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Panne bei Arbeitslosengeld II - Überweisungen unsicher

Berlin, 02. Jan (Reuters) - Rund 150.000 Bezieher des neuen Arbeitslosengeldes II werden am Montag wegen einer Computerpanne möglicherweise kein Geld auf ihrem Konto haben. Gegner der Hartz-IV Arbeitsmarktreform wollten zu Wochenbeginn mit Protesten die Arbeitsagenturen lahm legen. Zudem gibt es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Arbeitslosengeld-Bescheide.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erklärte, sollten die Arbeitslosen bei ihren Banken kein Geld bekommen, könnten sie eine Abschlagszahlung in der für sie zuständige Arbeitsagentur abholen. Sparkassen, Raiffeisen- und Volksbanken und andere Institute hätten aber zugesichert, dass deren Kunden bereits am Jahresanfang das Geld abheben könnten. Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) äußerte Bedauern über die Panne, versprach aber, dass niemand am Montag ohne Unterstützung sein werde. Der Minister zeigte sich überzeugt, dass im Jahresverlauf auch die Arbeitslosigkeit abnehme: "Vom Sommer an geht die Arbeitslosenzahl in einem Gleitflug nach unten - langsam, aber sicher." Wenn die Auszahlung laufe, hätten die Mitarbeiter auch wieder mehr Zeit für die Vermittlung. Hartz-IV-Gegner kündigten dagegen in 55 Städten Proteste unter dem Motto "Agenturschluss" an. Ziel sei es, eine Betriebsunterbrechung zu erreichen.

Mit dem Jahresanfang startet die Hartz-IV-Reform, mit der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II zusammengelegt werden. Über drei Millionen Langzeitarbeitslose sollen dann erstmals die neue Leistung erhalten. Vor allem bisherige Bezieher von Arbeitslosenhilfe müssen mit Einbußen rechnen. Gleichzeitig soll aber die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen verbessert werden.


BUNDESAGENTUR RÄUMT PROBLEME EIN

Die Bundesagentur für Arbeit hatte kurz vor Silvester eingeräumt, die Auszahlung des Arbeitslosengeldes könne sich um ein bis zwei Tage verzögern. Betroffen seien rund fünf Prozent der Bezieher. Grund sei ein Fehler bei der Erfassung der Kontonummern. Clement gab in der "Bild am Sonntag" mögliche Anlaufschwierigkeiten zu: "Aber das rüttelt sich in den nächsten Wochen zurecht." Die Vermittlung werde absolut professionell arbeiten. BA-Chef Frank-Jürgen Weise dämpfte allerdings in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" die Erwartung an eine schnelle Vermittlung von ehemaligen Sozialhilfeempfängern. "Im Moment ist die Wirtschaftslage nicht so, dass die Chancen für diese Menschen groß sind", sagte er.


FDP-EXPERTE NIEBEL: HARTZ-IV KÖNNTE VERFASSUNGSWIDRIG SEIN

Nach Angaben des FDP-Arbeitsmarktexperten Dirk Niebel kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Schluss, dass das Hartz-IV- Gesetz verfassungswidrig sein könnte. Es gebe Klauseln, "die im Grundgesetz ausdrücklich weder bestimmt noch zugelassen sind." Wenn dies der Fall sein sollte, wären alle 2,66 Millionen Bescheide über das neue Arbeitslosengeld II rechtswidrig, sagte Niebel und bestätigte damit einen Bericht der "Bild am Sonntag".

Protest-Initiativen in 55 Städten wollten am Montag die Arbeit der Agenturen teilweise lahm legen. Die Agenturen seien die zentralen Akteure der Reform, die eine repressive Zumutung sei, hatte Olga Schell vom Berliner Bündnis "Ende der Bescheidenheit" kritisiert.


AUSTERMANN SIEHT HAUSHALTSRISIKEN DURCH ARBEITSLOSENGELD

Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Dietrich Austermann, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", die Arbeitsmarktreform könne sich zu einem "gewaltigen Sprengsatz für den Bundeshaushalt entwickeln". Er begründete seine Annahme damit, dass von den Anträgen auf Arbeitslosengeld II nur 6,6 Prozent abgelehnt worden seien. Die Bundesregierung sei in ihren Planungen jedoch von 23 Prozent ausgegangen. Dazu komme, dass die durchschnittlichen Zahlungen höher als veranschlagt ausfallen würden. "Hartz IV ist völlig unterfinanziert", sagte Austermann der Zeitung.
 
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Autor (Datum des Eintrages): HSM  (02.01.05 13:30:11)
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