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Will zwar deinen Thread nicht verhunzen, aber nix geht über "...die Göttliche..."

Als "Göttliche" ist Greta Garbo unvergessen. Anlässlich des 100. Geburtstages des Filmstars präsentiert das Schwule Museum in Berlin die Garbo als Homosexuellen-Ikone - eine Annährung an einen Mythos und an eine Frau, die nicht nur Männer liebten.

Erst einmal sind da diese Augen: groß, durch schier endlose Augenbrauen verlängert, leuchtend, aber auch seltsam entrückt, unwirklich - vielbeschrieben und dennoch unergründlich. Wie Greta Garbo selbst. Die Garbo, die Große, die Göttliche. Ihre Augen haben zeitlebens Blicke auf sich gezogen, nicht nur von Männern. Frauen liebten sie, und auch sie soll die Frauen geliebt haben. Ihre Freundin Mercedes de Acosta etwa, mit der ihr eine lesbische Liaison nachgesagt wird. Bestätigt wurde die jedoch nie. Eindeutige Liebesbriefe etwa finden sich weder in Garbos noch in de Acostas Nachlass.

Die Frage, ob Greta Garbo tatsächlich lesbisch oder zumindest bisexuell war, kann und will auch eine Hommage im Berliner Schwulen Museum zu Greta Garbos 100. Geburtstag (18. September) nicht beantworten. Denn die 1990 verstorbene Schauspielerin war nicht einfach eine Frau, sie ist ein Mythos. Um diesen Mythos ranken sich viele Gerüchte. Biographen überschlagen sich im Auffinden versteckter Hinweise. Etwa, dass Greta Garbo es geliebt habe, in Hosen zu spielen und am liebsten einmal in die Haut des Dorian Gray geschlüpft wäre.

Dazu kam es natürlich nie. Das Maskuline der Rolle hätte sich nicht mit dem Image des Superweibs vertragen, zu dem die Studios die Garbo stetig aufgebaut hatten. In die Garbo-Gerüchteküche gehört auch ihre angebliche Zugehörigkeit zum sogenannten "knitting circle", zum "Nähkränzchen" lesbischer Hollywoodgrößen, dem auch Marlene Dietrich angehört haben soll. Wenn man Gerüchten glaubt, war Hollywood in den dreißiger Jahren ein großes Lesbentreffen. Aber Gerüchte sind mit Vorsicht zu genießen.

"Inbegriff lesbischer Sehnsüchte"

Was macht die Garbo abseits von Ondits und Biographiesplittern zu einer Ikone für Lesben und Schwule? "Das hängt vordergründig sicher auch damit zusammen, dass es in den dreißiger Jahren so wenig lesbische Vorbilder im Kino und in der Öffentlichkeit gab", meint Wolfgang Theis, Kurator der Ausstellung im Schwulen Museum. Wenn es sie gab, dann nur verschlüsselt, etwa als Blutsauger. "Viel mehr gab es da nicht", sagt Theis, "nicht zuletzt darum wurde Greta Garbo zum Inbegriff lesbischer Sehnsüchte."

Greta Garbo hat ihre Zeitgenossen aufgeregt, sie war erotisch, mondän, die Sünde schlechthin - eine glamouröse Frauengestalt, aber auch eine merkwürdig gebrochene, uneindeutige: männerverschlingender Vamp einerseits, breitschultrige, athletische Maskulinität andererseits. Und die Garbo war eine, die wusste, was sie wollte: Lange Zeit war sie die einzige Frau, die den Studiobossen diktierte, was sie für richtig hielt. Um fünf Uhr ging sie nach Hause, schließlich hatte sie Feierabend, das stand in ihrem Vertrag. Bestimmte Dinge machte sie einfach nicht mit und war dennoch die bestbezahlte Frau am Set.

Zur Ikone der Lesben machte sie spätestens eine Filmszene: Als "Königin Christine" - in Männerkleidern - umarmt und küsst sie ihre Hofdame. Ein kurzer Filmkuss mit starker Wirkung: Auf lesbischer Wunschliste steht der Film aus dem Jahre 1933 seitdem ganz oben.

"Der Mythos verschwindet langsam"

In den Ausstellungsräumen am Berliner Mehringdamm läuft er in Endlosschleife auf einem kleinen Monitor. Beim Gang durch die kleine, aber feine Schau fühlt man sich ständig beobachtet. Von ihr, der Garbo. Ihre rätselhaften Augen schauen von Filmplakaten und Titelseiten hinab, aus Filmausschnitten hinaus und scheinen immer wieder aus zahllosen großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien herauszuspringen.

Dokumentiert werden die Anfänge der Garbo in Stockholm und Berlin, ihr Aufstieg im Stummfilm, ihre Erfolge im Tonfilm und schließlich ihre Mythisierung zu einem der prägenden Gesichter des Films im 20. Jahrhundert. Zwar kommen ihre angeblichen Liebhaber und Liebhaberinnen zu Wort, dafür fehlt leider Hintergründiges zur besonderen Lebenssituation von Lesben und Schwulen zur Zeit Garbos.

Das filmische Werk der Garbo wird spannungsreich mit biographischen Splittern in Beziehung gesetzt. Kurator Theis will damit auch gegen das Vergessen angehen: "Der Mythos verschwindet langsam. Für heutige junge Lesben und Schwule verkörpert die Garbo nicht mehr das, was sie für diejenigen bedeutet hat, die in den Dreißigern unter staatlicher Verfolgung gelitten und sich nach dem Hohen, Hehren, Schönen gesehnt haben." Eine Garbo kann es heute nicht mehr geben. "Dieses geschlossene, statuarische Frauenbild existiert nicht mehr", sagt Theis, "Gottseidank", setzt er lächelnd hinzu.

"Sie lässt uns rätseln"

Dennoch, das Geheimnis der Greta Garbo fasziniert weiterhin, auch den schwulen Filmemacher und Ausstellungsbesucher Rosa von Praunheim: "Der Typ, den die Garbo verkörpert hat, ist sicher aus der Mode. Aber dieses Strenge, Kühle, Geheimnisvolle, Unerreichbare hat doch immer noch große erotische Anziehung. Auch für Männer. Sehr raffiniert. Sie lässt uns rätseln, setzt Phantasie frei." Nicht zuletzt sei die Garbo auch ein Kunstprodukt: "Die Menschen um sie herum, Regisseure, Fotografen, Kameraleute, Beleuchter haben aus ihr einen Typ kreiert. Ich glaube, im Grunde könnte jeder von uns genauso begehrenswert und geheimnisvoll erscheinen. Vielleicht sogar ich, wenn man mich richtig beleuchtet." Praunheim ist sich sicher: "Hinter dieser Fassade versteckte sich mit Sicherheit eine ganz andere Person. Das war die Tragik der Garbo. Sie wurde in eine Rolle gedrängt, die sie gar nicht wollte, die ihr unangenehm war."

Und so will auch die Ausstellung den Gerüchten um die Garbo auch kein Neues hinzufügen. Sie spekuliert nicht, sondern bleibt beim Dokumentierten. Der Garbo hätte diese Hommage dennoch nicht gefallen. Wie kaum eine andere Schauspielerin hat sie zeitlebens Wert darauf gelegt, ihr Privatleben vor neugierigen Blicken zu schützen und sich schließlich, mit 36 Jahren, ganz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zu einem Lesbischsein hätte sie sich nie bekannt. Kurator Theis wundert das nicht: "Sie hat sich nie zu etwas bekannt. Man weiß bei ihr nie, woran man ist. Ist sie nun die große Naive oder die schweigsame Intellektuelle? Die Garbo ist eine große Projektionsfläche für alle möglichen Wünsche und Bedürfnisse, fast ein hohles Gefäß. Sie bleibt merkwürdig unfassbar." Ein Mythos legt sich nicht fest.

Je länger er sich mit der Garbo beschäftigt habe, desto verschwommener sei das Bild geworden, so Theis. Mythen lassen sich nicht erklären. Ikonen noch weniger. Nur eines steht fest: an ihren Füßen kann es nicht liegen. Denn die Garbo hatte zu große. Sagt man. Und liest man immer wieder in den Ausstellungstexten. In New York warb in den dreißiger Jahren gar ein Geschäft mit dem Slogan: Wir haben für jeden Fuß den passenden Schuh, selbst für die Garbo. Die schaltete ihren Rechtsanwalt ein und gewann den einzigen Prozess, den sie je führte. Am Set soll die großfüßige Garbo gerne ihre Filzpantoffeln angelassen haben und manches Mal ängstlich in schlechtem Englisch gefragt haben: "Is the feet in?".

Ein kleiner Makel kann eine Ikone nicht vom Sockel stürzen. Aber er kann sie ein wenig erden.
 
aus der Diskussion: Zsa Zsa Gabor
Autor (Datum des Eintrages): bertthx  (15.09.05 13:01:47)
Beitrag: 5 von 46 (ID:17906832)
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