Fenster schließen  |  Fenster drucken

"Die Deutschen haben einen guten Gaumen"
Kaffee wird teurer - Aber der Illycaffè-Chef vertraut darauf, daß mehr Wert auf Qualität gelegt wird
Berlin - Die Deutschen müssen sich auf steigende Kaffeepreise einrichten. Erstmals seit 1998 sind die Importpreise für Kaffee wieder gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lagen sie 2004 im Schnitt um neun Prozent über dem Vorjahr. Die Verbraucher zahlten zwar im vergangenen Jahr noch fünf Prozent weniger für den Muntermacher als 2003. Die großen Kaffeeanbieter wie Kraft Foods (Jacobs), Melitta und Tchibo hatten zum Jahreswechsel aber angekündigt, die Preise pro Pfund Kaffee im Schnitt um etwa 70 Cent zu erhöhen. Ein Unternehmen, das sich bereits seit Jahren dem Trend zu niedrigen Preisen widersetzt ist Illycaffè. Der WELT sagt Unternehmenschef Andrea Illy, daß der Preis für ihn nur ein zweitrangiges Kriterium ist.


Die Welt: Illycaffè ist laut Stiftung Warentest der beste Espresso in Deutschland. Muß er deshalb mit 6,50 Euro fürs halbe Pfund gleich doppelt so teuer sein wie die Konkurrenzprodukte?


Andrea Illy: Seit mein Vater Francesco Illy 1934 unser Unternehmen gegründet hat, folgen wir zwei Prinzipien: erstens unserer Leidenschaft für ein exzellentes Produkt und zweitens dem ethischen Anspruch, langfristig Werte zu schaffen. Das geschieht durch Nachhaltigkeit, Transparenz und Wertschätzung der einzelnen Person. Der Preis ist für uns nur ein zweitrangiges Kriterium.


Die Welt: Für die Mehrheit der Verbraucher ist er aber das Wichtigste!


Illy: Qualität ist unser Unterscheidungsmerkmal zur Konkurrenz, dafür wird Illy geschätzt. Soviel ich weiß, sind wir die einzige Kaffeemarke, die nur ein Produkt, unsere Mischung aus 100-Prozent Arabica-Kaffeebohnen anbietet. Wir investieren viel, um sie ständig zu verbessern.


Die Welt: Und der Kaffeetrinker tut was für sein Gewissen. Sie garantieren faire Bedingungen für Ihre Produzenten in Brasilien, Indien, Kolumbien und Guatemala.


Illy: Wir kennen jedes unserer Kaffeefelder persönlich. Um unsere Forschungsergebnisse an die Kaffeebauern weiterzugeben, haben wir eine Universität eingerichtet. Sie erhalten ständig Feedback und wir vergeben Prämien für herausragende Ergebnisse. Wer die Standards erreicht, erhält von uns eine Abnahmegarantie.


Die Welt: Eine Verpflichtung, die eigentlich dem Prinzip der Globalisierung widerspricht.


Illy: Illycaffè hat in den vergangenen zehn Jahren sowohl Umsatz als auch Gewinn verdreifacht. Der Hauptgrund, warum Menschen Kaffee trinken, ist das Vergnügen am Aroma und der Genuß. Unsere Logik lautet: wer Genuß will, sucht das Produkt mit der höchsten Qualität und folglich wird unsere Marke belohnt.


Die Welt: Kaufen Kunden aus politischen Gründen Kaffee?


Illy: Das Gespür für Verantwortung ist in den vergangenen fünf Jahren in Europa gestiegen. Durch Kampagnen der Nichtregierungsorganisationen nach dem Verfall der Preise 2001 sind wir sensibilisiert für die Produktionsbedingungen in den ärmeren Ländern der Südhalbkugel. Aber diese Kaufargumente sind weniger entscheidend als die Qualität und der Preis. Der Konsument ändert nicht seine Gewohnheiten, nur weil er um die Probleme der Dritten Welt weiß.

Die Welt: Trinkt der Sohn eines Kaffeehändlers Tee?


Illy: Nein, ich trinke Kaffee. Höchsten sechs, mindestens vier Tassen Espresso am Tag.


Die Welt: Bei jungen Deutschen haben Cappuccino und "Latte to Go" den Filterkaffee abgelöst.


Illy: Wir investieren in den deutschen Markt und wachsen stetig. Die Deutschen haben traditionell einen guten Gaumen, in Europa sind sie dafür bekannt, die höchsten Ansprüche an die Qualität von Kaffee zu stellen. Vor zehn Jahren ist mit dem Preisverfall wegen schlechter Produkte auch der Kaffeekonsum zurückgegangen. Doch die Deutschen werden in Zukunft wieder guten Kaffee trinken wollen, das ist die Chance für Illy.


Die Welt: Bedeutet es das Ende des Filterkaffees?


Illy: Das Wachstum wird alle Sorten mit hoher Qualität beflügeln, und sich nicht auf die Espresso-Röstung beschränken. Illys Mischung ist richtig gemahlen auch für deutsche Kaffeemaschinen sehr gut geeignet.


Die Welt: Junge Italiener scheinen lieber löslichen Nescafé zu trinken.


Illy: Das war eine kurzfristige Reaktion bestimmter Jugendlicher auf die massive Werbung eines gewissen Unternehmens. Der Erfolg deutet aber nicht auf eine signifikante Veränderung des Marktes hin. Dieser ist in Italien so gesättigt, das sich nicht viel verändert.


Die Welt: Schon jetzt ist Illycaffè mit 40 000 Bars weltweit vertreten und erwirtschaften nur noch knapp die Hälfte des Umsatzes von 156 Mio. Euro innerhalb Italiens.


Illy: Unsere Zielgruppe sind die Qualitätsbewußten zwischen 24 und 40 Jahren. Weltweit formieren sich Liebhaber der guten Küche und des guten Weins zu einer neuen Zielgruppe. Das sind Menschen, die sich von gastronomischen Führern beraten lassen, in ausgewählte Restaurants gehen oder zu Hause aufwendig kochen. Zu diesem Trend passen wir sehr gut, als wirklich globale Marke, die mit dem gleichen Produkt, der gleichen Kommunikationsplattform und der gleichen Distribution in über 100 Länder exportiert wird.


Die Welt: Italiens Familienunternehmen haben Probleme, international mitzumischen, sagt der Unternehmerverband Ihres Landes.


Illy: Wir sind familiär, aber nicht herrschaftlich, das heißt wir vermeiden den "Padrone", der Entscheidungen nicht abtritt und den Nachwuchs ausbremst. Wir hatten aufgeklärte Eltern, die den Generationensprung 15 Jahre früher ermöglicht haben. Ich als Unternehmenschef habe mich mit Managern umgeben, die fähiger sind als ich. Unser großer Vorteil ist hingegen, daß wir langfristig investieren können. Ich bin nur der Familie Rechenschaft schuldig, die gemäß der Tradition langfristige Investitionen kurzfristigen vorzieht.


Das Gespräch führte Barbara Wörmann


Artikel erschienen am Di, 22. Februar 2005
 
aus der Diskussion: Meinungen zu Kaffee
Autor (Datum des Eintrages): Lintorfer  (22.02.05 06:44:08)
Beitrag: 7 von 1,406 (ID:15879574)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE