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Im der neusten Ausgabe von DER SPIEGEL ist ein für uns sehr interessantes Interview mit Ferdinand Panik abgedruckt.
Nur zur Info: Dr. Panik ist nicht nur Projektleiter des DaimlerChrysler Konzerns in Sachen Brennstoffzelle, sondern auch Vorsitzender von XCELLSIS, (einer Allianz zwischen DaimlerChrysler, FORD und Ballard Power). Kompetenter geht es also nicht.
Übrigens gibt es noch zwei weitere Tochterunternehmen: Ecostar arbeitet an der Optimierung von Elektroantrieben und Ballard Automotive ist für die Vermarktung und den Vertrieb der Brennstoffzellen-Antriebe zuständig. Bei XCELLSIS wird aus den Einzelkomponenten ein perfektes Antriebssystem. Eine gut durchdachte Organisation mit einem eindeutigen Ziel: der Markteinführung.
Das nur dazu.

Das Interview (Heft 36, S. 168)

SPIEGEL: Herr Professor Panik, Sie entwickeln Autos, in denen trinkbares Wasser aus dem Auspuff dampft. Werden wir in 20 Jahren ohne schlechtes Gewissen Auto fahren können?
Panik: Mit der Brennstoffzelle kann das Zeitalter einer nachhaltigen Mobilität entstehen, in dem vom Autoverkehr wirklich keine Schadstoffe mehr ausgehen. Energie würde mit deutlich höheren Wirkungsgraden umgesetzt.
SPIEGEL: Hat das Auto als Hassobjekt Nummer eins aller Ökologen ausgedient?
Panik: Ja, wir investieren heute in eine Technologie, bei der tatsächlich nur reines Wasser entsteht. Trinken würde ich es aber nicht. Zumindest nicht in größeren Mengen. Denn es ist chemisch reines Wasser. Für den Körper fehlen da die notwendigen Mineralien.
SPIEGEL: Woran merkt der Fahrer, dass er einen ökologisch korrekten Wagen steuert?
Panik: Das Brennstoffzellen-Fahrzeug beschleunigt mit seinem Elektromotor ohne Verzögerung aus dem Stand. Und das bei einem hohen Drehmoment. Außerdem hat der Motor einen großen Drehzahlbereich, so dass der Wagen ohne Getriebe auskommt. Vor allem aber ist er leise, weil die Brennstoffzelle kein Geräusch produziert. Die Technik ist wesentlich unkomplizierter als beim Verbrennungsmotor mit seinen Kolben, Ventilen, der Nocken- und der Kurbelwelle. Das verschafft der Brennstoffzelle bei Service und Lebensdauer einen eindeutigen Vorteil.
SPIEGEL: Bleibt beim Aussehen noch alles beim Alten?
Panik: So wie der erste Verbrennungsmotor auf eine Pferdekutsche montiert war und die Kutsche sich dann langsam zu einem Fahrzeug entwickelt hat, wird auch die Brennstoffzelle wegen ihrer anderen Eigenschaften neue Fahrzeuge hervorbringen. Wir haben bei unserem Brennstoffzellen-Bus zum Beispiel schon Radnabenmotoren, das heißt Motoren, die nicht in den Achsen integriert sind, sondern in den Rädern. Deshalb brauchen wir keinen wuchtigen Motor mehr, von dem die Kraft auf die Räder übertragen werden muss. Die Brennstoffzelle als Energiequelle könnte dezentral kleine Motoren versorgen, die wir völlig neu im Wagen verteilen können.
SPIEGEL: Wieso kommt man erst jetzt auf solche verlockenden Ideen? William Grove hat die Brennstoffzelle 1839 erfunden.
Panik: Die Technik erlebte erst wieder in den sechziger Jahren durch die Luft- und Raumfahrt eine Renaissance. Die Astronauten brauchten in ihrer Kapsel eine Energieversorgung, und sie brauchten Wasser. Da war die Brennstoffzelle eine ideale Kombination.
SPIEGEL: Einer der Chefentwickler von General Motors, Peter Hanenberger, sieht im Brennstoffzellen-Auto gar einen Technologiesprung wie einst von der Dampfmaschine zum Ottomotor.
Panik: Ich vergleiche die Innovation der Brennstoffzelle eher mit der Computerentwicklung. Unsere Informations- und Kommunikationstechnologie ist im Umbruch, weg von großen zentralen Rechnern, hin zu dezentralen, kleinen Einheiten. Jetzt schaffen wir auch eine dezentrale Energiewelt, und das Auto steht im Mittelpunkt: Es wird nicht mehr nur Transportmittel, sondern Energieerzeuger sein. Mit Ihrem Brennstoffzellen-Auto haben Sie gleichzeitig ein mobiles Kraftwerk gekauft, das Ihnen beispielsweise 75 Kilowatt Energie liefert. Im Haus verbrauchen Sie aber nur 3 bis 10 Kilowatt. Wenn wir all die Kraftwerke zusammenschalten würden, die auf den Straßen rollen, dann hätten Wir 20-mal mehr Energie installiert, als wir für den Hausgebrauch benötigen. Ich kann mir eine Welt vorstellen, mit einer Art EnergieInternet. Es besteht aus BrennstoffzellenAutos, die miteinander verschaltet sind.
SPIEGEL: Ihr Konkurrent BMW teilt diese Visionen offenbar nicht. Dort experimentieren die Forscher zwar auch mit Wasserstoff, der soll aber in einem klassischen Hubkolbenmotor verbrennen.
Panik: Nach unseren Berechnungen erzielt Wasserstoff in der Brennstoffzelle einen doppelt so hohen Wirkungsgrad wie im Verbrennungsmotor. Bei unserem Prototypen Necar 4 liegt er bei über 37 Prozent, der Hubkolbenmotor dürfte es auf 19 bis 20 Prozent bringen.
SPIEGEL: Ein Problem haben BMW und DaimlerChrysler gemeinsam: Es muss genügend Wasserstoff her, und das aus regenerativen Quellen. Wenn Sie ihn mit Strom aus dem Kohlekraftwerk produzieren, wird die Atmosphäre nach wie vor mit dem Treibhausgas Kohlendioxid belastet. Die Umwelt hätte nichts gewonnen.
Panik: Wir werden anfangs Probleme haben, genug regenerativen Wasserstoff bereitzustellen. Wir haben trotzdem den Vorteil, keine Schadstoffe mehr im Verkehr zu verursachen. Regenerativer Wasserstoff wird nur für den Flottenverkehr reichen, etwa Stadtbusse. Für den Individualverkehr setzen wir auf Methanol, das in einem kleinen Reformer an Bord in Wasserstoff umgewandelt wird. Methanol ist flüssig. Das Tankstellennetz kann kostengünstig umgerüstet werden. Heute lässt sich Methanol aus dem bei der Ölförderung anfallenden Erdgas gewinnen. Erste Modellanlagen stellen den Stoff aus Abfällen her. Später ist denkbar, ihn aus Biomasse wie Holz und Algen zu gewinnen.
SPIEGEL: Werden wir dann die von kühnen Umweltaktivisten prophezeiten Solar-Produktionsanlagen in der Sahara oder riesige Windparks in der Nordsee erleben?
Panik: Nein, Voltaik in der Wüste ist mir ein zu großes, ungewisses Projekt. Windkraft halte ich da schon für besser. Optimal wäre die Wasserkraft, mit der ich sauberen Strom produziere und dann elektrolytisch Wasserstoff herstelle.
SPIEGEL: Warum sollten Fahrzeug.- und Energieindustrie umsatteln, wo es Öl und Erdgas auf viele Jahrzehnte gibt?
Panik: Wir sollten uns in diesem Jahrhundert auf eine regenerative Kraftstoffquelle vorbereiten. Sie können jetzt sagen: Fossile Energie hält noch loo Jahre. Da haben Sie Recht, aber wir werden sie nicht loo Jahre derart billig haben. Beispiel Öl: Zum heutigen Preis werden wir es nur noch lo bis 15 Jahre lang kaufen können.
SPIEGEL: Sie waren sieben Jahre Entwicklungschef von Mercedes Benz do Brasil und wissen deshalb, dass der Siegeszug des Ottomotors sich auch in den Entwicklungsländern fortsetzt. Weltweit fahren 5oo Millionen Autos damit. Welcher Hersteller hat den Mut, dieses System abzuschaffen?
Panik: Das unternehmerische Risiko ist größer, es andere tun zu lassen - und dann selbst zu spät aufzuwachen. Derzeit herrscht ein harter Wettbewerb, welcher Konzern die wichtigen Patente einreicht. Wer diesen Wettlauf verliert, muss später viel Geld für Lizenzen ausgeben, um Brennstoffzellen-Autos zu bauen. Das ist eine existenzielle Frage für die Konzerne.
SPIEGEL: Wie stellt sich denn DaimlerChrysler die Einführung des Brennstoffzellen-Autos vor?
Panik: Bereits in vier Jahren müssen wir ein erstes marktfähiges Fahrzeug entwickelt haben. 2010 nehmen wir die Produktion in großen Stückzahlen auf.
SPIEGEL: Sie sind Jahrgang 1942. Werden Sie noch erleben, dass mit Ihrer Technologie in ganz Deutschland gefahren wird?
Panik: Die Markteinführung hoffe ich noch während meiner Berufsjahre zu erleben. Nehmen wir die statistische Lebenserwartung, dann würde ich nach optimistischen Szenarien im Jahr 2020 noch sehen, wie 20 Prozent aller Autos in Deutschland mit der Brennstoffzelle fahren.
SPIEGEL: Ist das Brennstoffzellen-Auto dann noch immer ein kostspieliges Prestigeobjekt für ökologisch engagierte Neureiche?
Panik: Schon 2010 soll es, über seine gesamte Lebensdauer betrachtet, nicht mehr kosten als ein Dieselmotor. Wir setzen nicht auf eine Nischenanwendung, sondern auf den Massenmarkt.
SPIEGEL: Wenn neue Technologien in Serie gehen, dann meistens über die Luxusklasse. Hat eine Brennstoffzelle genug Mumm, eine große Limousine anzutreiben?
Panik: Die Brennstoffzelle in unserem Omnibus produziert 25o Kilowatt. Das würde auch für eine S-Klasse reichen. Aber noch ist dieser Antrieb zu groß. Um wettbewerbsfähig zu werden, müssen wir die gleiche Leistungsdichte anstreben, wie sie auch heute ein Verbrennungsmotor besitzt.
SPIEGEL: Reicht Ihre Öko-Technik auch für ein archaisches Power-Auto?
Panik: Denken Sie mal daran, was Ihre Kollegen um 1900 gesagt haben: "Können Sie sich vorstellen, ohne ein richtiges Pferd am Zügel durch die Gegend zu fahren?" Ähnlich argumentieren auch meine Skeptiker. Ich kann mir zwar auch nicht vorstellen, dass wir die Formel 1 auf Brennstoffzelle umstellen. Für Sportwagen reicht sie sehr wohl aus. Außerdem könnten wir im Auto der Zukunft Wohnkomfort dazugewinnen: einen Internet-Anschluss, einen Kühlschrank, eine Mikrowelle für die Pizza und eine Kaffeemaschine.
SPIEGEL: Herr Professor Panik, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Ich finde, diese Zeilen sprechen für sich.

An 192w-us (übrigens willkommen in einem Thread, in dem noch niemand gesteinigt wurde)
Kannst Du nun inetwa nachvollziehen, was hier ansteht?
Bedenke auch: Es geht hier lediglich um die BZ im Automobil. Kein Wort ist über eine der vielen anderen Anwendungsmöglichkeiten gefallen.

MfG
 
aus der Diskussion: Ballard Power - Realistische Zukunftsperspektiven Nr. 4
Autor (Datum des Eintrages): subkutan  (06.09.00 14:56:58)
Beitrag: 8 von 407 (ID:1759710)
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