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D.Logistics AG – "Die Probleme unterschätzt" - 15.12.2003
Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Detlef W. Hübner

(smartcaps-Redaktion Frankfurt am Main)


Schwere Zeiten hat die Hofheimer D.Logistics AG hinter sich. Kritiker hielten die Beteiligungsgesellschaft, deren Töchter Dienstleistungen in Konsumgüter- und Industriegüterverpackung sowie Lagerlogistik anbieten, im vergangenen Jahr für einen sicheren Insolvenzkandidaten. smartcaps sprach mit Unternehmensgründer und Vorstandschef Detlef W. Hübner über Fehler, die in die Krise führten, und das Geheimnis ihrer Bewältigung.



smartcaps: Herr Hübner, die D.Logistics AG hat turbulente Zeiten hinter sich und schien zeitweise der Insolvenz nahe. Nun aber scheint – nicht zuletzt durch Ihr persönliches und finanzielles Engagement – das Schlimmste überstanden. Mit welchem Gefühl blicken Sie persönlich zurück?





Detlef W. Hübner: Turbulente Zeiten, das kann man wohl sagen. Ich blicke zurück mit dem Gefühl, gewisse Dinge falsch eingeschätzt zu haben. Mit dem Gefühl, dass man Unwägbarkeiten des Schicksals – speziell die Ereignisse des 11. Septembers – nicht voraussehen kann. Auch mit einer gewissen menschlichen Enttäuschung, es sind Dinge passiert, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Aber ich blicke auch zurück mit Stolz und Zuversicht, all das gemeistert zu haben. Krisen und Fehler sind dazu da, aus ihnen zu lernen.





Gibt es Dinge, die Sie im Nachhinein anders machen würden?





Im Zuge der vielen Übernahmen habe ich die Probleme unterschätzt, die die Metamorphose vom selbstständigen kleinen Mittelständler zum Manager innerhalb eines großen, industriell geführten Logistikkonzern mit sich bringt. Zum Charakter des selbstständigen Unternehmers gehören ein gesunder Egoismus, Durchsetzungsfähigkeit, Unabhängigkeit. Das ist innerhalb des großen Ganzen nicht darzustellen. Dort ist wichtig, um es mit Kennedy zu sagen: Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage was Du für Dein Land tun kannst. Wenn jede kleine Einheit sich selbst als das Schönste und Wichtigste in den Vordergrund stellt, verliert man das große Ganze aus den Augen.





Und das haben Sie jetzt im Griff?





Ich will es mal so sagen: Alle, die quer geschossen haben, sind nicht mehr da. Wir haben unsere Probleme sowohl auf der Mitarbeiter- als auch auf der Kostenseite im Griff.





Gab es Entscheidungen, an denen Sie zunächst gezweifelt haben, die sich später aber als goldrichtig herausstellten?





Man zweifelt immer an dem einen oder anderen. Anders als manch anderer war ich leidenschaftlich davon überzeugt, dass für D.Logistics nach der massiven Expansion der Rückwärtsgang angebracht war, um sich zunächst einmal zu sortieren. Ebenso richtig war die Entscheidung, mit Thomas Schwinger-Caspari und Andreas Bargende zwei ausgewiesene Spezialisten mit in den Vorstand zu holen.





Kommen wir zur gegenwärtigen Lage – vor wenigen Tagen haben Sie die Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt. Der Umsatz ist leicht rückläufig, ergebnisseitig melden Sie hingegen Verbesserungen. Wie zufrieden sind Sie selbst mit dem Verlauf?





Die Umsatzeinbußen sind im Wesentlichen bedingt durch die Konsolidierung, wir haben radikal Beteiligungen abgestoßen. Im Kerngeschäft hingegen haben wir kaum Umsatz verloren. Die wichtige Botschaft ist: Wir sind auf dem richtigen Weg. Zufrieden sind wir nie.





Angesichts der konjunkturellen Lage im Allgemeinen und der schwierigen Lage der Logistikbranche im Besonderen sind Rekordumsätze vielleicht auch etwas zu viel verlangt. Doch Sie selbst hatten mit Ihren Prognosen deutlich höhere Erwartungen geweckt, haben Ihre Planziele aber wie schon beim Gesamtjahr 2002 und im zweiten Quartal 2003 einmal mehr verfehlt. Wo liegt das Problem?





Das ist eine dumme Sache, wir wissen um die Fatalität des Nichterreichens von Prognosen. Wir dachten, unsere Ziele seien konservativ, der Plan war, die Pläne zu übertreffen. Wir haben sie nicht erreicht, aber doch aufgeholt, das Ergebnis immerhin um 10 Millionen Euro verbessert. Was passiert ist, konnten wir nicht wesentlich beeinflussen: Wir haben keine Kunden verloren, sondern unsere Kunden haben geschwächelt. Die Kundenkonjunktur ist schwer voraussagbar, erstens haben wir keinen Einblick in deren Bücher, zweitens waren die zum Teil selbst überrascht. So ist das Leben. Die Quintessenz daraus ist, dass wir im Jahr 2004 noch konservativer sein werden in unseren Schätzungen.





Auch die Prognosen für das Gesamtjahr haben Sie nun nach unten revidiert: Von 333 auf 315 Millionen beim Umsatz und von 13,2 Millionen auf 5 Millionen beim operativen Ergebnis (EBITA). Das Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit prognostizieren Sie als „weitgehend“ ausgeglichenen. Wie konservativ sind diese Schätzungen? Schaffen Sie den Turnaround?





Die Schätzungen entsprechen wieder unserem besten Wissen und Gewissen. Wir denken, dass wir die schwarze Null trotz aller Restrukturierungskosten erreichen und damit auf dem richtigen Weg sind; die Steuersituation ist natürlich noch unklar und hängt davon ab, ob die gesellschaftsrechtlich erforderlichen Handelsregistereintragungen im Zusammenhang mit der Restrukturierung noch in diesem Jahr erfolgen. Wir hätten in diesem Jahr besser sein können und sollen, das wollen wir im nächsten Jahr nachholen. Immerhin haben wir die Restrukturierung geschafft und unsere Kundenbeziehungen sind stabiler denn je.





85 Prozent Ihrer Restrukturierung sind abgeschlossen. Sind die positiven Auswirkungen von Straffung und Fokussierung – abgesehen von den noch unklaren gesellschaftsrechtlichen Regelungen –in den jetzt vorgelegten Zahlen bereits wirksam, werden sie es bis Jahresende oder werden sie erst in 2004 spürbar?





In diesem Jahr hat die Restrukturierung nur gekostet, die Früchte werden wir im nächsten Jahr sehen.





Ende September befreite die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Sie von der Verpflichtung, den Aktionären im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung ein Übernahmeangebot zu machen. Zusammenhang ist ein Darlehen von Ihnen und einem Treuhänder. Wirkt sich das noch im laufenden Jahr positiv auf Finanzergebnis und Bilanz aus?





Die Kapitalerhöhung haben wir bereits bilanziert, das Volumen von 5,64 Millionen Euro ist in den Zahlen zum dritten Quartal enthalten. Das verbessert unsere Kapitalstruktur – unsere Eigenkapitalquote liegt wieder bei 32,3 Prozent. Es entlastet unser Zinsergebnis deutlich und verbessert unser Bankenrating.





Als Altlast aus dem krisengeschüttelten Jahr 2002 sitzen Sie jedoch noch immer auf Nettofinanzverbindlichkeiten in Höhe von 88,4 Millionen Euro. Zum Erreichen des ursprünglich geplanten Abbaus auf 80 Millionen bis Jahresende fehlen damit noch ein paar Millionen…





Wir wollten in Richtung 80 Millionen. Ob wir nun eine genaue Punktlandung schaffen weiß ich nicht, immerhin läuft unser Geschäft wieder expansiver. Und man muss sich vor Augen halten, dass es bei uns 45 bis 50 Tage dauert, bis Zahlungen erfolgen, manchmal auch länger. Allein 50 Millionen stehen als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aus.





Im Gespräch sind weitere strategische Veränderungen, insbesondere im tragenden Geschäftsfeld Konsumgüterverpackung, das im abgelaufenen Quartal besonders unter den Erwartungen geblieben ist. Im Gespräch sind etwa veränderte Führungsstrukturen und eine Diversifizierung des Kundenportfolios, aber auch Zukäufe. Können Sie das konkretisieren?





Dahinter steckt eine stärkere Abstimmung der nationalen Interessen unserer Dienstleistungstöchter mit den Gesamtinteressen der weltweit agierenden Kunden. Ein Unternehmen mit 10, 50 oder 100 Millionen Euro Umsatz hat andere Managementanforderungen als eines mit international mehr als 300 Millionen. Auch hier muss wieder das große Ganze vor nationaler Kirchturmpolitik stehen, denn wenn jemand regional einen noch so guten Job macht heißt das noch lange nicht, dass dies das Beste für den Konzern ist.





Und wie steht es mit den Gerüchten über Zukäufe?





Ich bin angesprochen worden, was wir in Zukunft machen, wo wir expandieren wollen. Da habe ich den Bereich Konsumgüterverpackung ins Spiel gebracht. Natürlich investieren wir in diesem Bereich, doch das heißt nicht explizit, dass wir morgen in den USA eine große Unit zukaufen. Es gibt keine Denkverbote, wir sind uns jederzeit bewusst, dass wir eine Beteiligungsholding sind. Doch es gibt auch keine konkreten Pläne. Investition kann auch Kooperation heißen.





Im Streit mit Infraserv um Ihre 40prozentige Beteiligung an der Infraserv Logistics GmbH erwarten Sie die Schiedsgerichtsentscheidung im ersten Quartal 2004. Welche Bedeutung hat die Angelegenheit für D.Logistics?





Anhand der uns vorliegenden Rechtsexpertisen von namhaften Anwälten rechnen wir ganz eindeutig mit einer Entscheidung zu unseren Gunsten. Aber gehen wir einmal vom Worst Case aus. Es geht um 2,3 Millionen Aktien, zum heutigen Aktienkurs 5 Millionen Euro, die auf einem Treuhandkonto geparkt sind. Doch die Beteiligung an Infraserv ist am Kapitalmarkt heute nicht eingepreist und die Aktien stehen nur noch zum Nennwert in der Bilanz. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir auf diesen Aktien sitzen bleiben. Doch damit rechnen wir nicht. Wir würden es nach wie vor begrüßen, wenn Infraserv Logistics eine Tochter unseres Konzerns würde. Wenn das nicht klappt, werden wir andere Wege finden.





Was erwarten Sie sonst vom kommenden Jahr? Bezogen auf die D.Logistics AG, aber auch bezüglich der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung?





Wir erzielen die Hälfte unseres Umsatzes in Deutschland und glauben nicht, dass das Land gut gemanagt ist – hier müsste auch einmal eine Restrukturierung her. Ich bin verhalten optimistisch, denn tiefer als jetzt kann es schlecht gehen. Es muss aufwärts gehen – wenn auch nicht so stark wie in anderen Teilen Europas oder in den USA, die schon weiter sind. Wir werden von diesem Aufschwung überdurchschnittlich profitieren, da unsere Restrukturierung beendet und die entsprechenden Kosten geleistet sind. Konservativ geschätzt erwarten wir ein Umsatzwachstum von fünf Prozent und einen überproportionalen Ergebnisanstieg.





Und wenn Sie einen Wunsch frei hätten, so kurz vor Weihnachten und dem Jahreswechsel?





Privat wünsche ich mir natürlich Gesundheit und Zufriedenheit, doch wenn Sie geschäftlich fragen: Ich würde mir wünschen, dass wir auch in der Überzeugung unserer Kunden der Logistikdienstleister mit dem besten Service in Logistik und allen nachgelagerten Dienstleistungen bleiben.
 
aus der Diskussion: Wie schnell erreicht loi die 4 Euro?
Autor (Datum des Eintrages): schakal23  (16.12.03 18:21:10)
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