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Weiter sollte sich SAP bei Retek nicht vorwagen

Einen erfahrenen Jäger unter Zugzwang zu setzen ist trickreich. Dennoch scheint SAP dieses Kunststück trotz der beschränkten Expertise mit Zukäufen geglückt zu sein.

Als die Walldorfer bei der Jagd auf die kleine US-Softwarefirma Retek vergangenen Donnerstag ihr Gebot unverhofft straff aufstockten, zugleich aber die Grenze bei 11 $ je Aktie absteckten, verfehlte das die Wirkung nicht - zumindest wenn beabsichtigt wurde, den Mitbieter Oracle zu einem Schnellschuss zu provozieren.

Allerdings wirkt Oracles hastige Gegenofferte von nunmehr 11,25 $ pro Retek-Aktie schon etwas seltsam. Nach SAPs Ursprungsgebot für den beiderseits begehrten Einzelhandels-Softwarespezialisten von 8,5 $. Ende Februar lag die jüngste Offerte der Walldorfer erheblich über dem Mehrwert, den die Analysten Retek zubilligen. Denn auch die Integration dieser vergleichsweise kleinen Firma wäre für SAP wohl aufwändiger als für die mittlerweile verdauungsgeübten Amerikaner, zumal die Retek-Software auf Oracle-Technologie aufsetzt. Jetzt aber werden die Amerikaner zudem die auf 25 Mio. $ erhöhte Abschlagszahlung übernehmen dürfen, auf die sich SAP mit der Retek-Führung für das etwaige Scheitern ihres Fusionsvertrags einigte. Denn da 84 Prozent des Kapitals bei institutionellen Anlegern liegen, werden die auch über den Zuschlag entscheiden.

Auch wenn die für Retek aufgebotenen Ressourcen für beide Jäger im Grunde bescheiden sind, zeigt Oracles Reaktion, wie dünn derweil die Nerven geworden sind. Schon während des Übernahmekampfes um Peoplesoft hat SAP in Übersee stetig Marktanteile gewonnen. Als die Walldorfer dann noch im Januar bei dem Peoplesoft-Zulieferer Tomorrow Now zum Zuge kamen, verschärfte sich der Wettkampf zusehends. Und mit Retek hätten die Walldorfer ihren Vorsprung gerade bei den interessanten Einzelhandelskunden weiter ausgebaut. Das konnte Oracle natürlich schwerlich schmecken, zumal man an dem langjährigen Partner schon ein Zehntel des Kapitals hält. Trotzdem ist der Markt für Softwarespezialisten so zersplittert, dass die Walldorfer noch genug Möglichkeiten haben, ihre Produktpalette über Zukäufe zu arrondieren - und das eben deutlich billiger als bei Retek.
Dagegen muss Oracle jetzt erklären, warum man bei einer Firma mit zuletzt 174 Mio. $ Umsatz für den 55fachen 2005er Gewinn inklusive der Vertragsstrafe zuschlägt.


 
aus der Diskussion: ■■■ TRADING-CAFÉ ● März 2005 ● Kalenderwoche 12 ■■■
Autor (Datum des Eintrages): HSM  (20.03.05 23:22:02)
Beitrag: 4 von 1,041 (ID:16143883)
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