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# 33 krauts
Vom Fortschritt profitieren fast nur die Industriellen, denn woher denkst du, kommen die jährlichen Gewinnsteigerungen.
sämtlicher Reichtum, der sich z.B. in den Industrieanlagen eines Unternehmens darstellt, ist damit logischerweise letztlich der kumulierte Profit aus den erwirtschaftete Leistung aller Arbeitenden, der nicht ausbezahlt worden ist.




Heute habe ich durch einen Zufall die letzte Sendung einer nochinteressanten Sendereihe mitbekommen, über die ich im Netz folgendes gefunden habe:

Vom 31. Juli bis zum 28. August strahlte der Deutschlandfunk an fünf Sonntagen eine Sendereihe mit dem Titel «Ende der Politik?» aus.

Im Vorspann der Sendung hiess es: «Die Demokratie war von Anbeginn an die eigentliche Basis des auf die Zukunft gerichteten Projekts der Moderne. Nur wenn es den Menschen gelänge, die eigenen Angelegenheiten selbst in die Hände zu nehmen und mittels demokratischer Institutionen zum Gegenstand eines gesellschaftlichen Interessenausgleichs zu machen, wäre Fortschritt überhaupt denkbar.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist diese Hoffnung nahezu verflogen. Die politische Sphäre der westlichen Demokratien sieht sich einem doppelten Erosionsprozess ausgesetzt. Zum einen haben viele den Glauben verloren, dass politisches Engagement einen substantiellen Beitrag zur Lösung ihrer individuellen Probleme leisten kann, und sind überzeugt, dass die Politik das eigentliche Problem sei. Zum anderen können die Politiker objektiv die in sie gesetzten Erwartungen immer weniger erfüllen, und die Politik hat einen schleichenden Machtverlust erlitten. Am Ende stehen sich in der Mediendemokratie apathische Wähler und sich voluntaristisch selbst inszenierende Politiker gegenüber.»

Zwar kamen in der Sendereihe selbst vor allem elitär denkende Marxisten und Neomarxisten (Richard Sennett, Elmar Altvater, Claus Offe) zu Wort. Nichtsdestoweniger wurden wichtige Punkte angesprochen.
In der Tat ist es so, dass vieles in der deutschen Demokratie nicht in Ordnung ist, wenn man die realen Verhältnisse mit den Grundlagen der Demokratie vergleicht. Ist es doch deren wesentliche Grundlage, von der gleichen Würde und den gleichen Rechten aller Menschen auszugehen. Ist nicht die Forderung nach Demokratie Ausdruck eines Menschenbildes, das den Gedanken individueller Selbstbestimmung und individueller Verantwortlichkeit mit dem Gedanken gemeinschaftlicher Diskussion und Entscheidung aller öffentlichen Angelegenheiten verbindet? Res publica, res populi!

Deshalb ist es gut, wenn sich jeder vor Ereignissen wie den bevorstehenden Bundestagswahlen nicht nur fragt, welchem Kandidaten und welcher Partei er seine Stimme geben soll, sondern auch, in welchem politischen Zustand sich das eigene Land befindet. Da kann man zum Beispiel beobachten:

· Keine der kandidierenden Parteien mit Aussicht auf Bundestagsmandate ist glaubwürdig. Vor allem die Spitzenkandidaten der Parteien sind Personen, die in den vergangenen Jahren gezeigt haben, dass ihnen nicht zu trauen ist.

· Alle diese Parteien haben sich derzeit auf die Globalisierung festgelegt und damit auf eine Entmündigung der Menschen, die in überschaubaren politischen Einheiten leben. Die Politiker selbst haben trotz vieler Warnungen die Dämme gegen die Flut des Weltkapitals geöffnet, für deren Folgen die Bürger die Zeche zahlen müssen.

· An die Stelle einer sauberen Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle ist eine zunehmende Gewaltenverschränkung getreten. Eine dem Volk nicht mehr verpflichtete Oligarchie aus Politik, Wirtschaft, Medien und Militärs ist zur Instanz im Hintergrund der Staatsgewalten geworden. Obwohl das deutsche Grundgesetz alle staatliche Gewalt an Verfassung und Recht bindet, kann heute unwidersprochen kommentiert werden, es sei nicht mehr sinnvoll, alle politischen Entscheidungen am bestehenden Recht zu messen (so der Deutschlandfunk lobend nach dem verfassungswidrigen Entscheid des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit der vorzeitigen Neuwahlen).

· Die Leitmedien sind in überwiegendem Masse mit der Oligarchie eng verbunden. Allein die Tatsache, dass zu den zentralen politischen Themen in den Hauptbeiträgen fast ausnahmslos Parteipolitiker oder den Parteien nahestehende sogenannte Experten zu Wort kommen, macht viele Medienbeiträge zu einem Parteiensprachrohr, von dem sich viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr vertreten fühlen.

· Direktdemokratische Alternativen werden (so in manchen Bundesländern) einfach ignoriert, durch enorme Hürden enorm erschwert und auf Bundesebene bislang sogar verweigert.

Weitere Punkte wären hinzuzufügen. Aber schon allein diese Punkte sind alarmierend.

Aber: Weil die Demokratie kein Luxus ist und der Einsatz für die Demokratie ein fundamentaler Ausdruck für ein Bewusstsein von der eigenen Würde und der Würde seiner Mitmenschen, allein schon deshalb ist es unerträglich, bei solchen Analysen stehenzubleiben oder mit einem Rückzug ins Private gleichgültig oder ratlos den Kopf in den Sand zu stecken - oder gar abzuwarten, bis alles immer noch schlimmer wird, und der Unmut der Menschen wieder einmal missbraucht werden kann.

Wo aber ansetzen, um der Idee der Demokratie wieder zur Geltung zu verhelfen? Hier gibt es nicht nur eine richtige Antwort. Hier gibt es auch kein Patentrezept. Nachdenken aber kann man zum Beispiel über folgende Punkte:

· Wo gibt es unter den gegebenen Bedingungen noch demokratische Rechte, die ich sinnvoll wahrnehmen kann? Zum Beispiel: Ich sage meine Meinung; ich schliesse mich mit anderen zusammen, um sich gemeinsam zu informieren, zu diskutieren und öffentlich zu äussern … Die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit sind Grund- und Menschenrechte.

· Wo gibt es noch Politiker, die ein offenes Ohr für die Idee der Demokratie haben? Auch unter den Politikern gibt es Menschen, die mit den genannten Entwicklungen nicht einverstanden sind und sich mehr bemerkbar machen würden, wenn sie mehr Rückhalt unter den Bürgern hätten. Gibt es noch Politiker, die in existentiellen Sachfragen (zum Beispiel Krieg und Frieden) einen grösseren Gestaltungsraum der Bürgerinnen und Bürger zulassen?

· Vor allem aber: Wie sieht es mit meinem Bewusstsein für meine und die Würde meiner Mitmenschen aus? Wenn ich dieses Bewusstsein stärken kann, bei mir selbst und bei anderen, lege ich einen entscheidenden Grundstein dafür, dass die Idee der Demokratie weiterlebt; dass Menschen sich nicht damit abfinden, unter undemokratischen Verhältnissen leben zu müssen; dass Menschen nach Wegen suchen, einen würdigen Weg hin zur Demokratie zu finden.

Bewusstsein für Würde ist das sichere Wissen um den hohen, absoluten, angeborenen und unveräusserlichen Wert eines jeden Menschen. Mit diesem Bewusstsein wächst die Empörung über eine unwürdige Politik und der Wille, «die eigenen Angelegenheiten selbst in die Hände zu nehmen».
Artikel 2: Zeit-Fragen Nr.34 vom 29.8.2005
 
aus der Diskussion: Frau Mergel, Herr Schröter: Worum es wirklich geht in dieser West-Welt...
Autor (Datum des Eintrages): tenochtitlan  (05.09.05 06:09:59)
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