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Internationaler Finanzmarktbericht
Kopfschütteln in der Londoner City
Von Bettina Schulz, London


05. Juni 2005 Die City in London war nie begeistert von der Europäischen Währungsunion, und viele Banker und Analysten haben sich jahrelang die Finger wundgeschrieben, warum das Experiment des Euro scheitern werde. Aber seit Einführung der Währung herrscht Ruhe in der City.


Um so größer war das Kopfschütteln in der Londoner Finanzbranche vergangene Woche über die Kommentare und Reaktionen, die nach dem „Non” der Franzosen und dem „Nee” der Holländer in Kontinentaleuropa zu hören waren.

„Desaster des Euro”

Daß die Franzosen und Holländer die EU-Verfassung ablehnen würden, war wochenlang vorhergesagt worden, und jeder weiß, daß die politische Krise um die weitere Integration der Europäischen Union nicht den Fortbestand der Währungsunion gefährdet. Daß es dennoch zu Volatilität an den Finanzmärkten und einer Euro-Abschwächung in den Tagen nach den Abstimmungen kommen würde, war ebenso erwartet worden.

Merkwürdig hingegen waren Berichte, Finanzminister Hans Eichel und Bundesbankpräsident Axel Weber hätten mit Volkswirten Gespräche geführt, in denen ernsthaft ein mögliches Scheitern der Währungsunion erwähnt worden sei. Noch bizarrer war der Vorschlag des - allerdings sehr euroskeptischen und populistischen - italienischen Ministers Roberto Maroni, Italien solle doch aus dem „Desaster des Euro” austreten. Maroni mag an frühere Zeiten gedacht haben, als eine Abwertung der Lira ein beliebtes Mittel war, der italienischen Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Aber heute? „Absurd” und „unglaublich” lauteten die Kommentare dazu nicht nur in Finanzkreisen.

Fehlendes Selbstverständnis

Leider wird man sich in diesen Wochen auf mehr politische Bemerkungen gefaßt machen müssen. Ende der Woche tagen die Finanzminister und Notenbankchefs der G8 in London. Am Rande der Tagung könnte deutlich werden, wie verzwickt die Situation in der EU ist: Frankreich tendiert zu einer protektionistischen Haltung in der EU. Deutschland befindet sich mit der Kanzlerkandidatin Angela Merkel und dem Reformwillen der CDU auf dem entgegengesetzten Kurs.

Und die Briten, die bald den EU-Vorsitz übernehmen und nach einer Lösung suchen sollen, halten nicht viel von der weiteren Integration in der EU. Solange aber ausländische Investoren nicht klar sehen können, welches Selbstverständnis sich innerhalb der EU entwickelt, lastet dies auf dem Euro.

Hilfe für den Export

Aber vielleicht kommt dies nicht ungelegen. Nichts ist derzeit bequemer als ein sinkender Euro, der es der Europäischen Zentralbank (EZB) ermöglicht, eine Zinssenkung auf absehbare Zeit zu vermeiden. Vergangene Woche sackte die Einheitswährung auf knapp 1,23 Dollar und damit auf den niedrigsten Stand gegenüber dem Dollar seit acht Monaten.

Der niedrige Euro hilft dem Export und tut den Aktien gut, die trotz Kursverlusten am Freitag mit einem Plus von 2 Prozent im Dax die Woche abschlossen. Die Renditen an den Anleihemärkten fielen indessen auf ein Rekordtief: Am Freitag lag die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zeitweilig nur noch bei 3,21 Prozent.

EZB muß nicht handeln

Angesichts des schwächeren Euro scheint die EZB doch ihren Zinskurs leicht zu ändern. Auf der Pressekonferenz vergangene Woche wiederholte ihr Präsident Jean-Claude Trichet zumindest nicht, daß eine Zinssenkung ausgeschlossen sei, und er wiederholte auch nicht, daß der nächste Zinsschritt nur „nach oben” gehen könne. Dies haben mehrere Banken dahingehend interpretiert, daß die EZB einer Zinssenkung nicht mehr verschlossen gegenüberstehe, daß diese aber angesichts der Abwertung des Euro derzeit nicht notwendig sei.

Nach Schätzungen von CSFB entspricht die handelsgewichtete Abwertung des Euro seit März von mehr als vier Prozent in der Tat einem expansiven Zinsschritt von etwa 75 Basispunkten. Die EZB muß deshalb nicht handeln, sollten sich die wirtschaftlichen Daten nicht deutlich verschlechtern.

Ende der Zinserhöhungen?

Man fragt sich aber, ob nicht langsam alle negativen Daten, Abstimmungen und Emotionen im Wechselkurs des Euro verarbeitet sind und ob der Euro wieder drehen könnte. Bisher lag die Schwäche des Euro unter anderem an den amerikanischen Zinserhöhungen und dem immer höheren Renditeaufschlag für Anlagen am amerikanischen Markt.

Wenig Aufmerksamkeit wurde in der Aufregung um die EU-Abstimmung in der vergangenen Woche einer Rede des neuen Chefs der Notenbank von Dallas, Richard Fisher, geschenkt. Der betonte, daß nach der nächsten Zinserhöhung der Federal Reserve Ende Juni die Kette der Zinserhöhungen langsam auslaufen könnte.


Text: F.A.Z., 06.06.2005, Nr. 128 / Seite 22
Bildmaterial: picture-alliance/ dpa
 
aus der Diskussion: Eric Clapton - keiner kann es besser
Autor (Datum des Eintrages): nocherts  (05.06.05 23:11:00)
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