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Gibt`s jetzt was auf die Mütze?


Flatrate-Sterben - T-Online profitiert
Dienstag, den
19.09.00 01:18


aus den Bereichen Telcos, Provider, Internet / WWW



Beim Internetzugang zum Pauschaltarif hat nach der ersten Euphorie
inzwischen Ernüchterung eingesetzt: Anbieter so genannter Flatrates
liefern sich einen knüppelharten Verdrängungswettbewerb, bei dem auch so
mancher Kunde auf der Strecke bleibt. Erste Firmen machten ihre Server
bereits nach wenigen Wochen dicht, Intensivnutzern wurde und wird
kurzerhand gekündigt. Der Hintergrund ist schnell erklärt: Die meisten
Flatrate-Firmen starteten im Juni oder Juli und hatten in den folgenden
Ferienwochen viele Zahler, aber nur wenige tatsächliche Surfer im Netz.
Inzwischen sind alle Kunden aus dem Urlaub zurück. Sie nutzen das
schlechte Wetter, um die Vorzüge der zeitlich unlimitierten Internetnutzung
zum Pauschalpreis voll auszukosten. Den Firmen laufen derweil die Kosten
davon; erste Pleiten gibt es schon. Nutznießer ist die Telekom-Tochter
T-Online.

Erst am Freitag beantragte die Telekommunikationsfirma Gigabell ein
Insolvenzverfahren. Dass damit ein am Neuen Markt der Frankfurter Börse
notiertes Unternehmen in den Strudel geriet, markiert einen zusätzlichen
Höhepunkt der Pleitewelle. Beim Amtsgericht Bitburg hatte zuvor bereits der
Flatrate-Anbieter Surf1 eine vorläufige Insolvenzverwaltung beantragt.
Gesperrt wurden mitunter Flatrate-Zugänge, die die Kunden bereits im
Voraus pauschal bezahlt hatten. Noch ist offen, ob sie ihr Geld je
wiedersehen.

Auch der Flatrate-Anbieter Sonnet griff zu drastischen Maßnahmen. Ein
Anmeldestopp für Pauschaltarife und die vorzeitige Vertragskündigung für
Intensivnutzer sollen die Firma retten. Dennoch berichten auch Kunden mit
geringem Online-Volumen über Probleme, sich überhaupt noch einwählen
zu können. Ähnlich sieht es bei der Firma Cisma aus, die keine Flatrates
mehr anbietet. Der entsprechende Menüpunkt für eine Online-Anmeldung
auf der Website ist gesperrt.

Nicht wenige Firmen haben sich mit ihrem Pauschalpreis ganz kräftig
verkalkuliert. Mehr Kunden als erwartet begnügten sich nicht mit den intern
prognostizierten täglich etwa drei Stunden Onlinezeit. Zudem lockte die
Flatrate einen Neukundenkreis an, der zuvor nur in Ausnahmefällen zu
beobachten war: So genannte Power-Surfer, die ihre Rechner tagsüber nicht
mehr aus dem Internet nehmen, stürmten die unter Wettbewerbsdruck
immer billigeren Pauschalangebote. Größtes Handicap der Anbieter: Die
Kunden nutzen das Telekom-Netz mit, um ins Internet zu gelangen, und
dafür hält der Branchenriese die Hand auf. Er verlangt für jede Minute, die
der Flatrate-Kunde des Wettbewerbers im Netz verweilt, eine
"Interconnection-Gebühr" von etwa 1,72 Pfennig pro Minute.

Bei durchschnittlichen Pauschalpreisen zwischen gut 60 und 80 Mark
beginnt so spätestens bei monatlich 60 Online-Stunden eines Kunden für
die Anbieter der rote Bereich. Unternehmen, die nicht selbst als
Netzdienstleister auftreten und damit zusätzlich Internet-Nutzungsgebühren
von drei bis sieben Pfennig pro Minute an große internationale
Infrastrukturanbieter sowie Gebühren je nach Download-Volumen zahlen
müssen, sitzen noch schneller in der Klemme.

Klagen der Internet-Firmen, bei der Gebührenfestlegung der Deutschen
Telekom gehe es nicht mit rechten Dingen zu, haben jetzt die
Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation auf den Plan gerufen.
Sie ermittelt, ob die Telekom der eigenen Tochter T-Online für die
Internet-Einwahl über das Telefonnetz weniger berechnet als deren
Konkurrenten.

T-Online profitiert derzeit gewaltig von den wirtschaftlichen Problemen der
übrigen Flatrate-Anbieter. Viele Kunden warten regelrecht auf die Kündigung
ihres Anbieters, um vor Ablauf der Vertragsbindung zu den schnelleren
T-DSL-Angeboten der Telekom wechseln zu können. Die Tochter des
Ex-Monopolisten ist bei Vielsurfern zur heiß begehrten Anlaufstelle
geworden. Mittlerweile gibt es für den pauschal nur 79 Mark teuren
Hochgeschwindigkeitszugang T-DSL lange Wartezeiten bis ins nächste Jahr
hinein.
(tmi/afp)


CB

http://www.kabelinfo.de
 
aus der Diskussion: PRIMACOM Thread 85
Autor (Datum des Eintrages): Cyberbob  (19.09.00 07:19:45)
Beitrag: 31 von 167 (ID:1865121)
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