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WirtschaftsWoche - GELD
US-Börse: Den Vogel abgeschossen
Freitag 12. September 2003, 10:16 Uhr






NASDAQ Stock Exchang...
Wenn er erwachsen ist, will der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer Gouverneur werden. Schon jetzt schürft er im Sumpf der Wall Street, um so bekannt zu werden, dass er sich die nötigen Stimmen sichert. Er hofft nicht, die Macher der Wall Street würden ihn wählen. Aber er vermutet da eine Menge fauler Äpfel, die Ruhm bringend gepflückt werden können. Der pragmatische Politiker macht eine simple Rechnung auf: Es gibt weit mehr Anleger - also potenzielle Opfer - denn Übeltäter, sprich Broker,


Analysten und Investmentbanker.

Spitzer ist bei seiner Suche nach den bösen Buben auch schon wieder fündig geworden. Der Hedge-Fonds Canary Capital Partners und mit diesem eine ganze Gruppe von Investmentfonds haben sich hinterrücks auf Kosten Unschuldiger die Taschen gefüllt. Mehrere Fliegen auf einen Schlag und folglich Grund genug, den Fang mit Pauken und Trompeten bekannt zu machen: Taktisch klug spricht Spitzer in seiner Anklageschrift von "Fondsfamilien". Wenn ein New Yorker das Wort Familie in einem Atemzug mit Verbrechen hört, denkt er unwillkürlich an böse Clans vom Typ der mafiösen Sopranos. Und tatsächlich ortet Spitzer Ähnlichkeiten. Beide haben eine konstitutionelle ethische Schwäche, die es ihnen unmöglich macht, Recht von Unrecht zu unterscheiden.

Obwohl natürlich wichtige Unterschiede bestehen: Die Fondsmanager sind sprachgewandter, die Typen von der Cosa Nostra sind besser gekleidet. Mit Unterstützung und tatkräftiger Hilfe der Bank of America (NYSE: BAC - Nachrichten) schaffte sich Canary Schlupflöcher, um dank der besonderen Preisfestsetzung der Fonds Kasse zu machen. Die Preisbildung funktioniert so: US-Fondsanteile werden während einer Börsensitzung nicht laufend gehandelt. Der Anteilspreis errechnet sich aus dem Nettoinventarwert des Fonds zum Handelsschluss des Börsentages. Transaktionen nach 16 Uhr New Yorker Zeit werden erst am nächsten Tag und zum Nettoinventarwert des nächsten Tages abgerechnet.

Unsaubere Geschäfte

So ist die Regel. Doch Canary genoss eine Art Ausnahmestatus. Dank zuvorkommender Freunde bei der Bank of America konnte der Hedge-Fonds auch nach Kassensturz Geschäfte zum jeweiligen Tagesschlusskurs verbuchen. Diesen praktischen Vorteil nutzte Canary, um im Fall kursrelevanter Neuigkeiten noch schnell aktiv zu werden. Spitzer hat auch einen passenden, wenngleich wenig originellen Vergleich parat: "Sie wetteten auf Pferde, wenn sie schon im Ziel waren."

Das ist zwar laut den US-Bundes- und bundesstaatlichen Gesetzen streng verboten. Aber es hat noch niemanden davon abgehalten, es dennoch zu tun. Die Fonds zeigten sich äußerst zuvorkommend, Canarys schnelle Entschlüsse am Nachmittag zu unterstützen.

Da störte es keinen, dass die hauseigenen Fondsprospekte der Bank of America in aller Deutlichkeit vor den scheußlichen Folgen solch unsauberer Geschäfte warnen und zur ständigen Wachsamkeit aufrufen, um derartige Praktiken zu unterbinden. Aber von Wachsamkeit konnte nicht die Rede sein, schon gar nicht von ständiger. Ganz im Gegenteil, die Bank-of-America-Gruppe belieferte Canary mit minutengenauen Portfolio-Updates. Nicht genug damit, ließ sie im Büro von Canary sogar elektronische Handelsplattformen einrichten und räumte dem Hedge-Fonds einen Kreditrahmen über 300 Millionen Dollar ein, mit dem diese Geschäfte finanziert wurden.

Canary Capital Partners gehört einem gewissen Edward Stern, dessen Urgroßvater Max einst mit 5000 Kanarienvögeln aus Deutschland einwanderte. Edward verdankt der von Max gegründeten Vogelsamenfirma Hartz Mountain ein Vermögen von mehreren Milliarden Dollar. Den gelben Piepmätzen verdankt der Hedge-Fonds auch seinen Namen.

1998 entdeckte Edward Stern, dass mit dem Handel von Fondsanteilen Geld zu machen war. Mit 110 Prozent Gewinn im ersten vollen Geschäftsjahr feierte der Hedge-Fonds sofort einen durchschlagenden Erfolg. So beschloss Stern, ihn im Jahr 2000 für private Anleger zu öffnen. 2000 war das Jahr, in dem der Index S&P 500 neun Prozent verlor und der Nasdaq (NASDAQ: Nachrichten) -Index 39 Prozent abstürzte. Sterns Fonds aber legte coole 49,5 Prozent zu - nach Gebühren. Canary hielt sich auch in den folgenden Jahren im Aufwind. Das vom Fonds verwaltete Vermögen kletterte auf 700 Millionen Dollar.

Aus teilweise ungeklärten Gründen kam der Fonds in diesem Jahr plötzlich ins Trudeln: Als er im Mai abzusacken begann, beschloss Stern, die Anteile seiner externen Anleger zurückzukaufen (vielleicht hatte er eine böse Vorahnung oder ein Vögelchen hatte ihm etwas gezwitschert). Sein Spielchen mit der Bank of America spielte er bis Juli weiter, als Spitzer Canary mit einer Strafanzeige die Flügel stutzte.

Inzwischen hat Spitzer Canary komplett vom Himmel geholt. Diesen aktuellen Abschuss kann der New Yorker Generalstaatsanwalt in seine wachsende Trophäensammlung einreihen. Er konnte Stern sogar das originelle Geständnis abringen, dass er nie etwas Unrechtes getan habe, es aber nie wieder tun werde. Stern willigte in einen Vergleich ein: Er lässt die Finger vom Handel mit Fondsanteilen und zahlt 40 Millionen Dollar, "um ein langwieriges und komplexes Verfahren zu vermeiden". Das sagen sie immer. Spitzer aber hat Blut geleckt und will in der Fondsindustrie weiter aufräumen. Er wird viel zu tun haben.

Hässliche Auswüchse

Bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC in Washington macht er sich mit seinem Eifer nicht nur Freunde. Auch die SEC ist den schwarzen Schafen in der Fondsindustrie auf der Spur, und einmal mehr war ihr die New Yorker Staatsanwaltschaft eine Nasenlänge voraus. Noch peinlicher: Erst kürzlich hat auch der Bundesstaat Oklahoma der SEC das Zepter aus der Hand genommen - mit dem neuen Gerichtsverfahren gegen Bernie Ebbers, den Ex-WorldCom-Manager. Diese lokalen Ermittler gehen energisch vor. Und sie haben einen großen Vorteil gegenüber der SEC: Die Bundesbehörde hat zwar viel mehr Leute und Ressourcen, aber es dauert Ewigkeiten, bis sie die mobil macht.

Dem SEC-Vorsitzenden Bill Donaldson weht außerdem heftiger Gegenwind von Bürokraten und Politikern ins Gesicht. Aber er dürfte letztlich das Rückgrat haben, um einen guten Job zu leisten. Und Donaldson zeigt sich kompromisslos genug, jedenfalls im Fall Dick Grasso, dem Chef der New York Stock Exchange, den er wegen der fantastischen Höhe seiner Bezüge (140 Millionen Dollar) an den Pranger gestellt hat.

Wie auch andere hässliche Auswüchse in der Investmentszene beweist die Canary-Episode eines von Neuem: Der Teufel hat einen langen Schwanz. Die Skandallawine, die das Vertrauen der Anleger in den vergangenen drei Jahren erschüttert hat, rollt noch immer. Egal, wie sich die Märkte drehen und wenden.
 
aus der Diskussion: Ein dreifaches Hoch auf E.SPITZER! ++++Lesenswert!++++
Autor (Datum des Eintrages): Freudmann  (12.09.03 13:09:44)
Beitrag: 1 von 2 (ID:10716737)
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