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Mein Leben

Eigentlich wollte ich heute gar nicht herkommen. Ich habe mich so über mich geärgert, dass ich mich sitzen gelassen habe und bin gegangen. Unterwegs habe ich mich dann noch angerufen, doch da war ich nicht mehr da.

Als ich `87 geboren wurde, war ich noch sehr jung. Meine Eltern waren gerade nicht da, sie waren auf dem Feld Kartoffeln holen. Es war zwar nicht unser Feld, aber wir holten dort immer unsere Kartoffeln. Jetzt ist mein Vater im Gefängnis - wegen seines Glaubens; er glaubte immer, keine Miete bezahlen zu müssen.


Ich war nicht alle Kinder, die wir hatten. Wir waren zu Hause 20 Kinder und
zwar 10 Jungen, 9 Mädchen und ein Blindgänger. Wir schliefen alle in einem Zimmer und in einem Bett -- mit Gasmasken. Das Handtuch stand hinter der Tür. Da wir nur ein Bett besaßen, war es mit dem Schlafen schwierig: Das erste Kind wurde ins Bett gelegt. Wenn es eingeschlafen war, wurde es herausgenommen und an die Wand gestellt. Ich bin mal 10 Tage lang stehengeblieben und es ist gar nicht aufgefallen.

Wir waren eine sehr musikalische Familie. Meine Mutter nähte auf einer "Singer-Nähmaschine". Mein Vater war Pianoträger bei den Transportbetrieben und sitzt jetzt im Sing-Sing. Einer meiner Brüder war Sänger. Er sank immer tiefer und tiefer und brummt jetzt schon 3 Jahre. Am musikalischsten war meine Schwester. Sie ging schon bei der Geburt flöten.
Wir waren auch eine sehr intelligente Familie. Einer meiner Brüder ist auf der Uni in Heidelberg. Er steht dort in Spiritus, weil er zwei Köpfe hat. Ein anderer Bruder ist Verwandlungskünstler. Er geht mit einem alten Mantel ins Café und kommt mit einem neuen wieder heraus. Wiederrum ein anderer Bruder ist Klemptner, was er am Tage klemmt, wird am Abend verlötet, d.h. versoffen. Wir Jungen hießen alle Emil, bis auf Paul, der hieß Fritz. Meine Schwestern waren alle sehr dünn, die eine musste immer zweimal ins Zimmer kommen, damit man sie nicht übersah. Eine hatte jetzt Zwillinge bekommen, die sahen sich sehr ähnlich. Als ich 6 Jahre alt war, kam ich in die Schule. Ich war immer der Liebling aller Lehrer. Verschiedene Klassen durfte ich sogar 2x besuchen. Einmal wurde ich in der Rechenstunde gefragt: "Wenn ich beim Fleischer 12,- €, beim Bäcker 15,- € und beim Kaufmann 20,- € Schulden mache, wieviel habe ich dann zusammen?" Ich sagte darauf: "Das weiß ich nicht, denn dann ziehen wir meistens um!".
Brachten wir gute Zeugnisse nach Hause, gab es einen Groschen für die Sparbüchse. Waren es schlechte Zeugnisse, bekammen wir es mit dem Ausklopfer. War die Sparbüchse voll, wurde eine neuer Ausklopfer gekauft.

Später kam ich beim Schmied in die Lehre. Er gab mir einen Hammer in die Hand und sagte: "Wenn ich nicke, dann schlag zu!" Ich schlug zu, er nickte nie wieder. In einer Metzgerlehre nahm ich immer die Knochen für meinen Hund mit. Im Zeugnis stand: Er war ehrlich bis auf die Knochen. Dann wurde ich Vertreter. Mein Chef fragte mich, was ich vorher gemacht hatte. Ich sagte ihm, ich habe Ölsardinen die Augen zugedrückt, bevor sie in die Büchse kamen. Das glaubte er mir nicht und außerdem fiel ihm auf, dass ich eine sehr langsame Aussprache hatte. Er fragte mich, ob ich etwas schneller könnne, worauf ich mit "ja" antwortete und laut gähnte. Ich werde bei der Arbeit sehr schnell müde. Und das bin ich bis heute geblieben...

:( der hier nur mal das erschütternde Leben eines jungen Inders darstellen wollte...

 
aus der Diskussion: Mein Leben
Autor (Datum des Eintrages): GandhiAB  (15.10.03 17:35:44)
Beitrag: 1 von 7 (ID:11032689)
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