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Goldrausch und Dollar-Kater

Jürgen Elsässer 26.11.2003
Die Konvulsionen an den Devisenmärkten verweisen auf die strukturelle Krise des Geldsystems

Alarm an den Devisenbörsen: Mitte November rutschte der Dollar unter seinen Kurs am Einführungstag des Euro. Pro Euro bekam man kurzzeitig 1,1978 Dollar - mehr als je zuvor in der Geschichte der Gemeinschaftswährung. Nach alter Rechnung hätte man nur noch 1,64 Deutsche Mark für den US-Dollar bezahlen müssen - im Jahr 2000, dem letzten Vor-Euro-Jahr, waren es zeitweise 2,30 Mark und mehr gewesen. Noch spektakulärer als der Euro stieg das Gold und durchschlug etwa zur selben Zeit erstmals seit mehr als siebeneinhalb Jahren den Preis von 400 Dollar pro Feinunze.

Das Abrutschen der US-Währung würde noch stärker ausfallen, würde diese nicht künstlich gestützt, und zwar von den Konkurrenten der USA. So hat etwa die japanische Zentralbank seit Jahresbeginn mindestens 150 Milliarden Dollar aufgekauft, um dessen Wert zu stabilisieren.

Das ist kein Freundschaftsdienst, sondern Eigeninteresse: Würde der Dollar weiter fallen und der Yen damit steigen, wären japanische Ausfuhren auf dem US-Markt nicht mehr so konkurrenzfähig. Nippons exportlastige Wirtschaft, gerade eben knapp der Deflation entronnen, käme erneut ins Trudeln.

Wachstum auf Pump
Auf den ersten Blick erscheint die Entwicklung verwunderlich, ist doch die US-Wirtschaft im dritten Quartal mit einer Jahresrate von 8,2 Prozent gewachsen - Deutschland, das nur ganz knapp ein Minus vermieden hat, kann von einem solchen Wert nur träumen. Doch der Zuwachs ergibt sich weitgehend aus Staatsinvestitionen zum Beispiel für den Rüstungssektor, die die Bush-Regierung in Größenordnungen wie zuletzt Ronald Reagan zu Beginn der achtziger Jahre getätigt hat. Diese Investitionen werden auf Pump finanziert, und zwar weitgehend von ausländischen Millionären und Kapitalfonds. Reiche Deutsche, Japaner oder Araber kaufen die Staatsobligationen, die Washington auf den Kapitalmärkten anbietet. Mit anderen Worten: Sie geben harte Devisen gegen papierene Zahlungsversprechen. Auf diese Weise müssen Tag für Tag 1,5 Milliarden US-Dollar ins Land strömen, damit die Bush-Regierung ihre Löcher stopfen kann.

Eine Rückzahlung der Auslandskredite wird aber nur möglich sein, wenn die USA endlich wieder mehr Eigenprodukte auf dem Weltmarkt losschlagen können - letztes Jahr betrug das Minus in ihrer Handelsbilanz knapp 500 Milliarden Dollar. Für eine Exportoffensive aber wäre ein niedrigerer Dollarkurs erforderlich. Darauf spekulieren die internationalen Anleger und meiden zur Zeit Dollaranlagen.

Im September haben ausländische Privatanleger so wenig US-Wertpapiere gekauft wie seit fünf Jahren nicht mehr. Solange ausländische Notenbanken mit Dollaraufkäufen dagegenhalten, geht das gut. Nun aber wird befürchtet, dass China massiv Dollarreserven auf den Markt werfen könnte - als Revanche für die Importbeschränkungen, die Washington diese Woche gegen Textilwaren aus der Volksrepublik verhängt hat.

Außerdem misstraut man auf den Finanzmärkten den offiziell ausgewiesenen Zuwachsraten beim Bruttoinlandsprodukt (BIP), weil sie sich in der Vergangenheit bisweilen als getürkt erwiesen haben. Für Kurt Richebächer, den früheren Chefökonomen der Dresdner Bank, beruht etwa das amerikanischen Wirtschaftswunder der 90er Jahre fast ausschließlich auf "Zaubereien mit Statistik". Vor allem macht er auf die falsche Verbuchung von Computer-Investitionen aufmerksam. Zwischen den Jahren 1997 und 2000 wies die US-Statistik Investitionen in diesem Bereich in Höhe von 34 Milliarden Dollar auf. In der Realrechnung waren allerdings nicht 34, sondern 214 Milliarden Dollar aufgeführt - aus einem für Computer ausgegebenen Dollar wurden fast deren sieben. Wie war das möglich?

Die Amerikaner haben in den achtziger Jahren beschlossen, bei der Berechnung der Investitionsrate den Faktor "Qualitätsverbesserung" immer stärker zu berücksichtigen. Bezüglich der Computer war dies seit Jahren im Gang, aber ab 1995 begann eine förmliche Explosion der Computer-Leistungen. Und mit der Computer-Leistung explodierte die Berechnung der Investitions- und Produktionszahlen für Computer: Sie versiebenfachten sich. Aus 34 Milliarden wurden in der Statistik 214 Milliarden.
Richebächer

Diese 214 Milliarden machten satte 20 Prozent des realen Sozialprodukt-Wachstums aus. Aber damit nicht genug:

Der zweite Schlag erfolgte vor drei, vier Jahren. Da beschlossen die amerikanischen Statistiker, Software-Ausgaben seien eigentlich nicht Kosten, sondern Investitionsausgaben .... mehr in www.heise.de/tp
 
aus der Diskussion: In Bayern können die Wähler am 21.9. den Rot/Grünen die entsprechende Abfuhr erteilen
Autor (Datum des Eintrages): StellaLuna  (28.11.03 21:50:03)
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