Fenster schließen  |  Fenster drucken

Mittwoch, 10. September 2003

Die Ponzi Wirtschaft

von Kurt Richebächer (noch so ein Crash-Pophet):laugh:

Hoffnung und Hype triumphieren über die Realität

Das weltweite Vorurteil, dass sich die US-Wirtschaft "erholt", beflügelt gerade die Märkte. Wir stellen fest, dass es drei verschiedene Ansichten gibt: Erstens ein Aufschwungskonsens; zweitens einige zweifelnde Stimmen, unter ihnen die Fed; drittens, darunter die unsrige, die geradewegs die Möglichkeit einer vollständigen Erholung der US-Wirtschaft zurückweist. Wir prophezeien Jahre eines Japan-ähnlichen, schwerfälligen Wachstums für Amerika, wenn nicht schlimmer.

Nach einer Umfrage unter Investoren sehen 71,4 % einen Aufschwung voraus, lediglich 8,6 % glauben an einen Abschwung. Das ist der höchste Abstand seit August 1987, wenige Wochen vor dem Crash.

Die Aufschwungsgemeinde verharrt stur in der Meinung, dass die US-Wirtschaft in einer exzellenten Verfassung ist. Der Fed-Vorsitzende Alan Greenspan und mit ihm die große Aufschwungsgemeinde sind sich da ganz sicher.

Nun zu unserer Meinung: Nach einer gründlichen Analyse sowohl der letzten Wirtschaftsdaten als auch der makro- und mikroökonomischen Bedingungen für die Rückkehr eines starken wirtschaftlichen Wachstums kommen wir zu zwei Schlüssen:

Erstens: Die US-Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal weder verbessert noch beschleunigt. Das angebliche Wachstum von 2,4 % ist weitgehend irreführend. Aus der Qualitätsperspektive hat sie sich ausgesprochen verschlechtert.

Zweitens: Wenn wir es im Detail erklären wollen, sind die entscheidenden makro- und mikroökonomischen Bedingungen für ein selbsttragendes und selbststärkendes Wirtschaftswachstum einfach nicht gegeben. Notwendige ökonomische und finanzielle Ausgleiche für die vergangenen ökonomischen und finanziellen Fehler rufen Schmerzen hervor. Aber Schmerzen werden in den USA nicht akzeptiert. Zusammengefasst: Die Politiker versuchen, die zurückliegenden Schuldenexzesse mit den gleichen und neuen Exzessen zu bereinigen.

Alle zurückliegenden Rezessionen hatten ihren Hauptgrund darin, dass das Geld verknappt wurde. Sobald die Fed die Zügel lockerte, gab es prompt einen wirtschaftlichen Aufschwung, hervorgerufen durch höhere Nachfrage. Zum ersten Mal in der Geschichte ist die US-Wirtschaft rezessiv, obwohl die Zinsen immer niedriger und die Kredite leichter werden.

Die Kräfte, die die Wirtschaft zurzeit herunterziehen, sind radikal anders als es die Erfahrung von früher zeigt. Das typische Hauptungleichgewicht in den Wirtschaftszyklen vor dem Krieg waren die Vorräte. Um es zu korrigieren, verkauften Händler und Hersteller zeitweise ihre Aktien, und die Produktion sank. Wenn die Aktien auf das gewünschte Niveau gesunken waren, kam die Produktion wieder in Gang.

Dagegen hat der aktuelle Abschwung seine Ursache in der Kombination einer Gewinn und Kapital verbrauchenden Krise: Wir sehen extrem schwache Gewinne, verheerende Bilanzen, exzessiven Druck auf das gesamte Finanzsystem und einen sinkenden Cash flow. In der US-Wirtschaft ist nichts mehr normal, ebenso im Finanzsystem.

Für die alten Wirtschaftler war das Investieren in feste Vermögenswerte wir Fabriken, Bürogebäude und Anlagen von größter Bedeutung, um sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch Wohlstand zu produzieren. Es sorgt für Nachfrage, Beschäftigung und Einkommen, wenn Kapitalgüter produziert werden.

Die USA hatten immer eine Wirtschaft mit niedrigen Rücklagen und niedrigen Investitionen. Aber auf der anderen Seite: Eine sehr umsatzstarke Wirtschaft. Aber in den letzten Jahren haben sich alle drei Punkte zu nicht vorher da gewesener Form entwickelt. Rücklagen und Investitionen sind auf ein schrecklich niedriges Niveau gesunken, das typisch für unterentwickelte Länder ist.

Das einfache Erkennen – das große Fehlen der Bildung von Rücklagen und Kapital – ist die Grundlage unseres kontroversen und sehr kritischen Urteils über die Gesundung und Vitalität der US-Wirtschaft, Es ist wahr, die Wachstumsrate war die höchste gegenüber den anderen Industriestaaten seit Jahren. Aber es war die ganze Zeit ein ökonomisches Wachstum der schlechtesten Qualität.

Die heutigen Wirtschaftler bekommen ihre Informationen in einem Umfang und einer Schnelligkeit wie niemals zuvor. Wir haben aber den Eindruck, dass sie nur geringen Gebrauch davon machen.

In diesem Zusammenhang haben uns die unmittelbaren euphorischen Berichte über die Wachstumsbeschleunigung im zweiten Quartal.

Während der 1960er und 70er Jahre übrigens brachten die USA im Schnitt 1,5 US$ zusätzliche Schulden auf für jeden Dollar zusätzlichen BIPs. Denken Sie daran: die BIP-Wachstumsrate von heute ist morgen eine Sache der Vergangenheit, während die Schulden ungehindert weiter wachsen.

Zusammengefasst: Greenspans Politik ist zusammengebrochen zu unkontrollierter Geld- und Schulden-Kreation, die ganz schnell die Umsätze der neuen Wirtschaftsaktivitäten einschrumpfen lassen würde. Der Ökonom Hyman P. Mynsky würde das die Ponzi Wirtschaft nennen, wo Schuldenzahlungen nicht länger aus dem eigenen Einkommen bezahlt werden, sondern durch neues Leihen. Steigende unbezahlte Rechungen werden kapitalisiert.
 
aus der Diskussion: Märkte (4. Teil) - und die Zukunft der Weltwirtschaft
Autor (Datum des Eintrages): Stormy  (10.09.03 18:23:27)
Beitrag: 2,612 von 2,651 (ID:10697714)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE