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Apropos Geldanlage: ;)

Trotz des Bankgeheimnisses müssen
steuerunehrliche Anleger immer öfter die Entdeckung fürchten
von Thomas Exner

Spätestens seit der Diskussion um die Sparbücher der Kinder von Langzeitarbeitslosen dürfte auch dem Letzten augenfällig geworden sein: Der Staat möchte am liebsten alles wissen über seine Bürger. Und dies gilt nicht nur für die Sozialämter oder die Träger der Sozialversicherungen, sondern in mindestens ebensolchem Maße für den klammen Fiskus. Dieser hat den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet, insbesondere auch um steuersündigen Anlegern auf die Schliche zu kommen. Auf dem Papier hat das von vielen Bundesbürgern hoch geschätzte Bankgeheimnis zwar weiterhin Bestand, doch in der Praxis ist es inzwischen kaum noch relevant - ohne dass dies den meisten Sparern bewusst ist. Nicht wenige Experten wie der Präsident des Deutschen Anlegerschutzbundes, Klaus Nieding, sehen den gläsernen Bankkunden bereits in greifbare Nähe gerückt.


Ein Beispiel für das immer engmaschiger gestrickte Informationssammelnetz der Steuerbehörden sind die so genannten Jahresbescheinigungen. Bereits ab dem laufenden Jahr sind alle deutschen Banken und Kreditinstitute verpflichtet, ihren Kunden einmal jährlich eine solche zusammenfassende Bescheinigung über alle Kapitalerträge und Spekulationsgewinne aus allen dort geführten Konten und Depots auszustellen ( 24c EStG). In der Gesetzesbegründung heißt es, dass diese nach einem amtlichen Muster zu erstellenden Bescheide dem Bürger beim Ausfüllen seiner Steuererklärung als Hilfestellung dienen sollen. Doch natürlich haben nicht rein altruistische Motive den Fiskus zu dieser Neuregelung getrieben. "Bisher gab es für jedes einzelne Konto eine Steuerbescheinigung, so dass der Sparer in seiner Steuererklärung durchaus Erträge des einen oder anderen Kontos hätte verschweigen können. Durch die Sammelbescheinigung geht das nun nicht mehr", so Johannes Sommer, Steuerexperte bei der Berenberg Bank. Auf Vergesslichkeit kann man sich bei unvollständigen Angaben jedenfalls nicht mehr berufen.


Zwar muss die Jahresbescheinigung der Bank der Steuererklärung nicht zwangsläufig beigefügt werden. "Im Einzelfall können die Finanzbehörden jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen eine Kopie der Bescheinigung verlangen", heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. Die müssen sie in aller Regel zwar zunächst vom Steuerpflichtigen selbst anfordern, doch wenn sich dieser verweigert oder eine solche Aufforderung keinen Erfolg verspricht, kann das Finanzamt sich per Auskunftsersuchen auch direkt an die Bank wenden.


Schon in den vergangenen Jahren, konstatieren Banker, ist die Zahl solcher Anfragen durch die Steuerbehörden merklich gestiegen. Allerdings setzt ein solches Ersuchen die Kenntnis von Konten und Depots eines Steuerpflichtigen voraus. Diese haben die Finanzbeamten bislang nur, wenn der Bürger seine Bankverbindungen in der Steuererklärung komplett aufführt oder er für seine Konten Freistellungsaufträge erteilt. Denn mit dem Vorliegen solcher Aufträge sind die Banken verpflichtet ( 45d EStG), einmal jährlich den vom Sparer ausgeschöpften Freibetrag an das Bundesamt für Finanzen zu übermitteln - Daten, auf die auch der Finanzbeamte vor Ort zurückgreifen kann.


Da gewiefte Steuerhinterzieher um diese Gefahr wissen, verschweigen sie nicht nur einen Teil ihrer Konten und Depots in der Steuererklärung, sondern sie verzichten nach Einschätzung von Kennern regelmäßig auch auf die Freistellung ihrer Kapitalerträge. So bleibt den Finanzbeamten bisher oft - trotz eines vielleicht vorhandenen Verdachtes - das Nachsehen. Doch ab April kommenden Jahres wird sich dies ändern. Dann können nämlich auch Finanzämter und Träger der Sozialversicherungen über das Bundesamt für Finanzen auf eine so genannte Kontenevidenzzentrale zugreifen und sämtliche inländische Kontoverbindungen eines Steuerbürgers abrufen ( 24c KWG) - eine Möglichkeit, die Behörden bisher nur im Rahmen der Terrorfahndung offen steht. Die so zu erlangenden Daten (Name des Kunden, Geburtsdatum, Verfügungsberechtigung sowie Einrichtungs- und Auflösungsdatum) verraten zwar nichts über den Kontostand und eventuelle Buchungen - sie reichen aber aus, um Lücken in den Steuererklärungen aufzudecken und dann gezielt beim Steuerpflichtigen nachzufragen oder entsprechende Auskunftsersuchen bei den Banken zu stellen. "Die Kontrollmöglichkeiten werden dadurch spürbar verbessert", konstatiert Heinz-Jürgen Tischbein, Leiter der Steuerabteilung beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken.


Dabei setzt ein solcher Abruf noch nicht einmal einen begründeten Verdacht auf Seiten des Finanzbeamten voraus. "Es sind zum Beispiel auch Stichproben nach dem Zufallsprinzip zulässig", erklärt das Bundesfinanzministerium. Aufgedeckt werden dabei nicht nur die aktuellen Bankverbindungen, sondern alle Depots und Konten, deren Schließung noch keine drei Jahre zurückliegt. Und weil weder das Kreditinstitut noch der Steuerpflichtige selbst Kenntnis von diesen automatisierten Abrufen erhalten, dürfte oft nicht einmal die Chance zur Folgenmindernden Selbstanzeige bleiben. Die Hinterziehung von Steuern aus inländischen Kapitalanlagen wird spätestens damit zum Vabanquespiel, auch wenn deutschen Finanzbeamten im Schnitt nur eine Prüfungszeit von zehn Minuten pro Bearbeitungsfall zur Verfügung steht.


Für manch einen Anleger dürften daher "diskrete Geldanlagen" im Ausland noch interessanter scheinen, obwohl im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie künftig voraussichtlich auch in der Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg ein Quellensteuer-Abzug erfolgen wird. Nicht wenige Experten wie Heiko Revenstorff, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Ernst & Young, plädieren dagegen für die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit: "Wenn durch die Einführung einer Quellensteuer in diesen Ländern der Unterschied bei der Abgabenlast auf nur noch zwölf Prozentpunkte zusammenschmilzt, macht Steuerhinterziehung kaum noch einen Sinn. Für die meisten heimlichen Millionäre dürfte es da vorteilhafter sein, die Möglichkeiten der Steueramnestie zu nutzen und ihr Vermögen zu legalisieren." Ab April 2005 ist aber auch dieser Ausweg verbaut (siehe Kasten).

Artikel erschienen am Mo, 9. August 2004

WELT.de 1995 - 2004
 
aus der Diskussion: Umfrage - wer glaubt, dass eine Kapitallebensversicherung eine gute Geldanlage ist ?
Autor (Datum des Eintrages): Viva2  (09.08.04 12:32:29)
Beitrag: 30 von 66 (ID:13982603)
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