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Die Profis können`s auch nicht besser

Aktienfonds, die sich auf Neuemissionen spezialisieren, sind selten attraktiv

Von Markus Balser

Als Ende Juli das Freiburger Biotechnologieunternehmen Genescan an die Börse ging, hielt es den Vorstand nicht auf dem Parkett. Beseelt vom Kurssprung am ersten Handelstag, kletterte die Führungsriege zum Ritt auf die Bullen-Plastik vor der Frankfurter Wertpapierbörse. Um mehr als 100 Prozent hatte die erste Notiz am Neuen Markt den Ausgabepreis der Genescan-Aktie übertroffen. Viele Kleinanleger machten dagegen lange Gesichter: Weil es pro Aktie 13 Interessenten gegeben hatte, waren sie gar nicht erst zum Zug gekommen.
Bei der Jagd nach erfolgreichen Neuemissionen gehen Kleinanleger regelmäßig leer aus. Institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften werden in der Regel bevorzugt. Den Frust der Hobbyaktionäre versuchen Investmentgesellschaften mittlerweile für sich zu nutzen - mit Fonds, die sich auf Neuemissionen, so genannte Initial Public Offerings (IPOs), konzentrieren. Auf den ersten Blick ein attraktives Angebot: Private sollen von den Vorteilen der institutionellen Anleger beim Poker um junge Aktien profitieren. Außerdem könnten sie sich bei der Aktienauswahl auf das Urteil erfahrener Investoren verlassen, versprechen die Fonds.
"In Neuemissionen steckt viel Fantasie", weiß Kerstan von Schlotheim, Fondsmanager der Commerzbank-Tochter Adig Investment. Nachdem spätestens der Börsengang der Siemens-Tochter Infineon im März aus einem Volk braver Sparer mutige Investoren machte, wollte Adig auf der Neuemissionswelle oben mitschwimmen und gründete den Fonds Global New Stocks. "Da lockt die Aussicht auf Zeichnungsgewinne und attraktive Wertsteigerung", sagt Schlotheim.
Häufig müssen die Fonds auch alte Aktien kaufen
Experten halten die markigen Versprechen allerdings für wenig mehr als eine gute Marketingstrategie. "Das Risiko eines Fonds, der viele Neuemissionen zeichnet, ist derzeit hoch", warnt Anlagestrategin Solvig Hopf, Leiterin der Gruppe "Neuer Markt" im Privatkunden-Bereich der Deutschen Bank. Hohe Zeichnungsgewinne sind längst nicht mehr garantiert. Zu häufig mischen sich unter die Gewinner auch Flops mit hohen Verlusten. "Zwar bringen Banken heute nicht mehr jedes Unternehmen an die Börse", weiß Hopf. Trotzdem schafften derzeit noch zu viele schwache Titel den Sprung aufs Parkett.
Entsprechend schwer tun sich Fondsmanager, mit jungen Aktien systematisch hohe Gewinne einzufahren. Die Wertentwicklung fällt oft ernüchternd aus. Zu den bekanntesten Jägern von Neuemissionen zählt der Gontard & Metallbank-IPO-Fonds UI, den die Fondsgesellschaft Universal Investment verwaltet. Seit März 1998 legte der Fonds zwar um gut 150 Prozent zu, blieb damit aber hinter dem Nemax-All-Share zurück - dem Index aller am Neuen Markt vertretenen Titel: Dieser stieg im gleichen Zeitraum um 250 Prozent, der IPO-Index der Deutschen Bank gar um 650 Prozent. "Ein Plus von nur 150 Prozent - ein miserables Ergebnis für den Fonds", findet Markus Straub von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK).
Ein Grund für die magere Performance: Selbst die Profis gehen bei der Jagd nach Neuemissionen oft leer aus. "Fondsmanager bekommen natürlich nicht alle Börsenneulinge, die sie haben wollen", sagt Stefan Kopf von der Gontard & Metallbank. Weil fast jeder Manager vielversprechende Neuemissionen in sein Kalkül einbezieht, ist die Konkurrenz groß. Deshalb müssen Fonds einen Großteil ihres Portfolios in Aktien investieren, die schon auf dem Markt gehandelt werden.
Bei der DG-Bank, einer der führenden Konsortialbanken für den Börsengang von Unternehmen in Deutschland, bestehen Vorbehalte gegen Absahner unter den Fonds. "Wir versuchen die Anteilsscheine der Emittenten zwar über möglichst viele Anbieter zu streuen", erklärt Kay Steffen, Leiter der Abteilung Equity Capital Markets. Dabei bekämen aber vor allem Investoren mit einem langfristigen Anlagehorizont den Zuschlag.
Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre sieht eine weitere Gefahr: "Die Versuchung für Banken ist groß, erfolglose Börsengänge aus dem eigenen Haus in dem Fonds zu parken", vermutet SdK-Sprecher Straub. So brachte die Gontard & Metallbank im Februar das Softwareunternehmen Com Telco federführend an die Börse. Der IPO-Fonds der Bank zeichnete die jungen Aktien. Nach der Neuemission zu 18 Euro und einem Kurshoch von 22 Euro setzte der Aktienkurs zum freien Fall an. Jedoch: Statt die Zeichnungsgewinne zu realisieren und alle Aktien zu verkaufen, sahen die Fondsmanager dem Kursverfall zu.
Um trotz der schlechten Zuteilungschancen künftig von Neuemissionen profitieren zu können, denken Fondsgesellschaften nun um. Adig-Manager Kerstan von Schlotheim bastelt an einem neuen Konzept. Sein Fonds soll häufiger vor dem Börsengang in junge Firmen investieren. Begleitet man Unternehmen selbst an die Börse, umgeht man damit lästige Probleme mit den Zuteilungsquoten, so die neue Strategie. Einziger Haken: Mehr als zehn Prozent ihres Anlagevolumens dürfen Fonds nicht in Unternehmen investieren, die noch keine Börsenzulassung haben. So will es der Gesetzgeber.
(c) DIE ZEIT 38/2000
 
aus der Diskussion: Börsenguru`s
Autor (Datum des Eintrages): Bischoff  (14.09.00 22:26:07)
Beitrag: 46 von 150 (ID:1833571)
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