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#10 Waterkant

Kurs von 1,15 Euro in Berlin erreicht!




Nebenwerte Journal

11. Jahrgang, Nr. 9 vom 4. September 2003


Geschäftsjahr 2002 als "reinigendes Gewitter" schafft Voraussetzungen für den Aufbau einer Unternehmensgruppe

> von Olaf Brandes

Über die heilende Kraft von Wechselbädern wusste schon der gute alte Pfarrer Sebastian Kneipp zu einer Zeit zu berichten, in der die Jeserich AG ungefähr gegründet wurde. An diesen Umstand wird sich vermutlich der jetzige Jeserich-Vorstand erinnert fühlen, wenn er das Geschäftsjahr 2002 und den Beginn des Geschäftsjahres 2003 Revue passieren lässt. 2002 war ein schlechtes Jahr, weil in einem katastrophalen gesamtwirtschaftlichen Umfeld auch in der Jeserich Werte vernichtet wurden, 2002 war ein gutes Jahr, weil der Vorstand in der Krise die Chance sah, zu günstigen Konditionen eine Mehrheitsbeteiligung an der im Wohnungsbereich tätigen GIVAG AG vorzubereiten, die Mitte 2003 umgesetzt wurde. Schritt der Vorstand in der vorjährigen Hauptversammlung noch mit mutigen Ergebnisprognosen voraus, so watete er danach durch das kalte Wasser rückläufiger Konjunktur und musste als Reaktion darauf das Verkaufsprogramm vorziehen, um die Objekte des Umlaufvermögens vor noch weiteren Wertverlusten zu bewahren. Aber betrachten wir das vergangene Jahr der Reihe nach.

Strategieanpassung erforderlich
Im Geschäftsjahr 2001 hatte die Jeserich AG ihr Immobilienvermögen neu sortiert, in Bestandsobjekte sowie Handelsobjekte eingeteilt und entsprechend dem Anlage- bzw. Umlaufvermögen zugeordnet. Die im Umlaufvermögen bilanzierten 10 Immobilien und Grundstücke im Buchwert von Euro 15.2 Mio. sowie das 2002 erworbene Objekt am Hamburger Pferdemarkt wurden im Rahmen einer notwendigen Strategieanpassung bis Mitte 2003 komplett verkauft, um einen Wertverfall zu vermeiden. Die schneller als geplant vorangetriebene Buy-and-Sell-Strategie, die bei Jeserich unter dem Arbeitstitel "Aufspüren -Veredeln -Veräußern" läuft, leitete jedoch auch einen Schwerpunktwechsel in der ursprünglichen Ausrichtung der Drei-Säulen-Strategie ein. So soll zunächst die risikoreichere Neuprojektentwicklung zu Gunsten der Bestandshaltung und Bestandsentwicklung zurückgefahren werden. In diesem Zusammenhang hat der für den Bereich Vermietung und Vermarktung zuständige Vorstand Klaus-Dieter Bohn neben Hamburg nun auch ein Büro in der Kölner Zentrale bezogen, um "näher am Mieter zu sein" und die Vor- und Nachvermietung zu optimieren. Dies sei die beste Versicherung gegen drohende Mietausfälle, erklärte Bohn. Neben der Vollvermietung des @-Hauses in Köln- Ehrenfeld steht ebenso die Vorvermietung des Hamburger Objektes an der Ottenser Straße im Vordergrund. Dieser attraktive Wohn- und Gewerbestandort soll in den nächsten Jahren mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von ca. Euro 5 Mio. aus dem Bestand entwickelt werden.


Unternehmensdaten

Jeserich AG
Widdersdorfer Str. 190, 50825 Köln
Telefon (0221) 54961.0
Internet: www.j-ag.de
ISIN DE0006216005
7 Mio. Stückaktien, AK Euro 7 Mio.
letzte HV am 25.07.2003
Börsen: Berlin, Stuttgart (Freiverkehr)
Kurs am 22.04.2003:
Euro 2,10 (Stg) 1,65 (Bln), 2,85 / 1,11 T
Börsenwert: Euro 14.7 Mio. / 11.6 Mio.
Streubesitz ca. 15 %

Risikovorsorge im Mittelpunkt
2002 war auch für die Immobilienbranche ein Jahr, dass zahlreiche Risiken offen legte, die vorher als nicht relevant eingestuft wurden und die sich durch gute operative Ergebnisse verdecken ließen. Auch die Jeserich AG ist hiervon nicht verschont geblieben und musste gleich mehrfach Wertberichtigungen vornehmen. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die außerordentliche Abschreibung auf das schon lange im Portfolio befindliche Konversions- und Revitalisierungsprojekt "Wuppertal-Vohwinkel" in Höhe von Euro 4.5 Mio., die erforderlich wurde, weil die eigene Entwicklungsidee sich als nicht realisierbar erwies. Ein verbleibender Restbuchwert in Höhe von unter Euro 2 Mio. bei einer Grundstücksgröße von 36000 qm verdeutlicht, wie konsequent hier auf den niedrigst anzunehmenden Verkehrswert abgeschrieben wurde. Bei diesem Objektes wird gegenwärtig mit einem Spezialentwickler über einen Komplettverkauf verhandelt, auch um zu vermeiden, dass nach Kündigung einiger Mietverträge per Jahresultimo negative Deckungsbeiträge entstehen. Weiterer Wertkorrekturbedarf betrifft mit Euro 0.90 Mio. die Wertpapiere des Anlagevermögens, da sich die AGIV-Position deutlich negativ entwickelt hat und eine Anpassung des 2.5%igen "Altbestands" an GIVAG-Aktien auf ein Niveau von ca. Euro 0.70 je Aktie erforderlich wurde. Schließlich war eine Wertberichtigung auf Mietforderungen in Höhe von Euro 0.2 Mio. notwendig. Auch bei dem freiwillig veröffentlichten Nettovermögenswertes (NAV) der Jeserich AG berichtigte der Vorstand die Ansätze der "stillen Reserven" im Umfang von ca. Euro 1.8 Mio.. Ein NAV-Ansatz von knapp Euro 2.60 je Aktie scheint nunmehr realistisch zu sein.


GIVAG-Erwerb mit Hilfe des Großaktionärs
In der Hauptversammlung der JAG Jeserich AG am 25.07.2003 erklärte der Vorstandsvorsitzende Oliver Blum, dass inklusive einiger sich noch in Abwicklung befindlicher Transaktionen eine Mehrheitsbeteiligung an der GIVAG AG (s. NJ 7/03) erworben werden konnte. Die Aktien sind über die Schweizer Bank Hoffmann (einer Tochter der Crédit Suisse) außerbörslich einschließlich aller Kosten zu einem Durchschnittspreis von ca. Euro 0.90 je Aktie gekauft worden. Die Finanzierung dieses Ankaufs wurde über ein Darlehen des Großaktionärs Oliver Blum finanziert, das er provisionsfrei zu exakt den selben Bedingungen - Zinssatz 4% über Eurolibor an die Gesellschaft weitergereicht hat. Dieses besondere Engagement für die Gesellschaft bezeichnete Blum gegenüber den Aktionären als eine Art Dividendenersatz. Die GIVAG verfügt über einen Bestand von 4060 Wohneinheiten, der zu 80 % in Nordrhein-Westfalen liegt und rund 272 500 qm Wohnflächen umfasst. Damit besetzt die Jeserich AG mit der GIVAG die angestrebte Führungsgesellschaft im Bereich Wohnimmobilien, die primär zu einem Bestandshalter ausgebaut werden soll. Parallel zu einigen notwendigen Arrondierungsverkäufen strebt die GIVAG mit Unterstützung von Jeserich einen Bestandsausbau in Nordrhein-Westfalen an. Hierbei soll auch mit namhaften Partnern kooperiert werden; Gespräche seien bereits mit der SK Corpus Immobilienvermittlung GmbH, einer 100%igen Tochter der Corpus Immobiliengruppe, einem Beteiligungsunternehmen u. a. der Stadtsparkassen Köln und Düsseldorf, geführt worden. Eine vollständige Übernahme der GIVAG schließt der Vorstand allein schon aus, um nicht Grunderwerbssteuer zahlen zu müssen, hält jedoch ein Umtauschangebot an die GIVAG-Aktionäre in Jeserich-Aktien zu gegebener Zeit für möglich und sinnvoll.


Ein Blick in das Gebäude der Jeserich AG in der Widdersdorfer Strasse 190 in Köln.


Risikovorsorge führt zum Verlust
Den wiederum äußerst transparenten Geschäftsbericht ist zu entnehmen, dass der Vorstand beim operativen Ergebnis trotz verschlechterter Rahmenbedingungen voll die vorjährigen Prognosen erfüllt hat. Der Umsatz aus Verkauf und Vermietung wuchs kräftig auf Euro 19.5 (16.3) Mio. Die Rohmarge aus den Objektverkäufen betrug bei einem Verkaufserlös von Euro 14.5 Mio. und einem "Objektverbrauch" von -Euro 7.6 Mio. ca. Euro 6.9 Mio. bzw. 47.6 %. Ohne die veräußerten Objekte sanken die Mieterlöse auf Euro 5.0 (7.2) Mio. Die Abschreibungen ließen das EBITDA-Ergebnis von Euro 7.4 (5.7) Mio. auf Euro 1.6 (4.6) Mio. beim EBIT schrumpfen. Der Zinsaufwand und die Wertberichtigungen auf Aktien sowie Steuern führten zu einem Verlustausweis von Euro 1.97 (0.73) Mio. Die hohe Abschreibung von Euro 4.5 Mio. für das Wuppertaler Objekt verhinderte zumindest Steuern auf die Erträge aus den Objektverkäufen. Das negative Ergebnis wurde durch eine Verrechnung mit dem Gewinnvortrag des Vorjahres sowie einer Entnahme aus der Kapitalrücklage ausgeglichen. Das Eigenkapital sank daher auf Euro 11.2 (13.1) Mio., so dass sich die EK-Quote bei einer wenig veränderten Bilanzsumme von Euro 60.4 (63.9) Mio. auf 18.5 (20.9) % stellte. Damit ist die EK-Quote zwar aus dem Zielkorridor der Jeserich AG von 20 % bis 25 % gerutscht, ist aber in diesem Jahr nach einem Abbau von Verbindlichkeiten wieder auf 19.6 % angestiegen.


Ausbau der JAG-Gruppe
Mit dem Mehrheitserwerb an der GIVAG nimmt die JAG-Unternehmensgruppe erste Konturen an. Erklärtes Ziel sei nunmehr die Integration der GIVAG in das bestehende Netzwerk von Jeserich. Die Bestandsoptimierung und -erweiterung steht dabei genauso im Vordergrund wie die Ressourcenausnutzung beider Unternehmen. Ziel ist es, die Dividendenfähigkeit der GIVAG wiederherzustellen sowie deren Konsolidierung im Jeserich-Konzern, womit sich die Bilanzsumme der Jeserich-Gruppe (ohne Fremdanteile) schlagartig von derzeit rd. Euro 60 Mio. auf bis zu Euro 290 Mio. erhöhen dürfte. Auch die Aktivitäten des Immobilienservice Providers JAG Service GmbH, der Dienstleistungen rund um die Gewerbeimmobilie anbietet, auch auf andere Objekte. Gesellschaftsrechtlich wurde die JAG Service auf eigene Beine gestellt und das Servicepersonal aus der Jeserich AG übernommen. Die vierte Säule des JAG-Konzerns, der Spezialimmobilienbereich, soll aus Kapazitätsgründen erst 2004 besetzt werden. Auch im Kernbereich der Jeserich AG, dem Geschäft mit Gewerbeimmobilien, sollen offenbar erst niedriger Preise abgewartet werden, bevor es zu konkreten Verhandlungen kommt.


Unser Fazit
Auch wenn 2002 die operativen Ziele der JAG Jeserich AG weitgehend erreicht wurden, lässt sich eine gewisse Enttäuschung nicht verschweigen. Die hohen Abschreibungen belasten zwar nicht die Liquidität, begrenzen aber das künftige Potential. Andererseits ist die konsequente Reaktion auf eine absehbare Fehlentwicklung ebenso zu begrüßen wie die Offenheit gegenüber den Aktionären, die zu einer Anpassung des NAV auf ein schon rezessives Niveau führte. Mit der GIVAG und ihrem stabilen Cashflow aus dem Bestandsgeschäft erschließt sich Jeserich für die Zukunft ein großes Ertragspotential. Im laufenden Jahr dürften nach Abschluss des Verkaufsprogramms die Mieteinnahmen der Jeserich AG allein nicht ausreichen, um einen signifikanten Überschuss zu erwirtschaften, zumal auch das Darlehen zum GIVAG-Erwerb Zinsen kostet. Ab 2004 sollten eine gestärkte GIVAG und eine schlagkräftige JAG Service zur Wertschöpfung im Konzern beitragen können. Daher bieten Kurse unter Euro 2,-- eine gute Gelegenheit zum Einstieg, um am künftigen Wachstum der JAG-Gruppe zu partizipieren. Voraussetzung ist die Umsetzung aller angekündigten Maßnahmen.

O.B.


>>>Internet: http://www.nebenwertejournal.de
 
aus der Diskussion: Immobilien-AGs
Autor (Datum des Eintrages): gaethje  (20.11.03 17:45:24)
Beitrag: 11 von 19 (ID:11394208)
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