Fenster schließen  |  Fenster drucken

@ 9

Ob die bewaffnet waren, oder nicht - keine Ahnung.
Spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Es sind einfach zu viele Leute ums Leben gekommen. Davon waren auch sehr viele nicht bewaffnet.

Ansonsten volle Zustimmung.

Gruß
DmComeBack

-----------------------------------------------------------


"US-Politik lässt die arabische Seele kochen"

Der Nahe Osten steht kurz davor, in Flammen aufzugehen, meint der ehemalige US-Sicherheitsberater Brzezinski

von Nathan Gardels

DIE WELT: Adnan Pachachi, ein führendes Mitglied des irakischen Regierungsrats, erklärte kürzlich, die Belagerung Falludschas nach der Ermordung von US-Entwicklungshelfern und der Schändung von deren Leichen komme einer Kollektivstrafe für alle Iraker gleich. Das ist schon allein deshalb bemerkenswert, weil dies jemand sagt, der einem von Amerika unterstützten Gremium angehört. Davon abgesehen erinnern die jüngsten Geschehnisse im Irak aber immer mehr an den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Was sind die Parallelen und was die Gefahren, die beiden Besatzungen innewohnen?


Zbigniew Brzezinski: Die Parallelen insgesamt und leider auch die Parallelen bei den Gefahren fallen tatsächlich ins Auge. Aus Sicht der Iraker ähnelt die US-Besatzung mehr und mehr dem, was sie aus dem Westjordanland und dem Gazastreifen kennen. Und die Palästinenser fühlen sich durch die Bilder aus dem Irak an ihre Erfahrungen unter Ariel Scharon erinnert. Für viele Menschen im Nahen Osten sind diese beiden Besatzungen zu einem alles umfassenden Konflikt verschmolzen. In beiden Fällen mag die Wahrnehmung verzerrt sein, nichtsdestotrotz ist sie hochgradig mit Emotionen aufgeladen. In der Politik sind Gefühle und persönliche Wahrnehmungen ein Teil der Realität, folglich kann man sie nicht ohne weiteres ignorieren. Wenn die USA nicht aufpassen, werden sie am Ende als der Hauptfeind der gesamten arabischen Welt und dann nach und nach der gesamten moslemischen Welt dastehen. Das wäre zunächst einmal eine Katastrophe für die Vereinigten Staaten, aber daneben auch für Israel, dessen wichtigster Beschützer Amerika ja ist.


DIE WELT: In dem Jahr seit der US-Invasion im Irak hat es Bombenanschläge in Madrid, Istanbul und Casablanca gegeben. Im Irak selbst wurden Japaner, Koreaner und sogar Chinesen als Geiseln genommen, ganz zu schweigen vom Aufstand der Iraker gegen die Besatzungsmacht Amerika. Ist die Welt heute sicherer oder weniger sicher als vor gut einem Jahr?


Brzezinski: Der ganze Nahe Osten steht kurz davor, in Flammen aufzugehen. Die amerikanische Politik hat die arabische Kollektivseele zum Kochen gebracht. Die Feinseligkeiten der Moslems gegenüber den USA sind erbitterter geworden. Gleichzeitig haben sich die Vereinigten Staaten von ihren wichtigsten Verbündeten isoliert, vor allem von den Europäern. Als eine Folge davon ist die Welt heute unsicherer. Das Risiko von gegen die USA gerichteten Terrorakten hat zugenommen. Wir alle sind gefährdeter als vor dem Irak-Krieg.


DIE WELT: Sehen Sie einen Ausweg?


Brzezinski: Der Ausweg wäre, die Frage des Friedens in der Region auf ebenso ernsthafte wie nachhaltige Weise anzugehen und dabei, anders als die derzeitige US-Regierung, nicht fast ausschließlich auf das Mittel der Gewalt zurückzugreifen. Die Vereinigten Staaten müssen versuchen, die UNO und ihre europäischen Verbündeten bei der Stabilisierung des Irak mit ins Boot zu nehmen, so dass Amerika nicht mehr so exponiert in Erscheinung tritt. Dies wiederum würde es moderateren moslemischen Staaten wie Marokko oder Pakistan erlauben, friedenserhaltende Truppen in den Irak zu entsenden - mit dem Ergebnis, dass der Eindruck abnehmen würde, es werde ein Krieg gegen den Islam geführt. Zugleich müssen die USA sich im Schulterschluss mit den Vereinten Nationen und den Europäern ernsthaft darum bemühen, einen klaren und ausgewogenen Vorschlag für die Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts auszuarbeiten.


DIE WELT: Stattdessen billigt Washington die Politik von Ariel Scharon, die darin besteht, den Frieden überwiegend mit Waffengewalt erzwingen zu wollen und die Palästinenser außen vor zu lassen . . .


Brzezinski: Ja, doch einem solchen Frieden wird es nicht nur an internationaler Unterstützung mangeln, sondern auch an Legitimität in der Region. Die Vereinigten Staaten werden dann nicht mehr in der Lage sein, einer gerechten Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt den Weg zu bereiten - kurzum, einer Lösung, die auch den Rückhalt der Staatengemeinschaft hätte. Wenn Scharon das Westjordanland jetzt einseitig weiter teilen will und dabei von Amerika unterstützt wird, ist das die Formel für einen permanenten Konflikt und eine weltweite Isolation der USA. Wie gesagt, die israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen und die amerikanische Besetzung des Irak sind bereits miteinander verschmolzen. Falls die Vereinigten Staaten den Irak Hals über Kopf verlassen, während die Kämpfe in Palästina weitergehen, wird jede künftige irakische Regierung sowohl antiamerikanisch als auch antiisraelisch sein.


DIE WELT: Der Anspruch Washingtons war und ist, den Irak zu befreien. Doch muss die Präsenz der Amerikaner am Golf ohne einen Anflug von UN-Legitimität den Irakern nicht vielmehr als Provokation erscheinen?


Brzezinski: So, wie Washington die Sache angegangen ist, war dies unausweichlich. Die Bush-Administration hätte besser daran getan, sich nach der Eroberung Bagdads der Gesamtheit der nahöstlichen Probleme anzunehmen, vor allem des israelisch-palästinensischen Konflikts. Vielleicht wäre die jetzige missliche Lage dann gar nicht erst entstanden. Stattdessen vertrödelten die USA ein ganzes Jahr, in dem sie den Friedensprozess hätten voranbringen können - und während dieser Zeit wuchs die Wut, verloren auf beiden Seiten viele unschuldige Zivilisten ihr Leben. Die Folge ist, dass die Vereinigten Staaten in der Region nicht mehr als unparteiischer und wohlmeinender Vermittler wahrgenommen werden, sondern zunehmend als Besatzungsmacht (im Irak) und als Verfechter der israelischen Okkupationspolitik.


Das Interview führte Nathan Gardels.


Zbigniew Brzezinski war Sicherheitsberater des früheren US-amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter. Zuletzt erschien sein Buch "The Choice: Global Domination or Global Leadership" (Basic Books, März 2004).


Aus dem Amerikanischen von Daniel Eckert.
© Global Viewpoint 2004
Artikel erschienen am 16. April 2004


http://www.welt.de/data/2004/04/16/264936.html?prx=1

-----------------------------------------------------------



Der Nahe Osten steht kurz davor
 
aus der Diskussion: US-Scharfschützen in Falludscha schießen unbewaffneten Männern in den Rücken
Autor (Datum des Eintrages): DmComeBack  (16.04.04 11:39:27)
Beitrag: 10 von 56 (ID:12763667)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE