Fenster schließen  |  Fenster drucken

Ganz interessante Artikel...


Agenda: Ich bin drin

Internetfirmen sind als Übernahmeobjekte wieder so begehrt wie in den Boomzeiten der New Economy. Solide Werbeeinnahmen und bessere Technik sprechen jedoch dafür, dass der Aufschwung diesmal von Dauer ist.

Medienmogul Rupert Murdoch ist nicht eben ein Mann der beschönigenden Worte. Aber auf Richard Parsons, Chef von Time Warner, lässt er nichts kommen. Mit ihm würde er sogar einen Deal per Händedruck besiegeln. "Er ist einer der wenigen Leute in unserer Branche, denen ich ohne schriftlichen Vertrag vertrauen würde", schwärmt der Chef der News Corporation.

Das sagen die Kollegen von Google und Microsoft nicht gerade, aber sie hätten derzeit allen Grund, Parsons Honig um den Bart zu schmieren. Denn sie ringen seit Wochen um Anteile am Internetportal AOL, das zum Time-Warner-Konzern gehört.

Bis vor einer Woche war auch Yahoo mit von der Partie. Doch für Terry Semmel, den Chef des Portals und ehemaligen Angestellten Parsons, waren die Konditionen für einen Einstieg bei AOL nicht akzeptabel. Google und Microsoft schrecken sie nicht ab. Es heißt, Time Warner könnte aus dem Duo bereits nächste Woche den Partner für exklusive Verhandlungen auswählen.


Startphase eines neuen Internetbooms




Das Ringen um AOL wird von vielen Fachleuten als die Startphase eines neuen Internetbooms gewertet. "Das Potenzial des Netzes kann sich voll entfalten", frohlockt Finanzier Tim Draper auf der gerade beendeten ETRE, einem der wichtigsten Treffs der Szene. Die Branche ist in hellem Aufruhr. Die rasant steigende Zahl der Übernahmen und fantastische Kaufpreise erinnern an die Boomzeiten um die Jahrtausendwende.

Allein seit Juli haben Kapitalgeber 2,6 Mrd. $ in Internet-Startups gepumpt, knapp doppelt so viel wie letztes Jahr und in etwa das Volumen von 1999. Außerdem fallen Technikunternehmen auf der Jagd nach möglichen Goldadern übereinander her wie noch nie. Im dritten Quartal 2005 gab es 820 Übernahmen, 40 mehr als im gleichen Zeitraum 2000, rechnet Peter Rowell von Regent Associates vor. "Die Zahl der Übernahmen steigt scheinbar unaufhaltsam", stellt der Marktforscher fest.





Die Großen der Branche diktieren wieder das Tempo. Vorbei sind die Zeiten, als AOL nicht mehr war als ein Symbol für den Absturz der New Economy, Verlustrekordler mit einem Minus von 99 Mrd. Euro im Jahr 2002. Vor einigen Monaten winkte Brian Roberts, der Chef von Comcast, des größten Kabelkonzerns Amerikas, noch ab, als ihm Parsons den AOL-Anteil anbot. Heute wird er sich darüber wohl mächtig ärgern. Der Wind hat sich schlagartig gedreht, Experten taxieren AOL heute auf bis zu 21 Mrd. $. Eine hübsche Summe für das angebliche Auslaufmodell der Internetökonomie.


Schwelle zum Größenwahn überschritten


Der Grund für die Stimmungswende: Das Internet ist erwachsen geworden, bietet mit wachsenden Nutzerzahlen, schnellen Breitbandverbindungen und explodierenden Werbeeinnahmen genug Hoffnung, um selbst erfahrene Konzernlenker zu verführen. Ein jahrelanger Internetverweigerer wie der Medienzar Rupert Murdoch will nun plötzlich "eine führende Macht im Netz werden".

Alle hoffen, ähnliche Erfolgsgeschichten zu schreiben wie das Duo Tim Draper und Niklas Zennström. Finanzier Draper hat dem Schweden vor zwei Jahren Geld gegeben, weil der die Vision hatte, dass die Menschen künftig über das Internet kostenlos telefonieren werden. Zennströms Firma, Skype Technologies, wurde - obwohl Verluste schreibend - nun für 4 Mrd. $ vom Auktionshaus Ebay gekauft. Draper konnte sein Startkapital verhundertfachen.

Nervöse Branchenbeobachter sehen im Fall Skype allerdings die Schwelle zum Größenwahn überschritten. Die Internettelefonie sei eine von Hysterie getriebene Geschäftsidee, die kein Geld bringe, warnen sie. Sie fürchten eine neue Blase, lamentieren, dass Internetstars wie Google oder Yahoo an der Börse fast viermal so viel wert sind wie die gestandenen Medienkonzerne Time Warner oder Disney.


So schlimm werde es nicht kommen




Doch Branchengurus wie Lawrence Calcano, Chef der Technologieabteilung bei Goldman Sachs, weisen diese Sorge zurück: So schlimm werde es nicht kommen. Diesmal hebe "die steigende Flut nicht alle Boote nach oben". Calcano kann sich auf beschwichtigende Zahlen stützen: So gab es von Januar bis September 2005 in Europa nur 67 Börsengänge von Technologiefirmen. Im Boomjahr 2000 waren es 370. "Die Hürden für Börsengänge sind immer noch hoch, Finanzinvestoren agieren heute auf einer ganz anderen Grundlage."

Ein neues Pfund der Branche ist die Entwicklung bei der Onlinewerbung. Viele Startups können mit Einnahmen fast vom ersten Tag an rechnen. Pioniere wie Google leben heute zu 99 Prozent von Werbung auf ihren Seiten. Konkurrent Yahoo nahm im dritten Quartal mehr als 1 Mrd. $ damit ein. Durch Klicks lasse sich die Wirkung der Werbung exakt nachvollziehen. Das lockt Werber "in Scharen ins Netz", sagt Doug Shapiro, Analyst bei der Bank of America. Mit diesem Trumpf schlägt das Internet inzwischen oft die Werbung in herkömmlichen Kanälen, etwa im Fernsehen, das viel Streuverlust hat.

Der Markt für Internetanzeigen wird in den USA 2005 erstmals 10 Mrd. $ übersteigen und in den nächsten Jahren mit 20 Prozent pro Jahr viermal so schnell wachsen wie die Werbung in Zeitungen. "Das legt das momentane Geschäftsmodell im Internet klar fest. Freie Inhalte und Einnahmen aus Anzeigen", sagt Analyst Charles Golvin vom Marktforscher Forrester Research.


Überraschende Geschäftsmöglichkeiten




Bloße Textlinks wie bei Google, aber auch Bannerwerbung und Multimedia-Annoncen werden 2009 pro Jahr 25 Mrd. $ einspielen, sagt die Investmentbank Merrill Lynch voraus. Selbst Google-Chef Eric Schmidt ist von den Möglichkeiten des Geschäftsmodells überrascht. "Dass Leute da draufklicken - ich hätte es am Anfang nicht gedacht. Aber sie tun es."

Es ist nicht der Werbeboom allein, der die Branche treibt. Entscheidend ist, dass das Surfen im Netz nun erstmals auch der Masse Spaß macht. Schnelle Breitbandanschlüsse, früher Rarität, sind heute Standard. Auch deswegen verbringt der Durchschnittsnutzer im Netz 20 Prozent der Zeit, die er für Medienkonsum insgesamt verbraucht - Tendenz steigend.

Keine gute Nachricht für Sender, Zeitungsverlage und Filmstudios, die ihre Entmachtung fürchten müssen. Jessica Reif Cohen, Analystin von Merrill Lynch, beschreibt die Ansicht vieler Investoren so: Traditionelle Medienfirmen hätten "nichts zu gewinnen und alles zu verlieren". Sie warnt vor allem die Konzerne: "Wer die neuen Möglichkeiten der Verbreitung ignoriert, begibt sich in Gefahr."

Kein Wunder, dass Medienzar Rupert Murdoch seine Internetverweigerung aufgegeben hat. Sein Konzern, News Corporation, hat es eilig, mit einem eigenen Internetportal zu Yahoo und AOL aufzuschließen. Murdoch hat in kurzer Folge für 1,5 Mrd. $ kleine Internetfirmen gekauft, die sich auch sein Rivale, der Medienkonzern Viacom, gerne einverleibt hätte.


Time Warner ist besser positioniert






Da ist Time Warner, Eigentümer von Weltmarken wie "Time"-Magazin, CNN oder Warner Bros., besser positioniert. Vor fünf Jahren bereits übernahm Richard Parson AOL - gegen heftige Kritik aus dem eigenen Haus. Nun scheint sich der Deal auszuzahlen, die Synergien beginnen zu greifen. AOL wirbt für den neuen "Harry Potter" sowie die Hollywoodfilme von Warner und findet im Gegenzug Abonnenten für den neuen AOL-Telefondienst. Das Portal ist inzwischen der zweitgrößte Betreiber von Webseiten im Netz, kontrolliert ein Zehntel des Onlinewerbemarkts und betreibt den größten Instant-Messaging-Service. Mit Klickraten von über 110 Millionen pro Monat liegt es knapp hinter Google und Yahoo.



Time-Warner-Chef Parsons will deswegen nur ein Minderheitspaket an AOL abgeben. "Wir sind der einzige Medienkonzern in der Welt, der auch eine große Internetplattform hat", sagte er der "Welt am Sonntag". "Investoren sagen mir jetzt: ,Dick, behalte bloß das Internet."

Aber das müssen sie ihm nicht sagen. Auch die traditionellen Medienkonzerne werden bald mit dem Netz Gewinne machen, verspricht Parsons: "Das Internet entwickelt sich in Wellen. Das erste Geld wurde mit Verbindungen ins Netz gemacht. Nun verdient man es mit Suchmaschinen. Und ich glaube, in drei bis sechs Jahren bringen es die Inhalte."



Thema


http://www.ftd.de/index.html?id=30026


http://www.ftd.de/index.html?id=26611


http://www.ftd.de/index.html?id=26094


http://www.ftd.de/index.html?id=26071


http://www.ftd.de/index.html?id=23555


http://www.ftd.de/index.html?id=22054
 
aus der Diskussion: GOOGLE-Sperrfrist läuft aus!!!
Autor (Datum des Eintrages): FATMIKE  (11.11.05 22:07:23)
Beitrag: 1,597 von 1,650 (ID:18761973)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE