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Warum die IT-Aktien so aggressiv bewertet sind
Der Währungsfonds warnt vor massiven Kurskorrekturen
Hm. Prag, 19. September
Die Tatsache, dass Technologietitel an den Börsen der USA (und anderswo) im Verlauf der letzten 12 Monate mit geradezu abenteuerlich hohen Kurs-Gewinn-Verhältnissen bewertet wurden, während die Valoren der «alten Wirtschaft» eher stiefmütterlich abschnitten, ist auch im Internationalen Währungsfonds (IMF) registriert worden. Im neuesten «World Economic Outlook» geht der IMF dieser Zweiteilung nach, und er stellt die Frage, weshalb die Titel der «alten Wirtschaft» so schlecht abschnitten, zumal die Unternehmen in diesen Sektoren ebenfalls stark in die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IT) investiert hatten und demzufolge auch vom IT-Boom hätten profitieren sollen. Zweitens fragen die IMF-Ökonomen, warum IT-Titel grösseren Schwankungen unterworfen waren als hergebrachte Aktienwerte, und schliesslich prüfen sie, warum die Kurse der IT-Titel an den internationalen Börsenplätzen viel stärker miteinander korreliert waren als andere Valoren.
Alle Antworten haben mit der Einsicht zu tun, dass die Einführung und die Verbreitung von neuen Technologien generell mit hohen Risiken behaftet sind. Diese hohen Risiken schlagen sich in unsteten Gewinnerwartungen nieder, und da Aktienkurse in der Regel heftig und überproportional auf neue Informationen (wie veränderte Gewinnprognosen) zu reagieren pflegen, schlagen sich diese unsteten Erwartungen auch in kräftigen Kursschwankungen nieder. Dazu kommt der enorme Wettbewerbsdruck im IT-Sektor, der für eine geringe Überlebensquote von kleineren und vor allem jüngeren Unternehmen sorgt. Da die Finanzierung der Jungunternehmen in hohem Masse vom Kapitalmarkt abhängt, widerspiegelt sich deren unsicheres Schicksal auch im Auf und Ab der Börse. Den stärkeren internationalen Zusammenhang der IT-Kurse erklärt sich der IMF schliesslich mit der Beobachtung, dass dieser Sektor entscheidend durch die Entwicklungen in Amerika bestimmt wird und dass Investoren und Unternehmen in anderen Ländern wesentlich von den amerikanischen Impulsen zehren.
Im Urteil des IMF zeigt diese hier nur skizzenhaft zusammengefasste Analyse, dass der IT-Sektor wesentlich hinter dem neuerdings engeren Zusammenhang der internationalen Börsen und den heftigeren Kursausschlägen steht. Darüber hinaus gebe es Zeichen, dass sogar die internationalen Kapitalströme auf diese Kursausschläge reagierten, weshalb die kommende Kurskorrektur unter den IT-Titeln - angesichts der nach wie vor überhöhten Kurs-Gewinn-Relationen offenbar nur noch eine Frage der Zeit - das Risiko einer grossen und den ganzen Globus umfassenden Marktkorrektur in sich berge. Die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Korrektur - die vielfach beschworene «harte Landung» - dürften in den USA, wo die Börsenkapitalisierung und die Vermögenseffekte in letzter Zeit besonders hoch gewesen seien, am schwersten sein. Aber der IMF befürchtet, dass sie auch andere Länder zu spüren bekommen werden.
Zürcher Zeitung, 20. September 2000
 
aus der Diskussion: Börsenguru`s
Autor (Datum des Eintrages): Bischoff  (20.09.00 16:43:05)
Beitrag: 49 von 150 (ID:1879712)
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