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Devisenmarkt
Zum Euro gibt es keine Alternative


01. Juni 2005 Nach dem Scheitern der EU-Verfassung in Frankreich und der voraussichtlichen Ablehnung in den Niederlanden am Mittwoch, werden in Deutschland nun Gerüchte kolportiert, daß in Regierungs- und Finanzkreisen über ein mögliches Scheitern der Währungsunion diskutiert werde.


Bezug genommen wird dabei auf interne Vorlagen des Bundesfinanzministeriums, nach denen Deutschland durch den Euro seinen Realzins-Vorteil verloren habe und daher Wachstumseinbußen erleide.

„Da wird jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf getrieben”, schimpft Hans Günter Redeker, Chefstratege für den Währungsbereich bei der französischen Großbank BNP Paribas. Österreich sitze im selben Boot und sei in einer weit besseren Situation als Deutschland.

Lächerlich absurder Müll

Ein Hineintragen der Diskussion um den (Un-)Nutzen des Euro in die politische Landschaft Deutschlands ist vor allem Wasser auf die Mühlen der reformretardierenden Kräfte, die unter immer neuen Verweisen auf externe Ursachen die schmerzlichen Einschnitte in den Wohlstand der Wahlbürger vermeiden wollen. Trotz der Dementi aus dem Finanzministerium fragt sich, wie solche Papiere in die Hände des „Stern” gelangen konnten. Es liegt nahe, eine gezielte, wahlkampftaktische Indiskretion zu vermuten.

Dabei wird keine Rücksicht auf die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen genommen, die Perspektive geht bis zum Herbst. Denn was nützt ein Sündenbock, wenn man ihn am Ende nicht kreuzigt? Die Reaktionen auf die Diskussion sind jedenfalls geharnischt. Bundesbankpräsident Weber ließ durch einen Sprecher mitteilen, er beteilige sich nicht an einer derart absurden Diskussion. Eine Sprecherin von EU-Währungskommissar Joaquín Almunia ließ verlauten, der Bericht erschiene der Kommission „lächerlich”. Von der EZB hieß es, man sei nicht beteiligt gewesen und geben keinen Kommentar dazu. Sogar Finanzministert Hans Eichel ließ mitteilen, er dürfe sich nicht an einer solch absurden Diskussion beteiligen.

Ähnlich entsetzt reagieren Volkswirte. Die Debatte gehe an die Grenze der Seriosität, eine Auflösung der Wirtschafts- und Währungsunion sei „vollkommen unrealistisch". Händler wurden noch lauter: „Das ist absoluter Müll, den Euro wieder abschaffen zu wollen", heißt es laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters.

Historisch ohne Beispiel

Das Entsetzen hat seinen Grund. Denn die Folgen einer solchen Auflösung sind schwer abzuschätzen. Die meisten Ökonomen weigern sich sogar, darüber auch nur zu spekulieren. Vor allem aber, weil sie ein solches Ansinnen für Irrsinn halten. Historisch wäre es jedenfalls ohne Vergleich. Zwar gab es in Osteuropa in den letzten Jahrzehnten Auflösungen von Währungsverbünden in der Sowjetunion und Jugoslawien. Aber Rubel und Dinar einerseits und der der Euro andererseits sind in ihrer Bedeutung und vor allem im Grad ihrer Konvertibilität einfach nicht zu vergleichen. Ältere Vergleiche wie die Auflösung des Habsburgerreiches nach dem I. Weltkrieg halten ebensowenig auch nur annähernd Stand.

Es führt kein Weg daran vorbei, daß der Euro an den Kapitalmärkten eine Erfolgsgeschichte und heute mindestens die zweitwichtigste Währung der Welt ist. Die Konsequenzen einer Abschaffung würden die Welt, vor allem aber Europa erschüttern. Dem könnte sich ein wirtschaftlich starkes Deutschland schon nicht entziehen, noch viel weniger eine angeschlagene Nation.

Die D-Mark ist Vergangenheit

Nützen könnte der Ersatz des Euro durch eine nationale Währung letztlich nur einem Sektor wie der italienischen Exportindustrie, die sich den Herausforderungen der Globalisierung nicht gestellt hat, meint Redeker. In den früheren Hochinflationsländern wie Italien sei dabei im Fall der unwahrscheinlichen Fälle gleichzeitig mit einer Rückkehr der Inflation und einem enormen Anstieg der Refinanzierungskosten zu rechnen.

Die Relation zum Ausland könnte sich leicht auf frühere Werte verzehnfachen. Diejenigen Sektoren der Volkswirtschaft, die Inflationseffekte nicht durch den Wechselkurs abfangen können, würden mit dieser Last zu kämpfen haben. Die Folgen: chronische Inflation, chronischer Wechselkursverfall und steigende Arbeitslosigkeit.

Aber dieser Prozeß könnte nicht auf die früheren Hochinflationsländer beschränkt sein. Denn die Rückschau auf die D-Mark ist nostalgisch. Die D-Mark war nicht von Anfang an hart. Ihre Erfolgsgeschichte ist untrennbar verknüpft mit dem Wirtschaftswunder, von dem Deutschland heute so weit entfernt ist wie zuletzt in den 30er Jahren. Das Vertrauen in die alte D-Mark war erkämpft worden. Eine neue D-Mark als Resultat einer politischen Entscheidung gegen den offenen Welthandel und ein wirtschaftlich geeintes Europa, müßte mit der Hypothek eines denkbar geringen Vertrauens der internationalen Finanzmärkte fertig werden. Und 2005 (oder 2010) ist einfach nicht 1948. Konvertibel wurde die D-Mark erst 1952, als sie dafür reif war. Das war seinerzeit auch kein Problem, da der internationale Devisenverkehr viel stärker beschränkt war. Heute käme eine nicht konvertible Währung einer internationalen Bankrotterklärung gleich. Eine konvertible Währung würde dagegen unter heftigen Druck geraten, weil sie keinerlei Vertrauen an den Finanzmärkten besäße. Und gerade deswegen wäre es schwer dieses herzustellen.

Die Märkte glauben an den Euro

Eine Auflösung des Euro käme für Europa einer Katastrophe gleich. Das sehen die Devisenmärkte auch so. Die Ursache der Schwäche des Euro ist nicht darin zu sehen, daß die Devisenmärkte das Vertrauen in die Union verloren hätten. Das läßt sich nicht zuletzt daran ablesen, daß eine Reaktion auf das Referendum am Montag tendenziell ausblieb. Viele bedeutender für die Euroschwäche ist derzeit das Agieren der Hedge Fonds („Euro: Kurzfristig schwächer - mittelfristig stärker”), die bemüht sind, die Zinsdifferenz zwischen den Vereinigten Staaten und Europa auszunutzen.

Kurzfristig könnte sich die Situation weiter verschärfen. Denn in Amerika werden weitere Zinserhöhungen erwartet. Dagegen hat am Mittwoch hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Wachstumsprognose für die Eurozone von 1,6 auf 1,4 Prozent gesenkt, gleichzeitig aber ihre Inflationsprognose für 2005 auf 1,9 bis 2,1 Prozent heraufgesetzt. Daher ist eine Zinserhöhung in Europa nicht zu erwarten. Für 2006 und 2007 wurde die Inflationsprognose dagegen gesenkt. Es könnte also just dann zu Zinssenkungen in Europa kommen, wenn die amerikanische Notenbank auf eine Politik der Zinsstabilität einschwenkt. Das Zinsdifferential und der Druck auf den Euro bliebe so erhalten. Ob sich diese Situation verändert, hängt aber wesentlich von der amerikanischen und nicht der europäischen Wirtschaft und Politik ab.
 
aus der Diskussion: Eric Clapton - keiner kann es besser
Autor (Datum des Eintrages): nocherts  (02.06.05 07:47:26)
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