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Focus.de

L E K T R O N I S C H E S P A P I E R

Goodbye Gutenberg

Ultraflache, elektronische Displays sollen in den nächsten Jahren nicht nur bedrucktes Papier ersetzen. Wissenschaftler versprechen: Auch neuartige Computer-Monitore, Auto-Instrumente und Hinweistafeln sind mit dem so genannten E-Paper zu niedrigen Kosten machbar.

Elektronisches Papier:
Farbdisplays als Poster an der Wand

Der Wettlauf der Hersteller:
Die erste Rolle E-Paper ist schon produziert
Die Technik: Elektronisches Farbspiel
Visionen der Forscher: Displays in fast jeder Größe
Elektronische Bücher: Die nächste Generation

Der Kosten-Vorteil: Niedriger Produktionsaufwand


Folker Lück/ee


Schöne neue Welt: Zeitungen enden nicht mehr als Altpapier, sondern werden nach Bedarf mit neuem Inhalt geladen. Auf wandgroßen
Plakaten wird heute ein Rembrandt-Gemälde abgebildet, morgen ein
Landschaftsfoto und zwischendurch pünktlich um 20 Uhr die Tagesschau
. Statt einer zwanzigbändigen Enzyklopädie blättert man in einem
in Sekundenschnelle von A bis B oder von X bis Z. Auf Fingerdruck
erhält der Leser anschauliche Erläuterungen in Form eines kurzen Videofilms.
Das sind keine Zukunftsvisionen. Elektronisches „Papier" macht`s
heute schon möglich. Erste, fertige Produkte werden bereits in den USA
verkauft. Ihr Einsatzgebiet sind derzeit noch Supermärkte, Flughäfen und
Bahnhöfe. Hier konkurriert das ultraflache E-Paper bereits mit
Anzeigetafeln auf LCD-Basis, die nicht nur teuerer, sondern auch
empfindlicher sind. Elektronische Bücher und Zeitungen dürften in
spätestens drei bis fünf Jahren marktreif sein. Und in fünf bis zehn
Jahren, versprechen die Wissenschaftler, gibt es bereits hochauflösende
Farbdisplays, die wie ein Poster an die Wand gehängt oder sogar
zusammengerollt werden können. Die Basis soll in allen Fällene elektronische Tinte bilden.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern sich derzeit IBM, Xerox und Lucent, ein
Netzwerk-Spezialist, der mit der kleinen Startup-Company E-Ink Corporation kooperiert. Der amerikanische Kopierer-Riese Xerox hat schon die erste Rolle E-Paper produzieren lassen. Hersteller ist 3M, bekannt durch die bunten „Post it!"-Klebezettel. Noch handelt es sich
allerdings um eine unerschwinglich teure Vorserien-Version.

E-Ink ist einen Schritt weiter und verkauft sein E-Paper bereits unter
dem Produktnamen „Immedia". Erstes Einsatzgebiet: Hinweis- und
Werbetafeln. Wer in den USA einen Laden der Drogeriemarktkette J. C.
Penney betritt, kann die neue Technik bereits bestaunen. Der große Vorteil
für die Drogerie: Statt landesweit ständig neue Plakate mit den aktuellen
Sonderangeboten aufhängen zu müssen, können die neuartigen Tafeln von
einem Zentralrechner per Knopfdruck neu geladen werden. Der
besondere Clou: Einmal mit neuem Inhalt gefüllt, verbrauchen die Tafeln
keinerlei Energie! An der kleinen Firma E-Ink mit Sitz in Cambridge bei
Boston sind neben Lucent der Handy-Riese Motorola und die deutsche Veba beteiligt.


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Die neuartige E-Paper-Technologie ist gleichermaßen genial wie einfach
und basiert auf Farbpigmenten. Was der Mensch als gedruckten Text
wahrnimmt, sind in Wirklichkeit unzählige, jeweils 250 Mikrometer winzige
Kapseln, gefüllt mit Farbstoff. Schwache elektrische Impulse sorgen bei
der einfachsten Kapsel-Variante dafür, dass sich diese dreht und entweder
die Farbe Schwarz oder Weiß nach oben zeigt.


Der Grundbestandteil des E-Paper: „elektronische Tinte"
Das Trägermaterial ist lediglich zweieinhalb Mal dicker als herkömmliches
Zeitungspapier, sieht aus und fühlt sich an wie beschichtetes Papier.
„Unser Ziel ist es, einen papierähnlichen Film zu produzieren, der genauso
flexibel und leicht zu lesen ist wie Tinte auf Papier", sagt Pierre Wiltzius,
Forscher an Lucent`s Bell Laboratories.

Nach dem heutigen Stand lassen sich auf Papier dieser Machart Buchstaben und Grafiken mit einer Auflösung von etwa 100 Bildpunkten pro Inch (dpi) darstellen – gut geeignet für ein Werbeplakat im Supermarkt,
aber noch nicht ausreichend für eine Zeitungsseite. Zum Vergleich: Ein
durchschnittlicher Laserdrucker schafft 600 Bildpunkte, ein Photodrucker
bis zu 1440 Bildpunkte pro Inch.


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Unter Hochdruck arbeiten die Spezialisten namhafter Forschungszentren
wie dem Massachusetts Institut of Technology (MIT) in Boston oder dem
Palo Alto Research Center (PARC) im kalifornischen Silicon Valley an
elektronischem Papier. Kein Wunder: Hinter den Forschungsarbeiten steht
die geballte Finanzmacht der Riesen Lucent, Xerox oder IBM. Entwickler
arbeitet, macht seinem Arbeitgeber den Mund wässrig: „Die Stärke
unseres zukünftigen Produktes ist seine absolute Flexibilität. Die
Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten lässt sich heute noch gar nicht einschätzen."

Dem stimmt auch der deutsche Wissenschaftler Dr. Friedrich Georg
Schmidt zu, der als Projektleiter der am E-Ink-Projekt beteiligten
Veba-Tochterfirma Creavis arbeitet. „Die jetzt bereits erhältlichen
Hinweistafeln aus E-Paper entsprechen etwa dem Forschungsstand vor
einem halben Jahr. Für hochauflösende Farbdisplays brauchen wir noch
fünf Jahre", verspricht der Forscher. Sollte er mit dieser Prognose Recht
behalten, könnte das Ergebnis das Leben in den kommenden Jahren stark
verändern: „Der gigantische Vorteil ist, dass wir mit der elektronischen
Tinte ein Display in nahezu jeder Form und Größe herstellen
können", erläutert Schmidt seine Vision. Selbst ein Rollo-artiger Bildschirm
oder eine Anzeige im Lack eines Autos seien machbar.


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Neben Anzeigetafeln aus E-Paper sollen bald neuartige, elektronische
Bücher folgen. Zwar sind elektronische Bücher schon seit vergangenem
Jahr erhältlich, ein Verkaufsschlager sind sie bisher aber nicht gerade. Das
Problem: Die heutigen E-Books ähneln eher einem Handheld-PC wie
dem Palm. Zum Lesen muss auf dem Graustufen-Display per Knopfdruck
nach unten gescrollt werden.

Die nächste Modellgeneration, sagen die zukünftigen Hersteller, soll den
konventionellen Büchern zum Verwechseln ähnlich sein. Im E-Book
der zweiten Generation kann der Leser ganz normal umblättern. Die Seiten
sind leuchtend weiß, die Buchstaben schwarz. Selbst einen kleinen Knick
soll das hochmoderne elektronische Papier nicht übel nehmen.

Schon jetzt arbeitet E-Ink mit dem strategischen Partner Lucent an dieser
zweiten Modellgeneration. E-Ink will in weniger als einem Jahr einen
Prototyp vorstellen. In drei bis fünf Jahren will die Firma bereits das fertige
Produkt einschließlich Zubehör wie Smart-Cards verkaufen.

Auch bei Xerox und 3M tut sich etwas: Mit ihrem Produkt Gyricon
(zusammengesetzt aus „gyro", griechisch für rotieren, und „icon", englisch
für Symbol) scheinen die Amerikaner jetzt in den Startlöchern zu stehen,
doch noch hüllt man sich offiziell in Schweigen. Erste konkrete Ergebnisse
sollen aber möglicherweise im Mai auf der weltgrößten Druckerei-Messe
DRUPA in Düsseldorf zu sehen sein.


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Wer heute einen TFT-Flachbildschirm kaufen möchte, muss tief in die
Tasche greifen. Unter 1500 Mark ist bislang kaum etwas zu machen. Der
Grund dafür liegt in den Kosten für die Einrichtung einer Halbleiterfabrik zur
Produktion von TFT-Displays: Stolze zwei Milliarden Mark müssen dafür
eingesetzt werden.

Für die Zukunftstechnologie E-Paper sind die anstehenden
Investitionskosten wesentlich geringer. Nach Prognosen der Firma
E-Ink soll der Aufbau einer Fabrik lediglich zwei Millionen Mark kosten.
Falls die Vorhersagen der Forscher stimmen, könnte die Zeitung aus
elektronischem Papier dann für einen einmaligen Betrag zwischen
zwei und zwanzig Mark zu haben sein. Ohne
Abnutzungserscheinungen ließe sich die Elektro-Zeitung mehrere tausend Mal neu aufladen.




Und falls E-Paper in einigen Jahren die Bildqualität heutiger Computer-Monitore tatsächlich erreicht, dürfte ein ultraleichtes, ultradünnes und sogar biegsames Display ebenfalls für wesentlich weniger Geld als heutige Flachdisplays zu haben sein.



6. Juli 1998 (ek)

"Elektronisches Papier", eine Technologie, die die
Vorteile von Flachbildschirmen und Druckerfarbe auf
Papier vereint, kommt in Kürze aus dem
Versuchslabor heraus, um in Feldversuchen getestet
zu werden. Russ Wilcox, Präsident der
Entwicklefirma E-Ink, kündigte für 1999 ein
Testprodukt mit niedriger Auflösung an, ohne daß
das besondere Papier jedoch kommerziell eingesetzt
werden soll.


Mikroskopischer Blick auf das "elektronische Papier":
Die schwarze Seite der Farbkapsel zeigt nach oben, die
weiße ist vom Betrachter abgewendet.


Das "elektronische Papier" funktioniert, indem
kleinste Farbkapseln mit mindestens zwei Farben -
etwa Schwarz und Weiß - auf einer Papierfläche je
nach elektrischer Ladung an einer einzelnen Stelle mit
der einen oder der anderen Seite nach oben zeigen.
Die Lage jeder Kapsel soll sich individuell bestimmen
lassen. Alle Punkte ergeben wie die Pixel eines PC-Bildschirms
dann das Gesamtbild.

Einmal erzeugt, kommt das Druckbild ohne
elektrischen Strom aus. Es flackert nicht und läßt sich
innerhalb von Minuten durch ein neues Muster
elektrischer Ladungen ersetzen. Wegen der anfangs
geringen Auflösung ist zunächst an den Einsatz bei
Werbeplakaten gedacht, mit zunehmender Reife sind
Zeitungen oder Bücher aus dem Stoff denkbar.
"Verglichen mit Leuchtdioden-Displays ist unser
Material billiger, dünner und sieht besser aus", sagte
Wilcox.




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07/99


Xerox will Display-Technologie revolutionieren /
Marktreife des Produkts offenbar in weiter Ferne

Die Xerox-Corporation hat
ein Produktionsabkommen
mit 3M unterzeichnet, um sein
"Electronic Paper" zur
Marktreife zu führen. Es
handelt sich um ein neuartiges
elektronisches Display, das
nur wenig dicker als
konventionelles Papier, aber in etwa genauso flexibel und
wiederbeschreibbar sein soll.

Xerox sieht als Anwendungsmöglichkeit insbesondere den
Bereich Online-Tageszeitungen. Es sei damit denkbar,
Schlagzeilen zu aktualisieren, noch während der Leser die Seite
betrachtet, sagt Bob Sprague, Manager des Document
Hardware-Labors bei Xerox. Die in vierjähriger Forschungsarbeit in
Palo Alto entwickelte Innovation basiert auf der
"Gyricon"-Technologie. Tonerähnliche Partikel werden dabei durch
elektronische Aufladung für die Darstellung von Schrift und Grafik
benutzt.

Nach Angaben von Sprague ist noch nicht absehbar, wann
"Electronic Paper" tatsächlich den Weg in den Massenmarkt
findet. Xerox arbeite zwar auf Kooperationen mit
Hardware-Herstellern und Content-Produzenten hin, vor 2001 sei
aber in keinem Fall mit konkreten Resultaten zu erschwinglichen
Preisen zu rechnen. Dafür müßte der Herstellungsprozeß
zunächst noch "erheblich optimiert" werden. (ar)


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10/99


Lucent und E Ink entwickeln
elektronisches Papier


Lucent Technologies und E Ink kündigten an, gemeinsam dafür
sorgen zu wollen, dass eBooks und Zeitungen in naher Zukunft
auf elektronischem Papier in Form von faltbaren Plastikbögen
erscheinen. Die beiden Unternehmen wollen damit das erste
flexible, elektronische Plastik-Display entwickeln, dessen
Herstellung dem Druck von Tinte auf Papier mehr ähnelt als die
teuere Herstellung von Silizium-Chips.

Die Technologie führt damit zu ultradünnen, leichen Displays,
die in Zukünftigen Generationen von Mobiltelefonen und PDAs
Verwendung finden könnten.

Das Schlüsselelement des elektronischen Papiers wird der
Plastik Transistor sein, der in Lucents Bell Labs entwickelt
wurde, sowie E Inks elektronische Tinte. Die Transistoren
sorgen durch elektrische Felder für eine Änderung der
Tintenfarbe, wodurch Bilder entstehen. Lucent und E Ink
wollen die Plastik Transistoren auf flexible Plastik Filme,
überzogen mit elektronischer Tinte, auftragen.

An einem ähnlichen Projekt arbeitet auch Xerox, die im Juni
ankündigten, zusammen mit 3M zu produzieren, man sucht
aber noch nach einem geeigneten Produktionsprozess für die
Massenfertigung.

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Nr. 33/1999









Das digitale Tintenfass

Wer bringt als erster elektronisches Papier auf den
Markt? Der Wettlauf hat begonnen Von Ludwig Siegele



Der große blaue Bottich könnte in jedem Keller stehen. Die
kleine Metallscheibe, die darin rotiert, ähnelt einer
Kreissäge. Und die beiden dünnen Röhren, die in die Achse
der Scheibe führen, scheinen einem alten Campingkocher
entnommen. Wie Feinmechanik wirkt die Apparatur nicht
gerade, die im Untergeschoss des Xerox Palo Alto Research
Center (Parc) steht, des berühmten Forschungsinstituts der
Kopiererfirma im Silicon Valley. Aber sie produziert extrem
kleine Plastikperlen, die eine Hälfte schwarz, die andere
weiß.

Mit der Maschine hat Xerox auch gute Chancen, ein
Wettrennen zu gewinnen, das derzeit ein Dutzend Firmen
weltweit austragen: als erste elektronisches Papier auf den
Markt zu bringen - ein Material, das biegsam und billig ist
wie Papier, aber doch immer wieder beschrieben werden
kann wie ein Computerbildschirm.

Die meisten dieser Unternehmen arbeiten unter strengster
Geheimhaltung. Einige lassen sich zumindest teilweise in
die Karten schauen, vor allem Xerox und das amerikanische
Jungunternehmen E-Ink. E-Ink hat auch bereits einen
Prototypen enthüllt: ein Poster in einem Kaufhaus im
amerikanischen Bundesstaat Massachusetts, das aktuelle
Sonderangebote und andere Informationen anzeigt.

Für Nicholas Sheridon ist das freilich nur geschickte PR.
Der Parc-Forscher ist davon überzeugt, dass seine Firma
das Rennen machen wird. Aber ein bisschen ärgert ihn der
scheinbare Vorsprung der Konkurrenz schon. Denn die Idee
für elektronisches Papier hatte er bereits 1978. Damals
wollten die Xerox-Oberen, dass er sich anderen Dingen
widmet. Erst seit ein paar Jahren beschäftigt er sich wieder
mit Gyricon, wie er die Technik nennt. Der Name verrät das
Prinzip: "Gyro" kommt aus dem Griechischen und steht für
rotieren. Sheridons "Papier" ist eine Folie aus transparentem
Silikon-Gummi mit Millionen von winzigen, ölgefüllten
Hohlräumen, in denen jeweils ein schwarz-weißes
Kügelchen steckt. Weil ihre Hälften unterschiedlich stark
positiv geladen sind, drehen sie sich wie Kompassnadeln,
wenn sie in elektrische Felder geraten.

Werden diese Felder gezielt angelegt, etwa durch ein Netz
von kleinen Elektroden, lässt sich ein Bild auf die Folie
zaubern: An bestimmten Stellen zeigen die schwarzen
Hälften nach oben, an anderen die weißen. Die Kügelchen
verharren in ihrer Position, selbst wenn die Felder
verschwinden. Elektronisches Papier braucht also nur
Strom, wenn es etwas Neues anzeigen soll.

Noch trickreicher ist die Herstellung der Schreibfolie, vor
allem die billige und massenhafte Produktion der Kügelchen.
Nach mehreren vergeblichen Anläufen erfand Sheridon die
Apparatur mit der Metallscheibe: Während diese mit 3000
Umdrehungen pro Minute rotiert, wird geschmolzenes
weißes Plastik auf ihre obere Seite und schwarzes auf die
untere gepumpt. Die Zentrifugalkraft treibt die beiden Stoffe
an den Rand der Scheibe, wo sie sich zu Kügelchen
zusammenschließen, die dann wegfliegen und in der Luft
trocknen.

MIT-Forscher arbeiten schon am "letzten Buch"

Ebenso erstaunlich ist, wie Sheridon seine Perlen verpackt.
Zunächst mischt er sie mit geschmolzenem Silikon-Gummi,
durchsichtig wie Fensterglas, und schneidet die getrocknete
Mixtur in dünne Folien. Diese lässt er dann in Öl aufquellen.
Dabei bilden sich Hohlräume um die Kügelchen, in die das
Öl eindringt.

"Das Silikon zieht sich nicht mehr zusammen, wenn Sie es
dann aus dem Öl nehmen und waschen", erklärt Sheridon
und zeigt stolz ein Blatt seines Papiers vor. Fettig fühlt es
sich tatsächlich nicht an, eher wie eine etwas dickere
Lackfolie. Unter der Lupe sind die winzigen schwarz-weißen
Kügelchen deutlich zu sehen, dünn wie ein menschliches
Haar.

Und sie drehen sich tatsächlich. Auf einem tellergroßen
Display in Sheridons Labor erscheint und verschwindet das
Xerox-Logo. Zwar lassen Kontrast und Auflösung noch zu
wünschen übrig. Aber der Forscher versichert, schon weiter
zu sein - Genaues darf er nicht verraten. Bald will er die
Qualität von Zeitungspapier erreichen. Für farbige Bilder
habe er ebenfalls bereits eine Lösung parat.

Wird er mit seiner Technik den Wettkampf gewinnen und als
erster mit elektronischem Papier auf den Markt kommen?
Ende Juni verkündete Xerox, es werde Gyricon gemeinsam
mit dem Folienkonzern 3M herstellen und vermarkten.
Konkurrent E-Ink scheint aber mindestens ebenso weit. Und
setzt dabei auf eine ähnliche Technik: winzige, mit einer
schwarzen Flüssigkeit gefüllte Kapseln, in denen weiße
Farbpigmente schwimmen. Elektrische Felder können diese
Pigmente anziehen oder abstoßen und so eine Kapsel
entweder schwarz oder weiß erscheinen lassen. Ein weiterer
Unterschied des Verfahrens: Die Kapseln werden nicht in
Silikon eingebettet, sondern mit einem Lack vermischt, der
sich auf viele verschiedene Oberflächen auftragen lässt.

Die Technik, an der Forscher in den legendären Bell Labs
arbeiten, scheint dagegen noch lange nicht serienreif. Sie
regen ein aus Salzwasserbakterien gewonnenes Protein mit
elektrischen Feldern dazu an, entweder lila oder gelb zu
erscheinen. Der große Nachteil dieses Ansatzes bisher: Mit
weniger als 4000 Volt reagiert die Substanz nicht, was das
Lesen zu einem wahrhaft elektrisierenden Erlebnis machen
würde.

Wer auch immer das Rennen macht - dem Gewinner winkt
ein großer Preis. Der Computerkonzern Hewlett-Packard
schätzt, dass Kopierer, Faxmaschinen und Drucker allein in
den Vereinigten Staaten im Jahre 1996 über 860 Milliarden
Seiten ausgespuckt haben. Das Unternehmen, das auch nur
einen kleinen Teil dieses Marktes erobert, macht ein
Riesengeschäft.

Die neue Technik wird wohl zunächst in Supermärkten
auftauchen - in Form von Schildern, die sich auf Knopfdruck
ändern lassen. Und als nächstes dürfte die Technik den
Stromverbrauch von Laptops oder anderen tragbaren
Kleinrechnern stark senken. Sheridon hat sich aber schon
ausgedacht, wie ein Papierersatz aussehen könnte: ein
stiftähnliches, mit Elektronik und Elektroden voll gestopftes
Gerät, das Leser flach über ein Blatt des Plastikpapiers
führen, auf dem dann der Text erscheint. Mehr als zwanzig
Bücher, die er sich per Funk aus dem Netz zieht, soll dieser
High-Tech-Stift speichern können und weniger als hundert
Dollar kosten.

Genauso ambitioniert ist ein Projekt des Media Lab am
Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit dem Titel
Das letzte Buch. Dort entwickelt Joseph Jacobson, der auch
E-Ink wissenschaftlich berät, ein Buch mit elektronischem
Papier - das sich auf Knopfdruck in jedes nur erdenkliche
Werk verwandeln kann. Die nötige Elektronik soll im
Buchrücken untergebracht werden, der auch die Verbindung
zu einer Netzbibliothek hält.

Kommt mit der Technik dann endlich auch das papierlose
Büro? Wohl kaum. Sheridon erwartet, dass Verbraucher
seine Folie vor allem für jene Texte verwenden, die sie heute
nur für den kurzen Gebrauch ausdrucken, etwa eine E-Mail
oder den Entwurf eines Briefes. Aber seinen Arbeitgeber will
er damit offenbar nicht in den Bankrott treiben: "Wenn Sie
etwas aufheben wollen, können Sie davon ja eine Kopie
machen."


© beim Autor/DIE ZEIT 1999 Nr. 33
All rights reserved.

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Elektronisches Papier, drahtlose Netze, Biochips: In Zukunft eine
unbegrenzt vernetzte Welt

Eine atemberaubende Vision für das 21. Jahrhundert - Durch einen Händedruck die digitale Visitenkarte austauschen

Von Christoph Dernbach

"Solange man die Wespen nicht mit dem Bildschirm erschlagen kann, wird es die Zeitung aus Papier geben." Der Spruch von Stuttgarts ehemaligen
Oberbürgermeister Manfred Rommel könnte schon bald ad absurdum geführt werden: Gut ein Dutzend Firmen rund um den Globus arbeiten intensiv
daran, elektronisches Papier ("E-Paper") auf den Markt zu bringen.



Das Archivbild zeigt Nick Sheridon (rechts), den Erfinder des elektronischen Papiers, und Fereshteh Lesani, die zusammen ein mehrere Meter
langes Stück E-Papier in Händen halten. Gut ein Dutzend Firmen rund um den Globus arbeiten intensiv daran, elektronisches Papier ("E-Paper") auf
den Markt zu bringen.

Es soll sich wie normales Papier anfühlen und so aussehen, in Wirklichkeit aber ein wiederbeschreibbarer Computerbildschirm sein. Das digitale Papier gehört zu den
Zukunftstechnologien, die den Alltag der Menschen in den kommenden Jahren grundlegend ändern könnten.

Verfahren funktioniert bereits heute

Eine Variante des elektronischen Papiers wurde im legendären kalifornischen Forschungslabor Xerox Parc entwickelt. Sie besteht aus einem transparentem, 0,2
Millimeter dünnen Silikon-Gummi, das mit Millionen winzigen Kügelchen gefüllt ist. Die schwarz-weißen Bällchen schwimmen in ölgefüllten Hohlräumen. Da die
Hälften der Kügelchen unterschiedlich geladen sind, kann man mit elektrischen Feldern jeweils die schwarzen oder weißen Seiten der Kügelchen nach oben drehen
und somit ein Bild auf dem "Papier" erzeugen.

Das Verfahren funktioniert bereits heute schon, allerdings lässt die Auflösung und Lesbarkeit bei hellem Sonnenlicht noch zu wünschen übrig. Eine
Konkurrenzentwicklung der Firma E-Ink wird in den USA bereits in einem Supermarkt eingesetzt, um aktuelle Sonderangebote anzuzeigen.

"Wir wissen noch nicht genau, welche Minimum-Qualität des digitalen Papiers für einen Durchbruch am Markt benötigt wird", sagt Herve Gallaire, der neue
Forschungschef von Xerox. "Ich wäre aber einer der Ersten, der gerne auf das Schleppen von dicken Dokumentenstapeln verzichten würde, wenn ich die
Möglichkeit hätte, mir x-beliebige Dokumente auf das digitale Papier zu laden."

Der 55 Jahre alte Franzose verbindet die Vision vom "E-Paper" mit der nahen Zukunft einer unbegrenzt vernetzten Welt. "Wenn ich in einem Hotel in Paris ein
Dokument von meinem Schreibtisch in New York benötige, würde ich über mein Handy dem Rechner in meinem Büro signalisieren, dass er das Dokument über das
Internet auf den Drucker im Hotel schickt." Während Monsieur Gallaire am Mobiltelefon noch das Dokument auswählt, haben sich sein Handy und der Drucker
bereits drahtlos über den Übertragungsweg verständigt.

Die Kommunikation zwischen den Geräten des modernen Technik- Nomaden, vom Mobiltelefon über die Multifunktions-Armbanduhr bis hin zum kleinen
Organizer-Computer oder Laptop läuft künftig drahtlos über das Bluetooth-System ab. Der Funk-Standard wurde von Firmen wie Nokia, Ericsson, Intel, IBM und
Toshiba entwickelt und sorgt dafür, dass die einzelnen Kommunikationsbausteine mit einander verbunden werden. Mit Bluetooth dürfte sich auch die Vision des
"Personal Area Network" (PAN) erledigen, die Massachusetts Institute of Technology (MIT) geboren wurde.

Beim PAN sollten die unterschiedlichen Geräte die Leitfähigkeit der Haut ausnutzen, um untereinander Verbindung aufzunehmen. So wäre es PAN-Anwendern
möglich, mit einem Händedruck eine digitale Visitenkarte auszutauschen.

Immer winziger und leistungsfähiger

Doch etlichen Testkandidaten war es unheimlich, mit einem Hautkontakt Informationen zu übertragen und beispielsweise eine Kreditkarteninformation an einen
Automaten zu übermitteln. Beim Computerkonzern IBM, der das Know-how für das PAN erworben hat, arbeitet man dafür intensiv am tragbaren PC in
Westentaschengröße. Einen Prototypen eines 233- Megahertz-PCs haben die IBM-Forscher schon 1999 vorgestellt.

In den kommenden Jahren werden die Entwickler neuer Kleinstcomputer davon profitieren, dass die Mikroprozessoren immer winziger und leistungsfähiger werden
und dabei immer weniger Strom verbrauchen. Das vom Chip-Pionier Gordon Moore 1968 aufgestellte Gesetz, wonach sich die Anzahl der Transistoren auf einem
Prozessor etwa alle 18 Monate verdoppelt, wird sich auch in den kommenden Jahren bewahrheiten. Am Horizont zeichnet sich aber bereits ein Ende der
herkömmlichen Chip-Entwicklung ab.

So arbeitet ein Forschungsteam am Georgia Institute of Technology an der Entwicklung eines "hybriden Biocomputers". Dabei werden Nervenzellen mit
Silizium-Schaltkreisen verbunden, um super- intelligente Computer zu schaffen. Sollte ein Durchbruch bei dieser Technologie gelingen, wären die Computer in der
Lage, nach den Gesetzen der Künstlichen Intelligenz eigene Lösungen für vorgegebene Aufgaben zu finden, ohne dass die Lösung schrittweise programmiert werden
müsste.

Bislang haben die Forscher zwei Nervenzellen von Blutegeln gekoppelt und sie mit einem Personal Computer verbunden. Bei dem Versuch mit Signalen, die an die
jeweiligen Zellen geschickt wurden, gelang es den Wissenschaftlern immerhin, einfache Additionsaufgaben zu lösen. "Es dauert aber noch mindestens zehn Jahre, bis
Biocomputer kommerziell verfügbar sind", dämpft Projektleiter William L. Ditto überzogene Hoffnungen.


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as Ende der Ära Gutenberg

Das elektronische Papier kommt, der Drucker geht. Eine US-Firma bringt elektronisches
Papier auf den Markt, das sich beliebig oft löschen und wiederbeschreiben läßt. Naht damit
das Ende des gedruckten Buches und der Tageszeitung?

Smith Place 29, Cambridge, ein grauer fensterloser Flachdachbau. Eine bescheidene Behausung für
ein Unternehmen mit einem so anspruchsvollen Ziel: E-Ink will nichts weniger als den Buchdruck
abschaffen. Drinnen sieht es auch nicht besser aus: Winzige Büros und ein chemisches Labor mit
tausenden bunten Fläschchen, die allein schon vom Anschauen einen leichten Juckreiz erzeugen.
Immerhin, der Empfang ist freundlich. "Willkommen Bild der Wissenschaft" steht in großen blauen
Lettern auf einer Tafel. Vielmehr stand, denn plötzlich ist die Schrift verschwunden und wie von
Geisterhand erscheint jetzt ein Werbeslogan der Firma. Zehn Sekunden später ist der alte Text wieder
da. Ziemlich beeindruckend, das elektronische Papier: Der Hintergrund ist gleichmäßig tiefblau, die
Buchstaben sind papierweiß. Geht man ganz nah ran, sieht es so aus, als würde von hinten feiner
Schnee auf die Tafel rieseln, wenn ein Buchstabensegment von blau auf weiß wechselt.
Das elektronische Papier besteht aus Millionen nur 40 Mikrometer kleinen, transparenten
Plastikkügelchen, die wie ein Lack auf eine Folie aufgebracht werden. In den Kügelchen ist eine blaue
oder rote ölige Tinte eingeschlossen, in der weiße Farbpigmente schwimmen. Dieser weiße Staub ist
negativ geladen. Legt man über hauchdünne Elektroden auf der Vorder- und Rückseite der Folie ein
schwaches elektrisches Feld an, we
 
aus der Diskussion: Neschen. Warum Ihr keine Angst haben braucht.
Autor (Datum des Eintrages): Jungzauberer  (17.09.00 15:52:58)
Beitrag: 15 von 32 (ID:1852693)
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