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Kanzler und Außenminister

Freunde der Macht

Vor laufenden Kameras ließen sie sich nichts anmerken. Tatsächlich erlebten Gerhard Schröder und Joschka Fischer in den letzten Monaten ihre bislang schwerste Vertrauenskrise, wurde in Berlin gemunkelt. Nur das unbedingt Notwendige hätten die beiden rot-grünen Vormänner mit einander geklärt. Bei einem Vier-Augen-Gespräch wurde nun wohl Klartext geredet.
Von Nico Fried



Am Mittwoch der vergangenen Woche hatte der Bundesaußenminister nach längerer Zeit mal wieder einen Termin bei seinem Chef. Joschka Fischer und Gerhard Schröder wollten sich über Außenpolitisches unterhalten. Doch dann nahm das Vier-Augen-Gespräch einen überraschenden Verlauf.

Nach einiger Zeit sprachen der Kanzler und sein Vize plötzlich über ein anderes Thema: sich selbst. Offene Worte sollen da gefallen sein. Doch am Ende war die bisher schwerste Krise im Miteinander der zwei rot-grünen Vormänner einstweilen beigelegt.



"Da ist was zerbrochen"
Monatelang war das Verhältnis gelinde gesagt unterkühlt. Vor laufenden Kameras ließen sich Schröder und Fischer nichts anmerken, doch mehr als das unbedingt Notwendige wurde zwischen den beiden wohl nicht mehr geklärt. Das Geraune über eine Funkstille blieb unwidersprochen und fand alsbald Eingang in zahlreiche Medienberichte.

Anlass der Krise, die seit November schwelte, war zum einen der Zwist über den möglichen Verkauf der Hanauer Nuklearfabrik nach China, der bei einem Besuch Schröders in Peking ohne Absprache mit Fischer an die Öffentlichkeit kam und prompt in der Koalition für reichlich Wellengang sorgte.

Schröder wiederum schob schon seit längerem Verdruss, weil Fischer sich aus seiner Sicht zu sehr aus der Innenpolitik heraushielt und die Grünen nicht ausreichend im Griff habe. "Da ist etwas zerbrochen", konstatierte seinerzeit ein Koalitionsmitglied.



Treueschwur für 2006 schien vergessen
Fortan agierten der Kanzler und sein Vize in Parallelwelten. Der Treueschwur für die Bundestagswahl 2006 schien vergessen. Fischer nölte über die Elite-Unis der SPD, Schröder stoppte im Alleingang den Umbau der Pflegeversicherung. Fischer forderte per Interview eine Fortsetzung der Reformpolitik, Schröder moserte intern, die Grünen profilierten sich ohne Rücksicht auf die SPD.

Doch irgendwann muss beiden die alte Erkenntnis wieder gekommen sein, dass der eine ohne den anderen nichts ist. Ein erstes Signal gab Schröder, als er sich in einem Brief an die SPD-Basis zur rot-grünen Koalition "über 2006 hinaus" bekannte.

Beim Treffen am vergangenen Mittwoch revanchierte sich Fischer, indem er Schröder zum Auftritt in der Türkei gratulierte. Der Kanzler und sein Vize vereinbarten in ihrer Aussprache, künftig wieder schneller und öfter miteinander zu reden.



Atmosphärischer Umschwung
Der Verzicht des Kanzlers auf den SPD-Vorsitz soll zu einer Straffung der Regierungsarbeit genutzt werden, Fischer soll und will wieder mehr innenpolitische Verantwortung übernehmen. Selbst gemeinsame öffentliche Auftritte wie im Wahlkampf 2002 soll es wieder geben.

Seit jenem Mittwoch sind Indizien für einen atmosphärischen Umschwung unverkennbar. Schröder informierte Fischer am Samstag umgehend über seine Gespräche in Washington. Fischer kassierte am Montag im Parteirat wild entschlossen schwarz-grüne Gedankenspiele, die er bis dahin hatte treiben lassen.

Nun muss das Duo in den Praxistest: Neben Hanau drohen mit einem möglichen Kompromiss bei der Zuwanderung sowie in der Diskussion über den Emissionshandel Belastungsproben für die Koalition.
 
aus der Diskussion: Größte deutsche Tageszeitung ist auch böse. Deshalb muss sie auch bestraft werden
Autor (Datum des Eintrages): konns  (03.03.04 19:36:39)
Beitrag: 37 von 179 (ID:12324061)
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