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Dax-Investoren kehren zurück
Gewinntrend der Firmen intakt - Warnung vor übertriebenen Erwartungen an Neuwahlen
von Jens Wiegmann

Berlin - Anleger, die die alte Börsenregel "Sell in May and go away" wörtlich genommen und sich von ihren Aktien getrennt haben, werden sich ärgern. Denn im Mai hat sich der Deutsche Aktienindex mit einem Plus von 6,6 Prozent gut entwickelt, vom Tiefstand Ende April bis zum neuen Jahreshoch am Mittwoch waren es sogar 7,5 Prozent - der Leitindex durchbrach gestern im Handelsverlauf die Marek von 4500 Punkten. Marktbeobachter geben sich vorsichtig optimistisch, daß sich das Börsenbarometer in den folgenden Quartalen ebenfalls positiv entwickelt. "Es besteht die Chance einer leichten Erholung", sagt Gerhard Schwarz, Aktienstratege bei der Hypo-Vereinsbank (HVB).


Am Mittwoch profitierten die deutschen Aktien von dem weiter nachgebenden Euro, der bis auf 1,22 Dollar fiel. Dieser Trend erfreut vor allem die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Zum anderen schichteten viele Anleger von Renten in Aktien um: Der Bund Future stieg gestern zeitweise auf neues Allzeithoch, die hohen Kurse und damit spiegelbildlich die niedrigen Renditen machen Staatsanleihen weniger attraktiv.


Dabei gibt es durchaus andere Faktoren, die für deutsche Aktien sprechen. So ist die Berichtssaison für das erste Quartal, die am Dienstag endete, deutlich besser gelaufen als erwartet. Die operativen Gewinne stiegen im Vergleich zum Vorjahresniveau um elf Prozent, die Nettogewinne um 21 Prozent, rechnen die Strategen der DZ Bank vor. "Die gute Gewinnentwicklung kann als Indiz dafür gesehen werden, daß gerade die großen deutschen Börsenwerte stärker von der expansiven Weltwirtschaft abhängig sind als vom heimischen Konjunkturumfeld." Für eine gewisse Ernüchterung sorgt allerdings ein Blick auf die Umsätze. Denn sie sind nicht im gleichen Maß gestiegen: Der Umsatzzuwachs betrug im ersten Quartal nur enttäuschende 1,7 Prozent. "Triebfeder der gestiegenen Gewinne waren daher im zurückliegenden Quartal erneut unterproportionale Kostensteigerungen", so die DZ-Bank-Strategen.


Einige Experten verweisen zudem auf die Aussicht auf mögliche Neuwahlen in Deutschland, um den Anstieg des Dax zu erklären. Andrea Schruff, Leiterin Portfoliomanagement bei der Weberbank, hält dies jedoch für wenig hilfreich. Zum einen hätten sich die Aktienmärkte weltweit positiv entwickelt. Außerdem sollten die Auswirkungen möglicher Neuwahlen nicht überbewertet werden, denn es sei ein langer Weg, bis sich dies an den Aktienmärkten bemerkbar machen könnte. "Vorschußlorbeeren sind nicht angebracht", sagt Schruff.


Ein Problem sind die schwachen fundamentalen Rahmendaten - die letzten Ifo- und die ZEW-Zahlen sowie der Reuters-Einkaufsmanagerindex vom Mittwoch sind schlecht ausgefallen. Die Frage sei jetzt in der Tat, wie sich der positive Gewinntrend mit den schwachen Frühindikatoren vertrage, sagt HVB-Stratege Schwarz. Dies sollte man jedoch nicht überbewerten, im Verarbeitenden Gewerbe sei es in erster Linie ein Lagerhaltungsproblem: Vor allem Unternehmen der Branchen Auto und Informationstechnologie/Chips wiesen in den vergangenen Monaten hohe Lagerbestände aus. Das Verarbeitende Gewerbe werde mit einer Anpassung der Produktion an die Nachfrage reagieren, so Schwarz: "Das wird voraussichtlich über die nächsten ein bis zwei Quartale erfolgen, ist aber nicht beunruhigend."



Für den Gesamtmarkt sei entscheidend, wie sich der Absatz entwickle. "Das Momentum wird sich in den folgenden Quartalen im Vergleich zum ersten Quartal verlangsamen", glaubt Schwarz. "Wir erwarten in diesem und im nächsten Jahr jeweils ein Gewinnwachstum für den Dax im hohen einstelligen Bereich." Insgesamt sei das Umfeld für das Wachstum zwar nicht berauschend. "Aber der Gewinntrend ist solide." Im zweiten Halbjahr sei zudem eine Aufhellung bei den Frühindikatoren möglich, was die Gewinnaussichten noch verbessern würde. Und letztlich spricht die niedrige Bewertung für die Aktien im Dax: Sie ist sowohl im historischen Durchschnitt als auch im Vergleich zu Renten sehr attraktiv.


Artikel erschienen am Do, 2. Juni 2005
 
aus der Diskussion: Eric Clapton - keiner kann es besser
Autor (Datum des Eintrages): nocherts  (02.06.05 07:49:18)
Beitrag: 50 von 211 (ID:16774238)
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