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Man kann hier wohl nur Stück für Stück in Posting nach Posting Fragen aufarbeiten, sonst werden die Beiträge überlang und das Ganze wird ein unübersichtlicher Daten- und Firmensalat. Manche Dinge sind, zugegeben, für mich, da ich an vorderster Stelle mit dabei war, nur schwer in wenigen Sätzen oder kurzen Andeutungen abzuhandeln. Ich machte mir z.B. am Wochenende Gedanken, was ich alles über den Wert oder Nichtwert von AlphaWare schreiben könnte - und da drehten sich wirklich bereits ganze Romane in meinem Kopf. Um zu vermeiden, dass hildegardvonbingen dann wieder die Haare zu Berge stehen, fange ich darum mal mit einem kurzen Thema an, von dem Herr Kissel sprach: Das Kapitel GEBRAUCHTKAUF

Herr Kissel und ich sind sichtlich unterschiedlicher Meinung, was den Wert von Gebrauchtkauf angeht. Vielleicht aber liegen wir dabei doch nicht so weit auseinander. Nach Kissels zuletzt geäußerten Bemerkungen über GK, wie ich "Gebrauchtkauf" der Einfachheit halber mal nennen will (so hieß es auch im Com4Net-Logo), entnehme ich nämlich, dass er, als IT-Spezialist naheliegend, offenbar nur die technische Seite bemängelt. Wenn ich dagegen eine Bewertung von GK abgebe, meine ich aber im Grunde nur das wirtschaftliche Potenzial, das darin steckte.

Ich möchte dies etwas näher erklären und komme dann auf das Technische zurück: Die rund 20.000 gebrauchten Maschinen, die in der GK-Datenbank eingestellt waren, waren keineswegs Schummel- oder Testdaten, sondern kamen durch Akquise der Gebrauchtkauf-Mitarbeiter Christian Ruhland, Nicolette Lerch, Monika Lenz und Stefan Hoyer zu Stande. Die haben sich alle dafür wirklich viele Wochen lang fleißig ins Zeug gelegt. Aufgrund dieser 20.000 angebotenen Maschinen war - von der Zahl der Stellplätze im Internet-Gebrauchtmaschinenhandel - "Gebrauchtkauf" zu jener Zeit tatsächlich nachweislich die größte Internet-Platttform Europas auf diesem Sektor. Ich habe dafür, u.a. in Fachzeitschriften und auf der Messe Resale 2000 (1.-6.4.2000), entsprechend PR gemacht. Ich habe auch andere Marketing-Maßnahmen dafür betrieben, u.a. in ausländischen, vor allem osteuropäischen Fachzeitschriften (da nach meinen Recherchen der "Osten" damals der größte Einkäufer gebrauchter Maschinen aus Deutschland war) mehrsprachige Inserate und Werbetexte geschaltet - mit ganz gutem Erfolg: Nach diesen Marketing-Maßnahmen kamen auch ohne weitere Akquise (die ab April 2000 aus betriebsinternen Gründen ziemlich schnell einschlief; über dieses Jammerkapitel ein andermal) eine ganze Menge Händler von selbst auf die Com4Net bzw. Gebrauchtkauf zu, um Maschinen und Fahrzeuge in die GK-Datenbank zu stellen. Ebenso kamen Anfragen von Interessenten, auch aus der Türkei, Bulgarien, Serbien, Kroatien und der Ukraine, die - da die GK-Web-Page im Internet leider eine Katastrophe war (und das meint Kissel wohl) - telefonisch und per Fax direkt anfragten, ob wir ihnen nicht über Gebrauchtkauf diese oder jene Maschine vermitteln könnten (und dies waren jeweils Maschinen mit fünf- und sechsstelligem Wert! Da hätte man eigentlich allein an den Provisionen ein ganz gutes Geschäft machen können).

Ich gab nun alle diese Anfragen und Wünsche an den damaligen Gebrauchtkauf-Leiter Christian Ruhland weiter. Warum der nichts daraus machen konnte und warum er auch die 20.000 Stellplätze nicht - wie vorgesehen - zu rund zehn DM pro Stellplatz (immerhin für Maschinen im Wert zwischen 4.000 bis 400.000 DM; in der Relation also nicht der Rede wert und weit billiger als ein einziges Print-Verkaufs-Inserat) vermieten konnte, ist ein so unfassbares Kapitel für sich, dass ich damit einen eigenen Thread füllen könnte. Gebrauchtkauf-Mitarbeiterin Nicolette Lerch, die sich damals - ich hoffe, sie nimmt es nicht übel, wenn ich dies hier oute - nach einigen Wochen entsetzt von Ruhland in meine Marketing-Abteilung regelrecht "flüchtete" (oder sie hätte fristlos gekündigt, d.h. sie hatte bereits und nahm dies dann zurück), kann sicher ein Lied davon singen. Aber ich will hier den Rahmen nicht sprengen und Personalien mal beiseite lassen.
Es geht um die Bewertung der Marktchancen dieses Internet-Projekts. Diese waren - hätte man es richtig gemacht - meiner Ansicht nach enorm. Man hätte bei einem Preis von zehn Mark Monatsmiete pro Internet-Angebotsplatz allein 200.000 DM Miete monatlich allein dafür einnehmen müssen. Nach Marktforschungen, die wir über die Dimensionen des Gebrauchtmaschinenhandels in Europa anstellten, hätten, wenn die ganze Sache überhaupt erst mal angelaufen wäre, jeden Monat locker rund wiederum 20.000 neue Stellplätze in der GK-Datenbank vermietet werden können. Das heißt, man hätte wenigstens 200.000 DM durchschnittlich jeden Monat mit dieser Vermietung einnehmen müssen (im Grunde sogar mehr, denn dieses bewusst noch zu Ungunsten von GK aufgestellte Rechenmodell bedingt, dass jeweils die 20.000 Maschinen des Vormonats dabei schon verkauft worden wären. Manche Maschinen aber wären womöglich auch zwei oder drei Monate zu a 10.-DM/Monat weiterhin im Netz gestanden).

So weit zum Modell der vermieteten Internet-Stellplätze (bei obigem Rechenmodell ein Jahres-Umsatz von 2,4 Millionen DM - ich rechne hier bewusst weiterhin in DM, da ich einfach die damaligen Rechnungen und Währungen übernehme). Ich selbst schlug damals ein anderes Modell vor, das mir noch renditeträchtiger erschien: Ich wollte es den Händlern wahlweise überlassen, ihre Maschinen und Fahrzeuge (vor allem waren es landwirtschaftliche und Baufahrzeuge) entweder zu a zehn DM ins Netz zu stellen oder dies kostenlos auf reiner Erfolgsbasis zu tun - im Klartext: GK Provisionen bei erfolgreichem Verkauf zu bieten. Es gab mehrere Händler, die solche Provisionen von sich aus anboten, da dies absolut branchenüblich ist. Nun rechne man: Anstatt zehn, 20 oder 30 DM (wenn der Verkaufsartikel drei Monate im Netz steht) an einem Verkauf mitzuverdienen, kommt man bei den Provisonen (sagen wir: 5%?) auf drei- bis fünfstellige Summen pro Srtikel (die meisten Maschinen hatten, wie erwähnt, fünf- bis sechsstelligen DM-Wert). Mehr möchte ich mir gar nicht mehr ausmalen... Der GK-Leiter hat leider weder das eine noch das andere Modell zum Erfolg führen können. Was er anstattdessen den ganzen Tag tat, kann ja vielleicht seine Mannschaft mal erzählen.

Zum weiter wirtschaftlichen Potenzial von GK bei einem evtl. Exit zitiere ich nur noch mal, was ich um Ostern herum hier im Board an RRichter schrieb:
"Also zu ,Gebrauchtkauf`, diesmal mach ich`s kurz: Eine freundliche Seele aus dem Umfeld der Com4Net spielte mir vor einigen Wochen die Information zu, dass Ebay in den Online-Gebrauchtwagen-Marktplatz mobile.de einstieg - für stattliche 121 Millionen Euro in bar! Wenn nicht gleich 121 Millionen Euro, aber welche Summe hätte man jetzt für ,Gebrauchtkauf` bekommen?!"

So, jetzt zur technischen Seite - und hier ist eigentlich Simon Kissel als Spezialist gefragt. Dass GK technisch unter aller S... war und man so nicht auf den Markt gehen konnte, war klar. Hier liegt so vieles im argen, was wirklich aufgearbeitet gehört. Da ist zum einen der Kauf der siebenstelligen Software. Ob die das wirklich wert war, kann ich als technischer Laie nicht beurteilen. Das überlasse ich denen, die damals bewertet haben und denen, die im nachhinein bewerten wollen - wie vielleicht auch Simon Kissel. Nun war aber diese sündteure Software für GK immer noch nicht brauchbar, sondern wurde in monatelanger Tüftelei von einem hochbezahlten Bastler namens Appel (Dieter? ich weiß den Vornamen wirklich nicht mehr - ich habe hier in meinem Privathaus keinerlei Com4Net-Unterlagen und arbeite nur aus dem Gedächtnis) für die Bedürfnisse von GK auf Vordermann gebracht. Laut Elas bekam Appel dafür 200.- DM/Stunde von der Com4Net, dafür aber war Appel dann auch tage- wie nächtelang fleißig (ein gewisser Aenishaenslin war später mal genauso fleißig und ließ sich noch Spanien-Hin- und -Herflüge bezahlen), was sich für ihn ganz schön rechnete (mir erzählte später jemand, Appel hätte, bevor er Elas kennenlernte, enorme finanzielle Schwierigkeiten gehabt. Nun, wenn dem so war, hat ihn die Com4Net saniert - ich rechnete mir aus, dass er in wenigen Monaten dort sechsstellig verdient haben muss. Später traf ich übrigens einen seiner Subunternehmer, Herrn Heinold, der mir sein Leid klagte, dass er von Appel nicht für seine Leistungen bezahlt worden wäre und ihn nicht mehr ausfindig machen könne. Wenn meine Informanten Recht haben, so hatten auch Herr Witsch und Frau Lerch, die sich anfangs beide sehr gut mit ihm verstanden, sehr große, auch finanzielle, Enttäuschungen mit Appel erlebt).

Zurück: wo war ich?, tage- und nächtelang, ah ja, tage- und nächtelang also - bei einem Zehnstunden-Tag kommt man da schon locker auf 2.000.-DM. Und ob jener Software-Spezialist sich nachts dann auch noch so lang in der Firma aufhielt, wie er behauptete (nochmal knapp 1.500.-DM?) , kontrollierte nie jemand nach. Die Com4Net war noch nie gut im Kontrollieren (der Grund für den Niedergang der Inc.-Gesellschaften lag auch in fehlendem Controlling), nur gut im Bezahlen.
Nun weiß ich also zu wenig von der Software, um beurteilen zu können, ob man daran monatelang basteln muss, um eine mir relativ einfach erscheinende Kauf- und Verkaufsplattform im Internet aufzubauen. :confused: Ich will nur erwähnen, dass sich die Genialität jener "Basteleien" auch dahingehend auswirkte, dass die PCs in der Firma wochenlang nicht miteinander vernetzt waren (ist so etwas ein Jahrhundertwerk??), dann ging das mal kurz, dann wieder nicht, dann waren plötzlich alle wieder einige Zeit offline.
"Ich dachte, ich bin hier in einer Internet-Firma" witzelte ich anfangs noch (bald verging mir der Humor). "In der Redaktion, aus der ich komme, hatte ich wenigstens immer Internet-Anschluss." Der von mir kreierte Com4Net-Werbetext wirkte da nur wie Hohn: "Wir machen nicht einfach Internet, wir machen Internet einfach."

Vielleicht können Sie, Herr Kissel, nun aufgrund einiger solcher persönlicher Randeindrücke die Genialität der Com4Net-Technik (oder soll ich sagen, des -Technikers?) noch besser beurteilen. Ich bin nicht abgeneigt, Ihnen in technischer Hinsicht bei ihrem GK-Urteil recht zu geben. Aber ich bitte Sie gleichzeitig, sich ehrlich mit den Gedanken des Markt-Potenzial von GK (eine funktionierende Technik natürlich vorausgesetzt), das ich oben ausführte, auseinanderzusetzen.

So, für heute reicht`s. Der "Lokalheiligen" stehen nun angesichts des langen Beitrags (kündigte ich ihn nicht als "kurzes" Thema an?) doch wieder die Haare zu Berge, aber ich hoffe, hildegard ist`s dennoch zufrieden, da ich nur Com4Net-bezogen und weder von Popstars noch von journalistischen Abenteuern erzählt habe. Ich bitte abschließend noch, evtl. Tippfehler zu entschuldigen, da ich zu müde bin, den Text nochmals zu lesen.

Mich würde von Herrn Kissel, von dem ich gehört habe, dass er, ganz Computer- (nebst Eisenbahn)Freak, auch mit Vorliebe ganze Nächte durch an seiner Software tüftelt (ohne allerdings von der Com4Net dafür sechsstellige Horror-Honorare zu kassieren), interessieren, wie er sich persönlich fühlt, wenn er auf diese Weise erfährt, wie andere "Genies" für - laut Kissels Urteil - miserable Arbeit in acht Tagen allein das verdienten, was er für seinen 30%-Computerman-Anteil insgesamt bekam. Da muss man sich doch ganz schön vera.... vorkommen. So muss auch Elas sich nach einigen Monaten vorgekommen sein. Da hätten wir doch lieber ihn für, sagen wir mal, 100.000.-DM die GK-Software weiterentwickeln lassen und ihm noch obendrein 100.000.-DM für Computerman draufgegeben und dabei immer noch gegenüber den tatsächlich angefallenen Kosten gespart. Und wir (mit wir schließe ich besonders die Aktionäre ein) hätten mit GK noch gute Geschäfte gemacht und jetzt mehr Geld.
It`s a drag! :( :( :( Und das Ganze ist nur einer von vielen Com4Net-Skandalen.
 
aus der Diskussion: Aktenzeichen C4N gelöst
Autor (Datum des Eintrages): STeplan  (10.05.04 23:13:13)
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