Fenster schließen  |  Fenster drucken

Moralische Entrüstung gegen Energiesteuern?

Gegen die Erhöhung von Energiesteuern wehrt sich die Energiewirtschaft mit
dem schönen Brustton der moralischen Entrüstung. Dem kleinen Mann dürfe
nicht das "Recht auf preiswerte Energie" genommen werden.

Energie ist in den letzten hundert Jahren immer billiger geworden. 1880
kostete eine Kilowattstunde Kohlestrom in Berlin - nach heutiger Kaufkraft -
noch 20 Euro, heute ist ihr Preis auf ein Hundertstel des damaligen Preises
gesunken. Aber gibt es wirklich ein moralisches Recht auf billige Energie?


** Wie kommt es dazu, dass Energie so billig ist?

Der "technische Fortschritt ist keineswegs die einzige Ursache für die
Verbilligung von Energie. Vergessen wird häufig die andere Ursache: Keine
Gruppe der industrialisierten Welt genießt eine solche Menge von staatlichen
Privilegien wie die Energiewirtschaft. Hier nur einige Beispiele:

Das Recht auf Enteignung von Landstrichen, unter
denen Braunkohle abgebaut werden kann

Recht auf Enteignung von Trassen für die Strom-
und Gasleitungen

Recht auf entschädigungsfreien Abbau von Bodenschätzen,
die den kommenden Generationen fehlen werden

Weitgehende Freistellung von der Haftpflicht bei
Atomunfällen

Weitgehende Freistellung von der Haftpflicht bei
Schäden aufgrund von Fehlern bei der Versorgung,
z.B. überhöhter Spannung, in den Allgemeinen
Versorgungsbedingungen

Polizeilicher Schutz statt Verbot von Atomtransporten

Militärischer Schutz der Versorgungswege (z.B.
durch die Bundesmarine am Horn von Afrika)

Einige dieser Privilegien stammen aus dem Jahr 1935. Damals ging es dem
Staat darum, eine leistungsfähige Rüstungsindustrie aufzubauen und dieser
genügend Energie zukommen zu lassen. Gleichzeitig mit den Privilegien wurde
eine strenge staatliche Kontrolle der Energieversorgungsunternehmen durch
ein mächtiges Reichswirtschaftsministerium eingeführt, welches eine Fülle
von Machtinstrumenten besaß und mit seiner Preisaufsicht darüber wachte,
dass die Versorgungsunternehmen nur einen "angemessenen Gewinn"
erwirtschafteten. Die staatliche Kontrolle wurde mit der Föderalisierung
nach Kriegsende gelockert und dann 1997 mit der Liberalisierung des
Strommarktes endgültig zerschlagen. Die Privilegien aber blieben erhalten.

Außerdem ging die technische Entwicklung weiter; z.B. die Abbaumethoden für
Braunkohle. So hatte Rheinbraun 1960 noch rund 21.000 Mitarbeiter und
förderte weniger als 80 Mio. Tonnen Braunkohle. Fünfunddreißig Jahre später
produzierte das Unternehmen, nachdem es sich von 9.000 Mitarbeitern getrennt
hatte, knapp 100 Mio Tonnen, also ein Viertel mehr.

Die so erzielten riesigen Einsparungen wurden nur zum kleinen Teil an die
Stromkunden weitergegeben, und seit wenigen Jahren steigen die Strompreise
sogar wieder. Die Gewinne der Stromversorger steigen noch schneller - in
schwindelnde Höhe.

Eine Erhöhung der Energiesteuern passt den Energieversorgern deshalb nicht
ins Geschäft. Das Wohlergehen des "kleinen Mannes" ist hier eher nebensächlich.

Von Moral kann bei alledem wohl kaum die Rede sein.
 
aus der Diskussion: Checkliste und Rentabilität von Photovoltaikanlagen
Autor (Datum des Eintrages): brokerbee  (19.01.05 19:32:36)
Beitrag: 17 von 26 (ID:15570869)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE