Fenster schließen  |  Fenster drucken

WiWo19.7.00



Die Zukunft der Fernsehens

Für die Zukunft des Pantoffelkinos gibt es viele
Worte: Interaktives Fernsehen, digitales TV,
Internet-Fernsehen, Web TV. Doch ein Wort führen
alle Anbieter im Mund: Konvergenz. Bei allem Streit
um Standards, Plattformen und Protokolle ist dies
das Mantra der Branche: Internet und Fernsehen
werden zusammenfinden.

Derzeit sind noch zwei klar getrennte Fraktionen auszumachen – Internet
im Fernsehen und Fernsehen im Internet. Die beiden Bereiche gehen
zwar aufeinander zu – konvergieren – , doch wann und wo sie sich
treffen, ist noch nicht auszumachen.

Die Gemeinsamkeit von Fernsehen und PC verführt nämlich dazu, die
Unterschiede kleinzureden. So haben beide Medien einen Bildschirm. Mit
dem digitalen TV wird das Fernsehen zunehmend interaktiv. Mittels
Datenstrom und schnellem Internetzugang wird auch der PC immer
mehr zur Abspielstation bewegter Bilder und damit zum
Unterhaltungsmedium. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auf.
Fernseher haben...

... eine kleinere Bildschirmauflösung. Das Surferlebnis wird
dadurch geschmälert, dass große Webseiten nur wie mit einem
Blick durch den Türspion zu betrachten sind.

... weder Maus noch Tastatur. Die Navigation muss auf die Auf-
und Ab-Tasten der Fernbedienung angepasst werden.

... viel längere Produktzyklen als Computer. Das TV-Gerät, dass
alle Funktionen nach dem Stand der Technik in sich vereint, wäre
schon bald wieder veraltet.

... ein anderes Publikum als PCs. In den USA sind die
WebTV-Kunden nach Angaben von Microsoft-Sprecher Thomas
Baumgärtner im Schnitt zehn Jahre älter als die
durchschnittlichen Internet-Nutzer. Damit einher geht in der Regel
auch eine geringe Frustrationstoleranz in Sachen Technik.
Modemkonfiguration, Proxy-Einstellungen, Plug-In-Installationen,
Browser-Updates – alle Begriffe, mit denen man
Fernsehzuschauer besser nicht kommen sollte. Das gilt auch für
die Inhalte: „Fernsehen ist keine Selbstbedienungs-Tankstelle.
Das ist so, und das wird so bleiben“, warnt Werner Lauffer, Chef
der Bertelsmann Broadband Group.

... einen anderen Standort als Rechner. Der PC wird als
Arbeitsgerät auf dem Schreibtisch stehen bleiben und der
Fernseher vor der Couch. Außerdem steht der Fernseher oft
meter- und wändeweit von der nächsten Telefonbuchse entfernt.
Darin wird sich bei aller technischen Entwicklung nichts ändern.

Microsoft-Sprecher Thomas Baumgärtner warnt deshalb auch vor zu viel
Gleichmacherei: „Interaktives Fernsehen wird nie eine Alternative zum PC
sein, sondern ist ein eigenes Medium.“ Auch Lauffer lästert: „Nicht bei
allem, wo Konvergenz draufsteht, ist auch Konvergenz drin.“ Die
Konsequenzen daraus:

Es wird nie ein Gerät für alle Anwendungen geben, sondern eine
Vielzahl von Hardware für den jeweiligen Einsatzzweck.

Die Konvergenz wird sich weniger auf Endgeräte als auf die
Übertragungswege beziehen. So sind TV-Kabel und Satelliten
probate Übertragungskanäle sowohl für das Fernsehen als auch
das Internet.

In diesem Zusammenhang wird es auch eine Konvergenz
zwischen Push- und Pull-Medien geben. Das traditionelle
Push-Medium (der Zuschauer bekommt Inhalte zugeschoben)
Fernsehen wird durch Funktionen wie Video-on-Demand zum
Pull-Medium (der Nutzer zieht sich die Inhalte, die er haben
möchte, aus dem Netz).

Konvergieren müssen auch die Erlös-Modelle. Je selektiver und
gezielter Zuschauer ihre Sendungen abrufen können, desto
weniger werden sie gewillt sein, vorab hohe Monatsgebühren zu
bezahlen oder sich per Abonnement an einen Anbieter zu binden.
Das klassische Pay-TV á la Premiere hat damit schlechte Karten.
Doch auch das werbefinanzierte Free-TV muss sich neu
orientieren. Wenn beispielsweise alle Filme im Arbeitsspeicher
gepuffert oder auf Festplatten zwischengelagert werden, können
Werbeblöcke problemlos übersprungen werden. Schlimmer
noch: Eine Software wie der Webwasher von Siemens, der
Werbung automatisch ausblendet, wäre eine Katastrophe für die
Sender, wenn sie auf einer Set-Top-Box installiert würde. Deshalb
ist die Einbindung von E-Commerce eine Frage des Überlebens.
 
aus der Diskussion: Ladenhüter Metabox & Co...?!
Autor (Datum des Eintrages): >Newark<  (23.07.00 18:28:07)
Beitrag: 58 von 104 (ID:1387605)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE