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Grabenkrieg der Bullen und Bären

von Jochen Steffens

Um mich wieder auf " Stand" zu bringen, habe ich am Wochenende viel Zeit im Internet mit Recherche verbracht. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Diskussionen um diese seit März laufende Rallye mittlerweile zum Teil groteske Formen angenommen haben. Die beiden " Lager" , Bullen und Bären, haben sich eingegraben und beharken sich mit mehr oder weniger sachlichen Argumenten. Die Diskussionen entwickeln dabei besonders im Internet eine emotionale Eigendynamik, die zum Teil bedenklich ist. Leider bleibt dabei die Sachlichkeit auf der Strecke. Doch immer wieder, wenn es um das liebe Geld geht, hört anscheinend die Freundschaft und auch die Vernunft auf. Traurig genug.

Aber diese " Grabenkriege" haben natürlich Gründe. Die Bullen haben durch die scharfe Konsolidierung im September einen kräftigen Seitwärtshieb erhalten und mussten zunächst verunsichert zurückweichen. Kurz darauf wurden die gerade bestätigten und höhnenden Bären mitten in ihrer Euphorie durch die letzten drei Handelstage weit zurückgeworfen. Der S&P konnte zum Beispiel innerhalb diese drei Tage seine gesamten Verluste wieder aufholen und notiert nahe Jahreshoch. Nun triumphieren und höhnen die Bullen wieder. Dieses " nervenaufreibende" hin und her, lässt die Diskussionen erbittert, unsachlich und persönlich werden.

Verantwortlich für den überraschend starken Anstieg der internationalen Indizes am Freitag waren die US-Beschäftigten Zahlen (ohne Landwirtschaft). Hier kam es zu einem Anstieg um 57.000 Beschäftigten. Erwartet wurden 20.000–40.000 weniger Beschäftigte. Im Vormonat hatte es einen Rückgang von 41.000 Beschäftigten gegeben. Allerdings ist diese Zahl später von plus 93.000 (!) revidiert worden. (Zu der genaueren Aufschlüsselung der Arbeitsmarktzahlen lesen Sie weiter unten den Kommentar von meinem Kollegen Martin Weiss)

Endlich, so hofften die Bullen auf den ersten Blick, endlich eine erste zarte Erholung am Arbeitsmarkt. Doch selbst wenn diese Zahl nicht revidiert würde, müsste sie sich längere Zeit zwischen 100.000 und 150.000 aufhalten, um eine nachhaltige konjunktureller Erholung zu ermöglichen. Denn erst dann besteht die begründete Hoffnung, dass der Konsum in Amerika 2004 die konjunkturelle Erholung tragen wird und damit die Baisse endgültig vorbei geht.

Etwas vorsichtig sollten Sie jedoch bei der Interpretation der folgenden Arbeitsmarktzahlen sein. In den nächsten Monaten ist allein schon aus saisonalen Gründen mit einer leichten Stabilisierung des US-Arbeitsmarkts zu rechnen. Das Weihnachtsgeschäft wartet. So ist es nicht verwunderlich, dass einige US-Analysten zwar davor warnen, die Zahlen von Freitag könnten " heftig revidiert" werden, aber trotzdem " begründete Hoffnung" auf eine Erholung in den kommenden Monaten haben.

Der schwache Arbeitsmarkt ist und bleibt das entscheidende Thema. Ein nicht unbeachtlicher Teil der abgebauten Arbeitsplätze ist nicht direkt auf die schwache Konjunktur zurückzuführen, sondern schlichtweg ins Ausland " verschwunden" . Besonders China ist hier zu nennen. Doch selbst wenn sich die US-Konjunktur längerfristige erholen sollte, viele Arbeitsplätze sind unwiderruflich auf lange Sicht verloren. Kostensenkungen und Produktionssteigerungen werden die großen US-Firmen noch einige Jahre in ihrem scharfen Konkurrenzkampf begleiten. Bevor also wieder ausreichend neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, müsste der US-Konsum lange Zeit deutlich anziehen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Eine Zahl zum " Konsum" noch: aktuell steigt die Armutsrate in den USA auf 12,1 %

Der Dollar ist das zweite, wichtige Thema – ausgelöst durch einen Kommentar von Wim Duisenberg: Duisenberg hält eine weitere Abwertung des Dollars für unvermeidlich. In einem Interview mit der Financial Times sagte er: Wir hoffen und beten, dass die Berichtigung (des Dollarkurses), die unvermeidbar ist, langsam und schrittweise vonstatten geht." Sonderlich zuversichtlich hört sich das nicht an. Vielleicht auch deswegen fügte Wim Duisenberg hinzu. " Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um es langsam und schrittweise geschehen zu lassen." Doch auch wenn diese Dollar-Abwertung langsam gehen sollte, eins steht offenbar fest: Der Euro wird weiter und weiter steigen. Sollte man da die aktuellen Kursrückgänge nicht nutzen?
 
aus der Diskussion: The Market-Watch oder die Mär vom starken Bullen !
Autor (Datum des Eintrages): herr.motzki  (07.10.03 16:50:29)
Beitrag: 2,582 von 2,849 (ID:10950715)
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