Fenster schließen  |  Fenster drucken



Experten streiten über Aussichten für Japans Aktien

Nur die Exportindustrie konnte bisher die Krise überwinden. Droht nun sogar eine neue Rezession?



Vor wenigen Wochen änderte Toyota den chinesischen Namen seines Allradwagens Prado. Aus "Badao" wurde "Puladu". Der Grund ist ebenso banal wie aufschlußreich. "Badao" bedeutet im Chinesischen auch "überwältigen". Das allein war vor dem Hintergrund der chinesisch-japanischen Geschichte schon problematisch. Doch als in einem Werbefilm dann Löwen, die für China stehen könnten, ehrerbietig vor dem Badao salutierten, schäumte das chinesische Publikum. Toyota mußte sich öffentlich entschuldigen und klein beigeben.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig der chinesische Markt für die japanischen Unternehmen inzwischen geworden ist. Der Boom im Land der Mitte ist einer der wesentlichen Gründe für die Erholung von Japans Wirtschaft in den vergangenen beiden Jahren. Ein großer Teil des Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt geht auf die Exportwirtschaft zurück.

Doch im letzten Quartal des vergangenen Jahres verlangsamte sich der Aufschwung deutlich. Die Wachstumsrate ging auf 0,8 Prozent zurück und wurde selbst von Finanzminister Tanigaki als "ein bißchen schlecht" bewertet. "Wir haben das beste in diesem Zyklus bereits gesehen", sagt daher Paul Sheard, Chefökonom für Asien bei Lehman Brothers. "Die exportgetriebene Erholung endet, bevor die Wirtschaft aus der Deflation entkommen ist." Er warnt daher: "Die Anleger sollten sich auf einen Abschwung einstellen."

Ganz anders sieht das Helmut Becker. "Wir sind in den vergangenen Jahren mehrmals durch eine Morgenröte getäuscht worden, die dann schnell wieder in der Finsternis verschwand", sagt der Professor für Wirtschaftspolitik an der Sophia Universität in der Hauptstadt Tokio. "Aber ich bin mir sicher: Diesmal ist die Krise vorbei."

Als wichtigsten Grund für seinen Optimismus nennt Becker die Reformen bei den japanischen Banken. "Sie haben ihre Bücher inzwischen so weit von den Lasten gereinigt, daß die Null-Zins-Politik der Notenbank nun erstmals auch in den Wirtschaftskreislauf einfließen kann", sagt er.

Dem hält Sheard jedoch die realen Zahlen entgegen. Danach sei noch keine Wende bei der Kreditvergabe zu erkennen. "Das Kreditvolumen fällt nach wie vor um rund 2,4 Prozent pro Jahr", sagt er.

Allerdings könnte die jüngste Megafusion in Japans Bankenwelt ein positives Signal sein. Die Mitsubishi-Tokyo-Bank will die angeschlagene UFJ-Holding übernehmen. Damit entstünde die nach ihrer Bilanzsumme von 1,5 Billionen Euro größte Bank der Welt.

Viele Fonds sind daher derzeit auch in Mitsubishi-Tokyo investiert. Beim Sirius Japan Opportunities, der auf Jahressicht die beste Performance aller Japan-Fonds zeigte, ist die Bank immerhin die viertgrößte Position.

Der zweite wichtige Faktor, der Becker so optimistisch macht, ist die Erholung am Immobilienmarkt. Das Platzen der Immobilienblase war Anfang der neunziger Jahre der Auslöser für die Dauerkrise der japanischen Wirtschaft. "Seit zwei Jahren steigen nun jedoch die Grundstückspreise in Tokio wieder", sagt er.

Dies erkennt auch Sheard an. "Aber in Osaka, der zweitwichtigsten Stadt nach Tokio, sinken die Preise nach wie vor um rund zehn Prozent jährlich", sagt er. "Der Preisverfall als makroökonomisches Phänomen ist noch nicht zu Ende", schließt er daraus. Becker dagegen: "Die Deflation ist ein Thema der Vergangenheit."

Beckers Meinung teilt immerhin die Mehrheit der Analysten. Sie gehen davon aus, daß die Wirtschaft die Krise überwunden hat, auch wenn noch nicht alle Konjunkturdaten dies belegen können. Sie sehen jetzt vor allem jene Branchen im Vorteil, die unter der Krise am stärksten gelitten hatten. So rät Naoki Kamiyama von Morgan Stanley: "Wir empfehlen Anlegern ihr Portfolio auf Aktien der Banken-, Immobilien- und Baubranche zu stützen, mit der Erwartung, daß die Wirtschaft die Deflation überwindet."

Gleichzeitig glaubt er, daß sich schon bald die Anlageschwerpunkte in Japan verschieben könnten, weg von den Nebenwerten und wieder hin zu den großen Industrieunternehmen. Als Beispiele für Firmen, die im Februar hinter dem Markt zurückgeblieben sind und bei einer solchen Wende Aussicht auf gute Kursgewinne hätten, nennt er das Internet- und Telekommunikationsunternehmen Softbank, den Einzelhändler Aeon, den Chemie- und Fertighaushersteller Sekisui und den Elektronikkonzern Hitachi.

Immerhin scheinen die ersten beiden Handelswochen im März den Optimisten recht zu geben. Der Nikkei 225, der maßgebliche Index der Tokioter Börse, legte deutlich zu und steht wieder kurz vor der Marke von 12 000 Punkten.

Und wenn Anleger diesen Erfolg begießen wollen, so ist das heute leichter als früher. "Die Flasche Dom Pérignon kostet in Tokio nur rund 80 Euro", berichtet Becker - eine Folge der Deflation.
 
aus der Diskussion: ■■■ TRADING-CAFÉ ● März 2005 ● Kalenderwoche 11 ■■■
Autor (Datum des Eintrages): HSM  (13.03.05 15:13:18)
Beitrag: 48 von 1,261 (ID:16078752)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE