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Die Fan-Historie
von Jens Meyer (1998)

Natürlich gab es schon immer einige eingefleischte Fußballanhänger bei Stahl, die mehr für Stimmung sorgten als die normalen Zuschauer. Anfangs der 80er Jahre war der Trend zu sehen, daß sich immer mehr Leute blau-weiße Schals anschafften und zusammen die Stahl-Elf anfeuerten. Es bildete sich schon eine größere Fangruppe bei Heimspielen. Einige fuhren auch zu Auswärtsspielen. Aber das war eher die Ausnahme.
Viele fuhren zu Oberligaspielen verschiedener Fußballclubs, besonders Magdeburg war gefragt.
In der Saison 81/82 war es dann aber soweit. Einige nahmen das Heft in die Hand und organisierten die Auswärtsfahrt zu EAB 47 Berlin (Lichtenberg) mit dem Zug. Es wurde ein voller Erfolg. Ich erinnere mich an ca. 30 - 40 Leute, die mitfuhren. Aber keiner von uns fuhr einfach nur mit. Die Stimmung war allererste Sahne. Im Bahnhofstunnel vom Bahnhof Lichtenberg klang es, als ob es einige Hundert waren. Man raufte sich damals zusammen und gründete den ersten offiziellen Fanclub. Jeder war eingetragenes Mitglied bei der BSG Stahl Brandenburg, Sektion Fußball. Es wurden Fan-Treffs organisiert mit Trainer "Karli" Schäffner und Spielern der 1. Mannschaft, die z.B. im damaligen Jugendfilmcafé "Meteor" (Hauptstr.) stattfanden. Und es fanden Fußballspiele statt, z.B. gegen den 1.FCM-Fanclub "Halbe Liter", die anfangs aufgrund unserer Unerfahrenheit meist hoch verloren gingen. Natürlich wurden auch Auswärtsfahrten organisiert. Besonders in Erinnerung blieben mir die Fahrten nach Premnitz und Babelsberg, wo immer einige hundert Fans und Zuschauer mitfuhren, mit dem Zug wohlgemerkt. Wer konnte sich schon neben Fußball noch ein Auto leisten (wenn man überhaupt eins bekam) ?!? - Zu besonderen DDR-Ligaspielen und den Oberligaaufstiegsrunden organisierte auch das Stahlwerk Auswärtsfahrten mit dem Bus, und zwar den legendären "Stahlexpress". Allerdings bekamen dort, besonders in der DDR-Oberliga, vorrangig Stahlwerker die begehrten Plätze. Aber die normalen Fans fuhren eh lieber mit dem Zug. Im Laufe der Zeit und Zunahme des Erfolgs stieg die Zahl der Fans schnell an. Als direkter Nachfolger des ersten Fanclubs gründete sich recht bald der bekannteste und auch größte Fanclub von Stahl, der Fanclub "Altstadt". Diesen Fanclub gab es praktisch nicht nur am Wochenende zum Spiel, sondern die ganze Woche. Mit dem Aufstieg in die DDR- Oberliga kannte man "Altstadt" auch in Rostock oder Dresden. Und das nicht deshalb, weil die "Altstädter" etwa als besonders friedlich galten. Es wurde deshalb manchmal regelrecht Jagd auf sie gemacht. Aber der Zusammenhalt im Fanclub war echt super. Es wurde viel gemeinsam gemacht, so z.B. Dampferfahrten, Fußballspiele und natürlich viele Feiern. - Aber durch die Größe des Fanclubs gab es natürlich auch viele Reibereien. Und so kam es dazu, daß sich etliche Fans abspalteten und eigene Fanclubs gründeten, wie z.B. "Alf" und "Hohenstücken". Hinzu kamen durch die Oberligazugehörigkeit auch etliche Fanclubs von außerhalb, wie z.B. der Fanclub "Werder". Natürlich gab es noch viele andere, die ich hier nicht alle nennen kann. Es war aber schon erstaunlich, woher die Fans alle kamen. Ich weiß z.B. von einem Fanclub in Dresden und einem aus Erfurt. Das ist heute gar nicht mehr vorstellbar. Damals war es normal, heute ist einer wie Ingolf aus Cottbus schon ein Exot.
Die meisten Fanclubs kamen und gingen mit Erfolg und Mißerfolg. Aber das mußte wohl so sein. Nach der Wende lösten sich dann nach und nach die letzten Fanclubs auf, spätestens nach dem Abstieg aus der 2. Bundesliga. - 1993/94 wurde wieder der Versuch gestartet, einen Fanclub aufzubauen, der aber letztendlich scheiterte. Daraus gründete sich eine Fußballmannschaft, die bis heute unter dem Namen Borussia Brandenburg in der Stadtliga spielt. - Erst am 05.10.1994 gründete sich der neue Fanclub "Brandenburger Jungen". Gründungsmitglieder waren damals Jörg und Marcel Pochert, Christian Paul, Dirk Linnicke, Ralf Masuhr, Dennies Lewandowitz und Maik Kailuweit. Zum Fanclub gehörten dann natürlich auch noch andere (ca. 40 in besten Zeiten - d.T.). Die Mitgliederzahl wuchs schnell an. Da die meisten Jugendliche aus Hohenstücken waren, hätte man den Fanclub auch "Jugendclub Hohenstücken" nennen können - kleiner Scherz von mir. Scherz beiseite - es war jedenfalls wieder richtig was los im Stadion, und auch auswärts zeigten die BSV-Fans große Präsenz und Flagge. Auch beim Handball wäre ohne den Fanclub nur halb soviel los gewesen.
Leider hat es nicht sollen sein. Der Fanclub ist aus persönlichen und vielleicht auch sportlichen Gründen gescheitert, was ich sehr bedauert habe. Aber einige waren wohl an Fußball gar nicht so sehr interessiert und wollten sich wohl nur austoben. Aber das können andere sicher besser beurteilen.
Wie auch immer, ich bin überzeugt, Ihr die jetzt noch da seid, Ihr seid die Treuesten !
Auch wenn die Südler uns schon zigmal für tot erklärt haben oder es sich immer wieder wünschen, ich kann nur feststellen : Wir sind immer noch da - Das Stahl-Feuer lebt !!!
Übrigens : Ich war bis heute Mitglied in 5 verschiedenen Fanclubs von Stahl und war eigentlich rückblickend gesehen ganz zufrieden. Ich habe nichts bereut. Hätte ich mich damals womöglich für Süd entschieden, hätte es wohl ein großes Loch in meinem Leben gegeben.

Aus dem Gästeblock:

"Stahl - Asche !" (Als Antwort auf den Schlachtruf der Brandenburger "Stahl - Feuer")

"Nieder mit dem Eisen, Nieder mit dem Stahl !
Nieder mit Stahl Brandenburg - Das singen wir nochmal !"

"Stahl wird heut` zu Schrott gemacht !"
 
aus der Diskussion: Fußball-Fanszene in der ehem. DDR
Autor (Datum des Eintrages): MitteMitte  (28.03.04 22:59:32)
Beitrag: 11 von 58 (ID:12580040)
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