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Aus der FTD vom 15.4.2004 www.ftd.de/steuerreform
Ökonomen verreißen Steuerreformkonzepte
Von Jens Tartler, Berlin

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat den vorliegenden Steuerreformkonzepten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Einnahmeausfälle seien zurzeit nicht finanzierbar, und die meisten Konzepte entlasteten vor allem Steuerzahler mit vergleichsweise hohen Einkommen.



Das schreiben die Berliner Ökonomen in ihrem neuesten Wochenbericht. Doch die Kritik reicht noch weiter: "Die zu erwartenden Arbeitsangebotseffekte fallen in Relation zu den Entlastungen gering aus; größere Selbstfinanzierungseffekte durch steigende Beschäftigung und stärkeres Wachstum sind nicht zu erwarten", steht in der Studie.

Mit diesem Befund unterstützt das DIW Finanzminister Hans Eichel, der einer weiteren Steuerentlastung, die über seine eigene Reform hinausgeht, skeptisch gegenübersteht. Die Chancen für eine Neuordnung des Steuerrechts noch vor der nächsten Bundestagswahl stehen aber ohnehin schlecht. Eine durchgreifende Reform könnte schon aus technischen Gründen erst Anfang 2006 in Kraft treten. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Union einer Steuersenkung zu Beginn des Wahljahres zustimmt.



Urteil des DIW politisch relevant


Weil die gängigen Reformkonzepte aber auch Grundlage für Regierungshandeln ab 2007 sein sollen, hat das Urteil des DIW politische Relevanz. Und gerade die Durchsetzbarkeit der Vorschläge ist nach Einschätzung der Wirtschaftsforscher "gering".


Die Einkommensungleichheit würde vor allem durch die Vorschläge des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof und des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung "spürbar" zunehmen, schreiben die Ökonomen. Bei Kirchhof und den "Fünf Weisen" würden Steuerzahler mit sehr hohen Einkommen um bis zu neun beziehungsweise sieben Prozent ihres Nettoeinkommens entlastet. Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen müssten nach dem Konzept des Sachverständigenrates dagegen mehr zahlen als bisher.


Das Konzept der FDP würde ebenfalls zu einer ungleicheren Einkommensverteilung führen. Das Gleiche gilt für das Sofortprogramm, das die Union nach einer Regierungsübernahme umsetzen möchte. Die ursprünglichen Einzelkonzepte von CDU und CSU hätten hingegen die Unterschiede leicht verringert.



Nur aufkommensneutrales Reformpaket realisierbar


Die von den Steuerreformern versprochenen positiven Effekte auf den Arbeitsmarkt fallen sehr unterschiedlich aus. Umgerechnet auf Vollzeitstellen erwartet das DIW beim Kirchhof-Modell einen Zuwachs von 421.000; es folgen das CDU-Konzept von Fraktionsvize Friedrich Merz mit 377.000 Stellen und das FDP-Modell mit 197.000 Jobs. Der Sachverständigenrat belegt mit 54.000 Vollzeitstellen den letzten Platz. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen in Stunden gerechnet würde nach dem Kirchhof-Plan um 2,3 Prozent und nach dem Sofortprogramm der Union um 1,0 Prozent zulegen, bei den "Fünf Weisen" wäre der Effekt mit 0,4 Prozent sehr gering.


Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Konzept des Sachverständigenrates mit einem Einnahmeausfall von 1,4 Mrd. Euro praktisch aufkommensneutral ist, während Kirchhof, CDU und FDP Entlastungen von 26 bis 27 Mrd. Euro vorsehen. Im Vergleich dazu wären die Selbstfinanzierungseffekte bescheiden: Selbst bei Kirchhof würden zusätzliche Einnahmen aus der Einkommensteuer von nur 4,4 Mrd. Euro entstehen.


Das DIW vertritt aber die Auffassung, dass angesichts der Haushaltsdefizite und der Anforderungen des Stabilitätspaktes "gegenwärtig kein Spielraum" für eine größere Nettoentlastung bestehe. Eine grundlegende Steuerreform sei "nur im Rahmen eines insgesamt aufkommensneutralen Reformpakets zu realisieren", befinden die Ökonomen
 
aus der Diskussion: Union zerhäckselt das Merz-Modell
Autor (Datum des Eintrages): aekschonaer  (14.04.04 23:11:04)
Beitrag: 18 von 18 (ID:12747869)
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