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Verlage blicken in unsichere Zukunft

Frankfurt/Main (AP) 2003 war kein gutes Jahr für die deutschen Zeitungsverlage. Das Anzeigenaufkommen ging deutlich zurück, während die Auflagen bestenfalls stagnierten. Und 2003 ist schon das dritte miserable Jahr in Folge. Die Aussichten für 2004 sind nicht viel besser. Mittlerweile kommen einige Verlage in finanzielle Schwierigkeiten, weil die Banken ihnen kein Geld mehr zuschießen wollen. Immer mehr Experten erwarten deshalb, dass sich die deutsche Zeitungslandschaft grundlegend ändern wird. In einer Studie prognostiziert das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young der Branche eine Fusionswelle sowie ein Ende der bisher erfolgreichen Doppelfinanzierung aus Anzeigen und Verkaufserlösen.

Verlage und Journalisten sollten demnach nicht auf bessere Zeiten hoffen, sondern auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren. Denn die schwache Konjunktur hat ein strukturelles Problem verschärft: Die einst lukrativen Rubrikanzeigen (Auto-, Job- und Wohnungsmärkte) sind ins Internet abgewandert. Allein der Gesamtumfang der Stellenmärkte ging seit 2000 um 70 Prozent zurück. Zudem werden bei Online-Auktionshäusern heute jene Dinge angeboten, die einst in den «vermischten» Kleinanzeigen der Blätter standen.

Zunächst hofften viele Zeitungshäuser, das Rubrikgeschäft mit eigenen Internetangeboten zu halten. Doch unabhängige Anbieter haben den Markt längst unter sich aufgeteilt. Inzwischen gelten den Zeitungen ihre Online-Auftritte als Zuschussgeschäft fürs eigene Renommee. «Die Tageszeitungen sind der Konkurrenz der Online-Anbieter nicht gewachsen», stellen die Experten von Ernst & Young fest. «Die Verlage ließen sich zu viel Zeit», urteilt auch der Medienwissenschaftler Christoph Neuberger. Der Professor an der Universität Münster sieht die ökonomischen Grundlagen des Journalismus ernsthaft gefährdet.

Für die Zukunft zeichnet Ernst & Young ein Szenario, in dem sich neben einigen überregionalen «Premium-Zeitungen» wenige regional tätige Gruppen herausbilden. Darin werden dann viele der bisherigen Lokalzeitungen «integriert» - möglichst unter unveränderten Namen, denn in den Zeitungsmarken sehen die Wirtschaftsprüfer bisher ungenutztes Erlöspotenzial. Internationale Investoren stünden dafür schon in den Startlöchern, heißt es.

Bis es so weit ist, müssten aber wohl einige der einheimischen 341 Abonnentenzeitungen verschwinden. «Der Markt muss sich erst selbst bereinigen», sagt ein Ernst-&-Young-Verantwortlicher. Dagegen steht zunächst das Pressefusionsrecht der Bundesrepublik, wonach Verlagsfusionen, die zu mehr als 25 Millionen Euro Gesamtumsatz führen würden, vom Kartellamt geprüft und möglichst verhindert werden sollen. Doch eine Lockerung der Gesetzeslage ist in Sicht. Eine Woche vor Weihnachten ließ das Bundeswirtschaftsministerium einen Referentenentwurf herumreichen, wonach die Umsatzschwelle auf 50 Millionen Euro angehoben werden soll. Publizistische Monopole will der Ministeriumsentwurf mittels Minderheitsbeteiligungen der Alteigentümer oder durch einen Hoheitsverzicht des Käufers auf redaktionelle Inhalte verhindern.

Skeptisch sind nicht nur kleinere Verlage, die sich nicht mehr vor Übernahmen sicher fühlen. Auch die Gewerkschaften laufen Sturm. «Neoliberalismus pur» nennt etwa Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV) das Papier, das die persönliche Handschrift des SPD-Ministers und gelernten Journalisten Wolfgang Clement tragen soll. Zörner befürchtet weiteren Arbeitsplatzabbau und Verlust der Nähe zum Leser, weil Großverlagen so die Möglichkeit gegeben werde, kleine Lokalredaktionen zu Gunsten großer Zentralredaktionen zu schließen. Auch Frank Werneke, Vize-Chef der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, sieht in dem Vorschlag kein Modell zum Erhalt der Pressevielfalt. «Damit werden zahlreiche kleinere Verlage zum Abschuss freigegeben», sagt er. Das Minderheitsbeteiligungsmodell sei ein «Strohmann-Prinzip», das keine Unabhängigkeit gewährleiste.

Statt Fusionen zu erleichtern, sollte der Staat die Presseförderung verbessern, fordert ver.di-Experte Werneke. Das bisherige «Gießkannenprinzip», auf Zeitungen nur den halben Mehrwertsteuersatz zu erheben, sollte durch gezielte Unterstützung einzelner Titel, wie in Frankreich oder Skandinavien ersetzt werden. DJV-Mann Zörner verlangt statt dessen von den Verlagen mehr Mut, um die Krise aus eigener Kraft zu meistern. Er verweist auf London, wo mehrere Zeitungen derzeit mit Kleinfortmatigen Ausgaben neue Leser gewännen. In Deutschland werde dagegen geklagt und gejammert, kritisiert er.

Eine für Regionalzeitungen interessante Alternative führt derzeit ein Zeitungshaus in Österreichs kleinstem Bundesland vor: Mit den «Vorarlberger Nachrichten» verkauft der Verleger Eugen A. Ruß seinen Landsleuten nicht nur täglich 70.000 Zeitungen, sondern auch Versicherungen, Strom- und Telefonanschlüsse.
 
aus der Diskussion: Wann wird Eichborn übernommen?
Autor (Datum des Eintrages): Crowww  (29.12.03 10:50:29)
Beitrag: 4 von 6 (ID:11701165)
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