerungen drastisch an. Kamen im Jahr 2000 noch rund 60 000 Häuser unter den Hammer, so waren es 2002 bereits 45 Prozent mehr: 87 000.

Noch deutlicher zeichnet sich das inzwischen auf den überhitzten Märkten ab. In Großbritannien fielen im April 2003 die Immobilienpreise mit der höchsten Rate seit acht Jahren, so die Royal Institution of Chartered Surveyors. In den USA allerdings melden nur einzelne Städte Rückgänge des Preisniveaus. Der allgemeine Aufwärtstrend ist ungebrochen. Noch.

Zumindest in diesem Punkt hat Deutschland weniger zu befürchten. Da sich die hiesigen Hauseigentümer schon seit Jahren über keine üppigen Wertzuwächse mehr freuen können, „stellt sich in Deutschland die Frage nach einer Immobilienblase erst gar nicht“, sagt Experte Just. „Es gab nur eine Subventionsblase in Ostdeutschland. Aber die ist bereits geplatzt."

KAI PETER RATH, WirtschaftsWoche
 
aus der Diskussion: Wann platzt die Immobilienfonds-Blase?
Autor (Datum des Eintrages): BigLinus  (19.08.03 23:50:21)
Beitrag: 31 von 48 (ID:10504413)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE