Fenster schließen  |  Fenster drucken

Verschlusssachen statt Proteste

Die am Wochenende bekannt gewordenen Details aus dem Fall Khaled el-Masri beschreiben die ambivalente Haltung der alten Regierung zu den Praktiken der USA beispielhaft. Da wird Innenminister Schily offiziell und stellvertretend für die Bundesregierung im Mai 2004 vom US-Botschafter informiert, dass die USA einen aus ihrer Sicht terrorverdächtigen Deutschen verdeckt festgenommen, entführt und in einen Kerker nach Afghanistan verschleppt haben. Da es aber trotz intensivster Verhöre und der Anwendung aller Methoden der CIA keine Beweise gegen den Mann gebe, wolle man ihn nun möglichst ohne großes Aufsehen zurück in die Freiheit entlassen, berichtet der Botschafter seinem guten Bekannten Schily in dessen Ministerium.


Statt aber zu protestieren, kommt der resolute Innenminister prompt auch noch allen Bonus-Wünschen der Amerikaner nach. Der Vorgang el-Masri wird umgehend zur Verschlusssache. Schily und die ganze Regierung schweigen beharrlich zu der Verschleppung eines deutschen Bürgers. Auch als der Anwalt des Mannes die Regierung um Hilfe bei der juristischen Aufklärung bittet, kommt von der deutschen Regierung kein Wort. Selbst als die Justiz sich des Falls annimmt, schweigen Schily und Co. weiter. Als willfährige Mitwisser tat die deutsche Bundesregierung so, als ob sie nichts wüsste. Ähnliches Verhalten nennt man bei einem normalen Gerichtsprozess Verdunklung. Nur der akribischen Recherche des Staatsanwalts und einiger Journalisten ist es zu verdanken, dass der Fall mittlerweile detailliert auf dem Tisch liegt und am Dienstag als Klage vor einem US-Gericht eingereicht wird.

Als Bonus gab es Fakten

Ähnlich diskret verhielt sich die Bundesregierung im Fall eines weiteren Deutschen, dem Deutsch-Syrer Mohammed Haydar Zammar. Seit dem 11. September 2001 wussten die deutschen Behörden, dass Zammar an der Rekrutierung der Todes-Piloten beteiligt war. Nur eben beweisen konnte man ihm nichts. Als er schließlich Ende 2001 nach Marokko reiste, verschwand er unter dubiosen Umständen und wurde von der CIA nach Syrien verschleppt und dort unter landesüblichen Umständen verhört. Im Klartext bedeuten diese Umstände, dass rechtsstaatliche Konventionen dort keine Rolle spielen. In Deutschland wusste man zumindest bei den Geheimdiensten recht genau um den Vorgang. Dass die deutsche Regierung informiert war, lässt sich nicht beweisen, doch muss man es vermuten.

Doch die Deutschen hatten ihre ganz eigenen Interessen. Sie wollten auch wissen, was Zammar ausgesagt hatte, also bemühte man sich um Details. Am Ende vereinbarte man mit den Syrern einen schmutzigen Deal. Wie der SPIEGEL kürzlich aufdeckte, versprachen hohe deutsche Regierungsbeamte bei einem Geheimtreffen im Kanzleramt der syrischen Seite, juristische Anklagen gegen zwei mutmaßliche syrische Agenten zurückzuziehen, wenn deutsche Ermittler dafür Mohammed Haydar Zammar vernehmen dürften. Die Syrer ließen sich auf den Kuhhandel ein. Schon kurz darauf reiste im November 2002 eine Delegation von deutschen Beamten nach Damaskus, verhörte Zammar und bekam einige interessante Details fürs Archiv der Terror-Ermittler.

Gespielte Überraschung über die Geheim-Gefängnisse

Im Lichte des Vorgangs Zammar erscheint die Überraschung vieler Politiker über die Geheimgefängnisse der USA reichlich gespielt. Genau einen dieser klandestinen Orte hatten deutsche Beamte selber besucht und sogar einen reichlich fragwürdigen Deal mit Syrien geschlossen und eine deutsche Ermittlung im Sande verlaufen lassen. Neben der stillschweigenden Duldung der CIA-Praxis der Verschleppung eines deutschen Staatsbürgers durch die Regierung rührt das Verhalten der rot-grünen Regierung an den tiefsten Grundsätzen der Bundesrepublik. Darf sich Deutschland an illegal agierenden Behörden eines alliierten Staates annähern, um an für die Behörden wichtige Informationen zu gelangen? Darf eine deutsche Regierung aus außenpolitischem Kalkül über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen schweigen? Öffentlich herrscht zu diesen Fragen das altbekannte Schweigen.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,388564,00.h…
 
aus der Diskussion: Hat Rot-Grün von den Folterungen gewusst?
Autor (Datum des Eintrages): 789456123  (05.12.05 15:37:30)
Beitrag: 101 von 483 (ID:19159567)
Alle Angaben ohne Gewähr © wallstreetONLINE