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China
Zukunftsmarkt China
Von Katharina Vähning


13. Januar 2003 Sie bietet Wachstumszahlen, von denen europäische Länder nur träumen können: Die Wirtschaft der Volksrepublik China. Auch deutsche Unternehmen sind beim Rennen um Marktanteile und Absatzmöglichkeiten mit an den Start gegangen. Kein leichtes Unterfangen, denn China ist ein Markt, der neben vielen Gewinnchancen auch Hürden birgt. Eine Sache also für Experten und solche, die es werden wollen.


Der chinesische Markt gilt als ein vielversprechender Zukunftsmarkt mit verheißungsvollen Perspektiven für Unternehmen. Immer wieder tauchen Schlagzeilen wie „Größter Mobilfunkmarkt der Zukunft” oder etwa „Der Markt für deutsche Umwelttechnologie” in den Medien auf. Entsprechend groß ist das Engagement der deutschen Wirtschaft, aber auch von Politik und Medien auf dem chinesischen Festland: über 1.000 deutsche Unternehmen sind mit ihren Niederlassungen im Reich der Mitte vertreten. Alle großen Tageszeitungen, Magazine und öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten mit insgesamt 18 Büros am Ort des Geschehens. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), der ausführende Arm des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, organisiert mit ihren rund 30, in der Regel deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlreiche Projekte. Auch die Politprominenz zeigt Präsenz: Im vergangenen Jahr besuchten mindestens sieben Bundesminister das Land und auch Ministerpräsidenten, Landesminister und Staatssekretäre stellten sich ein.

„Die Aufmerksamkeit von deutscher Seite könnte wohl nicht größer sein”, urteilt Dr. Jörg-Meinhard Rudolph, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Peking. Doch trotz aller Bemühungen fällt die Bilanz für die deutsche Wirtschaft recht mager aus: Der deutsche Außenhandel mit China macht nur etwa drei Prozent des Gesamtaußenhandels aus, und der Anteil der Exporte nach China beträgt gar nur eineinhalb Prozent der deutschen Gesamtexporte. Wirtschaftsexperte Rudolph bezeichnet diese Zahlen als „marginal”. Ein Anteil, der zudem seit über fünf Jahren nicht nennenswert gewachsen sei. Bei den Direktinvestitionen sieht es nicht viel anders aus. Insgesamt hat Deutschland etwa 800 Milliarden Mark im Ausland investiert, in China sind es - kumuliert seit etwa 1993 - acht bis neun Milliarden Mark, zählt Rudolph auf. Damit nimmt China einen Anteil von nur etwa ein Prozent ein. Ein Mißverhältnis, das unter anderem deutlich vor Augen führe, wie schwierig die Verhältnisse für Ausländer in China seien - auch nach über 20 Jahren „Reform und öffnung” (wie es in China heißt), resümiert Rudolph.

Daß das Engagement trotzdem aufrecht erhalten wird, liegt an der einhelligen Einschätzung, daß Investitionen auf dem chinesischen Markt Langzeitprojekte sind. Wer Erfolg haben will, braucht Geduld und vor allem Experten. „Eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Entscheidung bei solch einem Engagement in China ist die personelle Besetzung der Arbeitsplätze im Management, aber auch in Produktion, Vertrieb und Verwaltung”, erklärte Dr. Jürgen Heraeus, Vorsitzender des Arbeitskreises China im Asien Pazifik Ausschuss (APA) der Deutschen Wirtschaft zu Beginn einer Staufenbiel-Studie über Personalmanagement in China. Denn die schwierigen Verhältnisse bedingt durch kulturelle Unterschiede, hohe Rechtsunsicherheit sowie undurchsichtige Verzahnung von Wirtschaft und Politik erfordern sehr gut ausgebildete Mitarbeiter. Solche also, die auch mit der asiatischen Welt und deren Mentalität vertraut sind und einfache To-Do-Regeln wie die des „Gesicht-Wahrens” kennen und umsetzen können: sein Gegenüber stets ausreden lassen, sich delikaten Fragen nur über Umwege nähern oder dem Beamten, dessen Füße beim Eintreten in dessen Büro auf dem Tisch liegen, durch Räuspern die Gelegenheit geben, sich standesgemäß in Position zu begeben etwa. Aber die richtige Anwendung dieses Wissens und Verhaltens kann man nur schwer in einem Seminar erlernen.

Fachexperten mit Erfahrung stehen also hoch im Kurs: „Für viele Unternehmen ein Problem, da sie nicht über die Kapazitäten verfügen, eigene Fachleute intern ausbilden zu können. Auch haben manche keine konkrete Vorstellung davon, wie das Anforderungsprofil eines Experten aussehen könnte”, erklärt Dai Yi, Unternehmensberater und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostasieninstitut der FH Ludwigshafen. Dies gelte vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen mit wenig Asienerfahrung. Hinzu kommen die immensen Kosten für Mitarbeiter, die nach Asien entsandt werden: Diese sogenannten „Expatriats” schlagen im Budget mit jährlich 150.000 bis 250.000 Euro zu Buche. Die FH Ludwigshafen versucht mit dem Studiengang Marketing China, der ein komplettes BWL-Studium plus Sprach-, Kultur- und Landeskenntnisse bietet, diesem Mangel an Fachkräften abzuhelfen. Nach dem Studienabschluß lernen die Absolventen meist erst einmal für ein halbes Jahr ihren Arbeitgeber hier in Deutschland kennen und gehen dann für drei bis fünf Jahre in Niederlassungen nach China. Doch die Absolventen, so Dai Yi, könnten zur Zeit die Nachfrage bei weitem nicht abdecken. Aufgrund der wenigen Ausbildungsmöglichkeiten und der hohen Personalkosten versuchen die Unternehmen in den letzten Jahren verstärkt, in China vor Ort zu rekrutieren und aufzubauen und auch günstigere Lokalverträge auszuhandeln: Umzug, Wohnung, Auto und viele Extras, die im Expat-Vertrag obligatorisch sind, würden dann entfallen. Das gilt sowohl für chinesische als auch für ausländische Mitarbeiter. Trotzdem sieht Dai Yi auch in Zukunft für seine Studierenden gute Perspektiven.

Doch zum Glück wächst die Zahl der Bildungsangebote, die Sprache und Kultur mit betriebswirtschaftlichem Wissen kombinieren und den Studierenden auch unterschiedliche Schwerpunkte bieten. Das gilt sowohl für den Fachbereich Sinologie - der klassischen Chinakunde - als auch für die wirtschaftswissenschaftlich orientierten Fachbereiche. Der International Campus Cologne bietet etwa einen wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten Studiengang mit Schwerpunkt Asien an, der zum Abschluß des „Asienbetriebswirtes” führt. Auch der Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Bremen kombiniert Betriebswirtschaftslehre mit Regional- und Sprachstudium, wobei zwei praktische Studiensemester im Ausland integraler Bestandteil des achtsemestrigen Studiums sind. In dem Studiengang Internationale Volkswirtschaftslehre der Universität in Tübingen werden ökonomen „mit profunden Chinakenntnissen ausgebildet”. Die Studierenden müssen dafür ein gestrafftes Doppelstudium in Kauf nehmen, denn sie studieren sowohl an der wirtschaftswissenschaftlichen als auch an der sinologischen Fakultät. Und der Studiengang zur Diplomkulturwirtin an der Universität Passau setzt neben Auszügen aus Betriebs- und Volkswirtschaftslehre vor allem auf Studien der jeweiligen Kulturräume. Studierende können hier zwischen Chinesisch, Indonesisch oder Thai wählen. Auch an der Gerhard-Mercator-Universität-Duisburg besteht das Fachgebiet Ostasienwirtschaft/China: 1992 gegründet, ist es dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaft zugeordnet. Das Fachgebiet soll eine Brücke schlagen zwischen der Wirtschaftswissenschaft als Methodendisziplin und den Regionalstudien.

Ob man sich jedoch für einen kombinierten Studiengang oder doch lieber für ein „reines” Wirtschaftsfach oder sogar für die Sinologie entscheidet, sollte gut überlegt sein und nicht voreilig von etwaigen Jobperspektiven abhängig gemacht werden. Denn wer sich frühzeitig auf den asiatischen Markt spezialisiert, sollte vorab und auch vor Ort klären, ob ihm Land und Leute wirklich liegen und nicht erst im Praxissemester feststellen, daß man sich China ja eigentlich ganz anders vorgestellt hat.

Weitere Informationen unter:
International Campus Cologne:
www.international-campus.de/german/fs_asiabwirt.htm

FH Ludwigshafen:
www.oai.de

Wirtschaftssinologie an der Hochschule Bremen:
www.fbw.hs-bremen.de/aws/index.html

Universität Tübingen:
www.uni-tuebingen.de/uni/ans/sino/sinoset.htm

Diplomstudiengang Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien an der Universität Passau:
www.kuwi.de

Studienschwerpunkt Ostasienwirtschaft/China für den Diplomstudiengang Wirtschaftswissenschaften an der Gerhard-Mercator-Universität-Duisburg
www.uni-duisburg.de/FB5/VWL/OAWI/index.html


Text: Hochschulanzeiger Nr. 64, 2003
 
aus der Diskussion: Arbeiten und Leben in China, Meinungs- Erfahrungsaustausch, Fragen
Autor (Datum des Eintrages): MTCCarlo  (09.10.04 18:52:33)
Beitrag: 5 von 14 (ID:14525566)
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