Fenster schließen  |  Fenster drucken

Hier ein Vorbericht zum Spiel Deutschland – Brasilien aus der Süddeutschen Zeitung.

Trotz der im Bericht mehrfach geäußerten Hoffnung auf eine müde brasilianische Mannschaft kann ich nicht sehen, dass da ein großer Vorteil für die deutsche Mannschaft wäre. Wenn ich mir anschaue welche Probleme die deutsche Mannschaft in den letzten 30 Minuten des Argentinien-Spiels hatte noch einmal aufs Tempo zu drücken.....

Ich persönlich tippe eher auf ein Weiterkommen der Brasilianer. Wie sind eure Tips? – Aber hier erst mal der Artikel:

Revolutionäre Euphorie

Die Lust am Spiel hat in der deutschen Auswahl die Sorgen vor dem Scheitern vertrieben.

Von Philipp Selldorf

Nürnberg – Es ist nicht so, dass Italiens täglich erscheinende Fußballfibel Gazzetta dello Sport kein Interesse am Clash der Kontinente hätte, zwei Korrespondenten berichten vom Konföderationen-Pokal des Weltverbandes. Allerdings kümmern sie sich dabei vor allem um die Auswirkungen des Wettbewerbs auf den „calcio mercato“, also das Transfergeschäft der Serie A, und um das Wohlergehen der eigenen Leute: Etwa um Dida und Kaka vom AC Mailand, Adriano von Inter und Emerson von Juventus.

Und die neuen deutschen Helden Podolski, Mertesacker, Huth? Reporter, die von den Deutschen etwas erzählen möchten, erfahren von ihrer Redaktion, dass dazu kein Verlangen besteht, und ähnlich ergeht es den Gesandten der spanischen Fachpresse: AS meldete gestern die Neuigkeiten des Confed-Cups auf Seite 26, noch hinter der U20-WM, und der einzige Deutsche, dem sich das Blatt ausführlich widmet, ist der angeklagte Schiedsrichter Robert Hoyzer. Mehr Würdigung erfährt das Turnier dafür in der Madrider Qualitätszeitung El Pais, die am Donnerstag eine Reportage mit dem Titel „Revolucion Klini“ veröffentlichte.

Jener Senor Klini ist der Bundestrainer Jürgen Klinsmann, der sich in seinem Land inzwischen einer revolutionären Euphorie ausgesetzt sieht, die sogar seinen eigenen Hang zur Begeisterung noch übertrifft. Deutschland sei „verknallt in diese Jungs“, behauptet zum Beispiel Bild im Rausch des Stimmungswandels, und der Kolumnist der Zeitung befiehlt streng: „Es steht keinem zu, an Jürgen zu zweifeln.“ Dieser Kolumnist weiß Bescheid, denn er steht seit Tagen in engem Kontakt mit Klinsmann – schließlich wohnen Franz Beckenbauer und der Bundestrainer im selben Hotel in Herzogenaurach. Ottmar Hitzfeld lebt zwar inzwischen in der Schweiz, der pausierende Meistercoach gelangt aber in seinem Beitrag für den kicker zu ähnlicher Anschauung: „Nun sind die Brasilianer fällig“, stellt er forsch fest, der Weltmeister wirke „angeschlagen“ – und die deutsche Elf hätte gegen Argentinien fast gewonnen.

Aber wer spricht noch von „fast“? Dass vor einigen Tagen die Ansicht verbreitet wurde, mit der als „Kinderriegel“ bezeichneten Abwehr keine Chance gegen südamerikanische Weltstars zu haben, davon ist nun keine Rede mehr. Um die Zweifel müssen sich die Betroffenen nunmehr selbst kümmern. Er sei zwar „schon ein bisschen nervös“, sagt Per Mertesacker vor dem Treff mit Brasiliens Angreifern Robinho und Adriano, der Innenverteidiger kennt jedoch ein Gegenmittel: „Ein wenig Video gucken“ – am besten von Brasiliens jüngsten Niederlagen gegen Argentinien (1:3) und Mexiko (0:1) –, „gut essen, gut schlafen. Dann wird’s gut ausgehen für uns.“ Mertesacker sagt übrigens, er könne bestens schlafen, und von anderen weiß man, dass sie nur deswegen nervös sind, weil sie sich so sehr auf die Partie freuen. Angreifer Lukas Podolski zum Beispiel, der beim 2:2 gegen Argentinien pausieren musste. „Lukas wird ungeduldig. Er will wieder spielen“, hat Teammanager Oliver Bierhoff beobachtet.

Dieser Confed-Cup erweist sich also durchaus wieder als Bestätigung der weltweit gefürchteten Losung, dass die deutschen Fußballer vom lieben Gott zur Turniermannschaft berufen worden sind – obwohl immer noch keiner den sportlichen Wert des Wettbewerbs zwischen Mini-WM und Fußballferienfüller bestimmen kann. Für die Gastgeber bleibt es jedenfalls eine Veranstaltung von höchstem Ernst, aber dieser Anspruch hat nun eine andere Qualität: Die Lust am Spiel hat die Sorgen vor dem Scheitern vertrieben. Beckenbauer gesteht, anfangs habe er sich quälen müssen, die deutsche Elf als Turniersieger zu tippen, nun meint er die nötige Überzeugung zu spüren. Offen spekuliert man mittlerweile im deutschen Lager darauf, eine brasilianische Mannschaft im fortgeschrittenen Erschöpfungszustand zu treffen. „Es wird schwer, aber wir glauben, dass wir eine Chance haben“, meint Bierhoff und beruft sich auf brasilianische Schwächen, über die man vor kurzem nur zu flüstern gewagt hätte: „Sie sind anfällig in der Abwehr und wirken ein bisschen müde.“

Und so zeichnet sich ab, dass Klinsmann durch seine Aufstellung mit beiden brasilianischen Eigenheiten kalkuliert. In der Defensive durch den Einbau von zwei Spielern vor der Abwehrkette, vermutlich Frings und Ernst; in der Offensive mit einem Quartett: Ballack im Zentrum, Podolski auf der linken Seite, Asamoah auf rechts und Kuranyi in der Angriffsmitte. Das Tor wird wieder von Jens Lehmann bewacht, dessen Duell mit Oliver Kahn den letzten Konflikt bedeutet, den es derzeit in der und um die deutsche Elf noch gibt. Wie Politiker haben beide zuletzt durch öffentliche Stellungnahmen für sich geworben, sorgfältig und etwas argwöhnisch beobachtet von der Teamleitung, weil sie mit Recht bei jedem Interview eine Gefahr für den Mannschaftsfrieden befürchtet. „Alles korrekt“, kann jedoch Bierhoff berichten und lobt das „respektvolle Verhalten“ von Kahn und Lehmann: „Sie haben sich toll verhalten.“ Klinis Revolution beglückt ihre Kinder.
 
aus der Diskussion: Wo steht der deutsche Fußball wirklich????
Autor (Datum des Eintrages): Freudenspender  (24.06.05 11:37:10)
Beitrag: 64 von 153 (ID:16986212)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE