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Milia: BBC will Weltmeister beim interaktiven TV werden

Die BBC will in diesem Jahr mit dem digitalen Fernsehen in neue Dimensionen vorstoßen. "Wir werden im Sommer die weltweit umfassendsten interaktiven Angebote starten", erklärte die Direktorin von BBC-Fernsehen, Jana Bennett, am Dienstagabend bei der Eröffnung der Multimedia-Messe Milia in Cannes. "Wir werden massiv Bandbreite brauchen." Die neuen Freiheiten für die Zuschauer sollen vor allem während der Olympischen Spiele in Athen Premiere haben. "Wir werden für die verschiedenen Sportarten gleichzeitig unterschiedliche Streams anbieten", erläuterte Bennett die Strategie gegenüber heise online. Die Auswahl für die Sportbegeisterten werde damit drastisch zunehmen. Weiter geplant sind unter anderem Live-Chats über das Internet aus Griechenland.

Daneben hat die BBC im Sommer ein Special rund um den "D-Day" geplant, also anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der alliierten Invasion in der Normandie. Während einer spielfilmartigen Aufarbeitung des Blutbads am Omaha-Strand sollen die Zuschauer über den "roten Knopf", der in Großbritannien den Rückkanal beim interaktiven Fernsehen öffnet, beispielsweise Interviews mit Veteranen und Augenzeugen abrufen können. Der Sender will damit die alte und die junge Generation dramaturgisch vernetzen. Auch deutsche Nutzer können prinzipiell in den Genuss der Zusatzfunktionen kommen, da Pro Sieben als deutscher Partner der Produktion fungiert.

In Großbritannien ist die Verbreitung des digitalen TVs allerdings schon deutlich weiter fortgeschritten als bei uns. "Fernsehen ohne Interaktivität macht keinen Sinn mehr", meint Bennett. Die Inhalte würden künftig verstärkt durch die Zuschauer vorangetrieben, verbessert und auch selbst gemacht. Ein entsprechendes Format, das allen drei Kriterien gerecht werden soll, entwickelt die BBC momentan unter dem Titel "Home Movie". Dabei sollen in Rahmen einer großen Rekrutierungskampagne in diesem Frühling zunächst kreative Köpfe ausgewählt werden, die dann ihren eigenen großen Film mit Unterstützung professioneller Drehbuchschreiber verwirklichen dürfen.

Die BBC orientiert sich damit zwar ein wenig an den ganzen Superstar- und Star Search-Formaten der privaten Konkurrenz, will aber andere Akzente setzen. "Interaktives Fernsehen ist mehr als das reine Abstimmen", sagt Bennett. Für sie bedeutet Interaktion vielmehr, dass die Zuschauer auch in ihrem alltäglichen Umfeld jenseits der Mattscheibe in Aktion treten. Das sei etwa bei der Sendung "Restauration" gelungen. Darin konnten die vermeintlichen Couch-Potatoes ein historisches Baudenkmal bestimmen, das anschließend rekonstruiert werden sollte. Das Bad in Manchester, das schließlich gewann, habe in den Tagen darauf mehrere zehntausend Besucher angezogen, führte Bennett aus. Insgesamt habe die TV-Show eine Debatte über den Denkmalschutz ausgelöst. Generell gibt der mit Steuergeldern finanzierte Sender die rund 14 Millionen Euro, die er beim kostenpflichtigen Tele-Voting bereits eingenommen hat, für den Erhalt von Museen oder Büchereien wieder aus.

Erste Details verriet Bennett zudem über den ambitionierten Plan der BBC, einen Großteil ihres Sendematerials online kostenlos zum Download für die freie Weiterverwertung zur Verfügung zu stellen. Man sei noch ziemlich am Anfang mit dem Dienst, der auf den Namen BBC Creative Archive hört, sagte die BBC-Chefin. Den Anfang könnten im nächsten Jahr speziell hergestellte Inhalte machen, wie etwa Lernprogramme oder Tier- und Naturfilme. "Da haben wir wenigstens die Rechte an den Akteuren", erklärte Bennett mit britischem Humor, "und müssen niemand extra bezahlen oder lange verhandeln."

Prinzipiell stehe sie dazu, so Bennett weiter, die Inhalte öffentlich machen zu wollen. Sie seien ja auch mit öffentlichen Geldern finanziert worden. Wenn das Peer-2-Peer-Fernsehen sich schon ankündige und die Leute ohnehin immer mehr Filme aus dem Netz saugen würden, sei es besser, wenn ihnen die Materialien kontrolliert und freiwillig ausgehändigt würden. "Wir wollen ja nicht auch in so eine Napster-Geschichte geraten", erinnerte Bennett an das frühe Fiasko der Musikindustrie mit den Online-Tauschbörsen. Die ersten Anwender des Filmarchivs sieht sie vor allem unter Lehrern, Hobbyfilmern und Kurzfilmautoren.

Angesichts des unausweichlichen Zusammenwachsens von Fernsehen und Internet, wie es die BBC vorexerziert, wollten auch Messeveranstalter in Cannes anscheinend nicht zurückstehen und Konvergenz praktizieren: Sie legten die auf interaktiven Content spezialisierte Milia und die mehr auf TV-Programmeinkäufer ausgerichtete MiPTV dieses Jahr vollständig zusammen. (Stefan Krempl) / (anw/c`t)
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aus der Diskussion: iTV Media AG - Was Met@box leider nicht geschafft hat, scheinen sie zu verwirklichen
Autor (Datum des Eintrages): flyfish  (31.03.04 13:57:48)
Beitrag: 641 von 997 (ID:12607987)
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