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Wo jeder kleine Arbeiter, Angestellte, Beamte
den kleinsten geldwerten Vorteil versteuern
muß finde ich das Nachfolgende ungeheuerlich.



Aus der FTD vom 6.4.2004 www.ftd.de/muenchau
Kolumne: Ein miserabler Notenbanker
Von Wolfgang Münchau

Ernst Welteke fehlt es an Integrität, Urteilsvermögen und intellektueller Brillanz.

Es gab Zeiten in Deutschland, da hätte kein Hahn danach gekräht, ob irgendein hoher Beamter von einer Bank zu einem üppigen Fest eingeladen wird. Wenn es allen gut geht, verzeiht man schnell. In schlechten Zeiten aber reagieren die Menschen anders. Genau das ist der Grund, warum Politiker und Beamte im Zweifel eher vorsichtig sein sollten, wenn es um die Annahme von Geschenken und Zuwendungen jeglicher Art geht. Im Zweifel zahlt man dann besser selbst. Auf jeden Fall aber sollte man selbst vermeiden, dass irgendwelche Missverständnisse auftreten können.

Ich kann nicht beurteilen, ob Bundesbankpräsident Ernst Welteke sich irgendetwas hat rechtlich zu Schulden kommen lassen, als er Silvester 2001/2002 mit Familie und Anhang in das Hotel Adlon reiste und sich eine Rechnung von über 7000 Euro von der Dresdner Bank bezahlen ließ. Aus ethischer Sicht ist die Sache allerdings eindeutig: Der Bundesbankpräsident darf nicht einmal den Eindruck der Bestechlichkeit erwecken. Sich von einer Bank einen privaten Urlaub bezahlen zu lassen ist ein ungeheuerlicher Fehltritt.

Der Vorwurf, den man Welteke machen kann, ist der fehlenden Urteilsvermögens. Es ist der schlimmste Vorwurf überhaupt, den man einem Notenbanker machen kann. Deutschland befindet sich seit drei Jahren in der Nähe des Nullwachstums. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Banken haben die mittelständischen Kredite gekürzt, und das Land ist als Ganzes bescheidener geworden. Kurzum, es ist die denkbar schlechteste Zeit für demonstrativ zur Schau gestellten Luxus.

Berechtigte Zweifel an der Integrität

Wenn ein Bundesbankchef die öffentliche Meinung derart schlecht einschätzen kann, fragt man zu Recht, ob er die wirtschaftliche Lage oder die komplexen Konsequenzen für die Geldpolitik besser beurteilt. Der Blick aus dem Hotel Adlon - und erst recht der Blick in das Hotel Adlon - sind dazu denkbar ungeeignet. In der Silvesternacht der Euro-Einführung ging es mit der Wirtschaft schon steil bergab.

Wofür bezahlt die Bundesrepublik dem Präsidenten der Bundesbank ein Gehalt von 350.000 Euro pro Jahr? Doch nur, weil man seine Integrität, seinen Sachverstand und sein Urteilsvermögen schätzt. So hofft man etwa, dass Welteke kompetent genug ist, um im Rat der Europäischen Zentralbank, dem er als Bundesbankchef angehört, die richtigen Zinsentscheidungen zu treffen. Und man hofft, dass er zur Verwendung der nationalen Goldreserven einen weisen Vorschlag im Interesse des Staates unterbreiten kann.

Welteke hat sich leider als ein schwacher Notenbanker entpuppt, zumindest im Vergleich mit seinen großen deutschen Vorgängern Karl Otto Pöhl oder Hans Tietmeyer. Ihn kümmerten die Interessen des Staates bislang weniger als die partikulären Machtinteressen der Bundesbank - egal ob es um die Frage der Bankaufsicht oder die Streitfrage um die Goldreserven ging. Welteke ist seinem großen Amt nie gerecht geworden. Er verfügt weder über großen ökonomischen Sachverstand, noch strahlt er vor intellektueller Brillanz. In der europäischen geldpolitischen Debatte spielt der deutsche Notenbanker keine ausschlaggebende Rolle. All das wäre noch in Ordnung, wenn er zumindest über persönliche Integrität verfügte. Genau daran aber kommen jetzt berechtigte Zweifel auf.

Gefährdete Unabhängigkeit

Vor Jahren sagte einmal Jacques Delors, der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission, die Franzosen glaubten an Gott, die Deutschen an die Bundesbank. Das mag zwar übertrieben gewesen sein, aber es ist etwas Wahres dran. Die Zentralbank genießt in Deutschland ein Ansehen wie in kaum einem anderen Land. Welteke hat mit seinem Verhalten nun nicht nur den Glauben der Deutschen erschüttert, vor allem hat er der Bundesbank selbst großen Schaden zugefügt. Schließlich ist die Unabhängigkeit einer Zentralbank in einer Demokratie keine Selbstverständlichkeit. Sie kann es nur geben, solange die Menschen dieser Zentralbank vertrauen.

Wenn dieses Vertrauen schwindet, ist die Unabhängigkeit sogar hochgradig gefährlich, denn Unabhängigkeit bedeutet gerade, dass man diese Leute nicht loswird. Das wiederum verpflichtet die Mitarbeiter zu einem Höchstmaß an Integrität. Wenn sie sich auf die Standards korrupter Politiker herablassen, dann brauchen sie sich nicht zu wundern, dass die Öffentlichkeit irgendwann einmal ihre Unabhängigkeit in Frage stellt. Die Gremien der Bundesbank sind jetzt in der Pflicht, in Bezug auf die Personalie Welteke die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Es gibt momentan eine Reihe wichtiger Debatten in der europäischen Geldpolitik, in der Deutschland eine führende Rolle spielen sollte, dies allerdings bislang nicht tut. Jetzt kommt noch dazu, dass unser Repräsentant bei der Europäischen Zentralbank damit beschäftigt sein wird, zunächst seinen persönlichen Ruf zu verteidigen.

Die Bundesbank war bis vor kurzem eine der großen Institutionen Deutschlands und Europas. Mit Beginn der Währungsunion hat sie an Macht verloren. Dieser Macht- und vor allem der Ansehensverlust hat sich unter der Führung Weltekes rasant beschleunigt. Heute würde man jungen Menschen nicht mehr raten, für die Bundesbank zu arbeiten. Die EZB ist der bessere Arbeitgeber. Der Adlon-Skandal wird den Ansehensverlust der Bundesbank nun weiter beschleunigen.
 
aus der Diskussion: Montag knallt "Gold" durch die Decke
Autor (Datum des Eintrages): superman6  (05.04.04 19:54:32)
Beitrag: 149 von 298 (ID:12660432)
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