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Augsburger Lumpenkiste: "Team America"
von Holger Kreitling

Schlechte Nachricht für die Kulturkritik: Auch böse Menschen haben ihre Lieder. Und sie dürfen ihre romantische Seite zeigen. Kim Jong Il, einstiger Filmkritiker und jetzt Vollzeitdiktator, wandert durch seinen Palast und singt. Von Einsamkeit. Und wie schwer es ist, ein Schurke zu sein. Weil er - kein ganz neuer Gag - L als R ausspricht, heißt das Lied "I`m so ronery". Kim Jong Il barmt um Verständnis im Barbra-Streisand-Stil. Allen Barbra-Streisand-Freunden sei aber dringend vom Kinobesuch abgeraten.


Auch Gary Johnston singt. Der Schauspieler tritt im Musical "Lease" auf. Das Publikum jubelt, als Gary "Everyone has Aids" schmettert. Nach der Vorstellung sagt ein finsterer Mensch, er, Johnston, solle sein Talent zum Wohle des Landes verwenden und zum "Team America" stoßen. Zwischendurch ist ständig von Blowjobs die Rede. Später auch. Allen Musical-Freunden sei dringend vom Kinobesuch abgeraten.


Gary, Kim Jong Il und der finstere Mann sind keine Menschen. Es sind Puppen. "Team America: World Police" ist ein Marionettenfilm, die Figuren hängen an Fäden, und ihr Gang ist der gleiche wie der von Urmel, Lukas, Kalle Wirsch und den anderen aus Augsburg. Allen Puppen-Freunden sowie Marionetten-Verehrern sei besonders dringend vom Kinobesuch abgeraten.


Denn dieser Film ist ein Hardcore-Splatter-Action-Sex-Terror-Marionettenfilm, geschmacklos, eitel, böse, gemein, schmutzig, unkorrekt und manchmal auch ziemlich lustig. Als wäre die Augsburger Puppenkiste von Entführer als Geisel genommen, ausgezogen, geschändet, mit LSD und Schnaps vollgestopft worden, mit Rock beschallt, mit der politische Lage nach dem Irakkrieg geimpft und dann wieder frei gelassen. Die Macher der Fernsehserie "South Park" haben eine Satire verfertigt, der gewisse Stärken abzusprechen ungerecht wäre, die andererseits ziemlich doof daher kommt.


Team America ist die geheime Eingreiftruppe gegen den weltweiten Terrorismus. Die Mitglieder sind rigoros und schießen zuerst, was bedeutet, daß sie am Anfang in Paris, um vier arabische Attentäter zu schnappen, den Eiffelturm, den Louvre und den Triumphbogen in Schutt legen. Später in Ägypten kommen die Pyramiden und die Sphinx dazu. Dafür sprengt Michael Moore als Selbstmordattentäter Mount Rushmore in die Luft: Team Americas Hauptquartier.


Der Schauspieler Gary wird angeheuert, um sich bei arabischen Terroristen einzuschleichen. Der wahre Kopf der Weltverschwörung ist aber Kim Jong Il, der den UN-Beobachter Hans Blix in Bond-Manier den Haien zum Fraß vorwirft. Die Unterstützer von Kim Jong Il kommen aus Hollywood: Alec Baldwin, Matt Damon, Susan Sarandon und Tim Robbins, Sean Penn, es sind die Schauspieler der "Film Actors Guild", abgekürzt F.A.G., was ein schlecht unübersetzbarer Witz ist.


In "Team America" bekommen alle ihr Fett weg, die Linken, die Rechten, die Europäer, die Muslims. Man darf dem Film keine politische Haltung unterstellen, es geht viel mehr um rüde Witze, Slangausdrücke, Schimpfworte und eine hübsch überdehnte Kotz-Szene als um die amerikanische Politik. Alle Verweise auf George W. Bush wurden wohl vor Filmstart in den USA noch getilgt. Im Dauerfeuer von Filmzitaten, Insidergags, Blutspritzern und fliegenden Gliedmaßen bleibt kein Stein auf dem anderen - und "Team America" haut sich selbst entzwei.


Uneingeschränkt nett sind nur die Lieder. Gary singt das liebliche "End of an Act" über die schöne Lisa und Michael Bays Regie von "Pearl Harbor", der Refrain lautet "And all I`m trying to say, / Is Pearl Harbor sucked and I miss you". Da hat er natürlich Recht. Unnötig zu sagen: Pearl-Harbor-Verehrer sollten den Film ebenfalls meiden.
 
aus der Diskussion: Ab heute: "Team America"
Autor (Datum des Eintrages): Heizkessel  (30.12.04 14:40:09)
Beitrag: 2 von 4 (ID:15425975)
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