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ein interessantes Interview:
quelle: diewelt.de
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"Mit der Brennstoffzelle wird das Auto zum Mobile Home"

WELT-Gespräch mit Ferdinand Panik, Brennstoffzellen-Experte von Daimler-Chrysler

Die Brennstoffzelle wird die Automobil- und Energiewelt ebenso verändern wie es der Mikrochip bei der Computerindustrie getan hat. Diese Ansicht vertritt Professor Ferdinand Panik, Leiter des Brennstoffzellen-Projekts bei Daimler-Chrysler, im Gespräch mit Peter Dausend und Marco Dalan.

DIE WELT: Herr Panik, erfreut Sie der hohe Benzinpreis?

Ferdinand Panik: Der hohe Benzinpreis erfreut mich natürlich nicht, aber die daraus entstandene Diskussion erfreut mich insofern, als dass sie hilft, das Bewusstsein zu schärfen, dass man etwas tun muss. Es ist eine Diskussion zur rechten Zeit, die noch Handlungsspielräume lässt. Es entsteht ein Bewusstsein, dass die derzeitige Abhängigkeit vom Öl gefährlich werden kann.

DIE WELT: Ist die Entwicklung der Brennstoffzelle mit der des Mikrochips zu vergleichen?

Panik: Den totalen Systemumbruch, den der Computerchip der Kommunikations-, der Informations- und der Regelungstechnik gebracht hat, werden wir in der Energiewelt auch mit der Brennstoffzelle erleben. Es wird möglich, weg von großen Kraftwerken hin zu kleinen, dezentralen Einheiten im Hause zu kommen. Autos sind riesige Kraftwerke, die oft nur stehen. Denkbar ist daher, Autos künftig während dieser Zeit an die Steckdose anzuschließen, um den Warmwasserspeicher aufzuheizen, den Computer zu bedienen. Strom, der nicht benötigt wird, kann ins Netz eingespeist und verkauft werden. Die Energiewelt wird total individualisiert.

DIE WELT: Wie weit sind Sie mit der Entwicklung der Brennstoffzellen-Technologie?

Panik: Wir sind in unserem Zeitplan etwa da, wo wir sein wollten. Unsere Aufgabe ist jetzt: Der Weg vom Funktionieren der Technologie zum kommerziellen Produkt. Kosten, Gewicht, Lebensdauer - das ist ein knochenharter Prozess. Dabei treten wir an gegen ein voll ausgereiftes Produkt.

DIE WELT: Müssen Sie das Auto neu erfinden?

Panik: Die Brennstoffzelle wird das Design deutlich verändern. So wie man den ersten Verbrennnungsmotor in eine Kutsche eingebaut hat und dann allmählich ein Auto daraus geworden ist, so wird es auch hier sein. Die Brennstoffzelle liefert andere Design-Möglichkeiten. Die Brennstoffzelle ist ein modulares System. Ein Elektromotor kann klein und dezentral etwa in die Radnaben eingebaut werden. Dadurch gewinnt man Platz. Die Brennstoffzellen können unter den Sitzen angebracht werden. Dadurch wird eine ganz andere Verteilung innerhalb des Fahrzeugs möglich. Es könnte weniger ein Trans-

portmittel sein, als vielmehr ein "Mobile Home" werden. Es gibt Energie an Bord, die auch im Stand läuft und mit der sich beispielsweise Kühlschränke, Kaffeemaschinen oder Klimaanlagen betreiben lassen.

DIE WELT: Konkurrenten setzen bei Wasserstoff auf den Verbrennungsmotor. Was ist der Vorteil der Brennstoffzelle?

Panik: Die Brennstoffzelle hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad als der Verbrennungsmotor. Das heißt, sie nutzt die Energie des Kraftstoffs wesentlich effektiver. Der Verbrennungsmotor mit Wasserstoff betrieben hat etwa einen Wirkungsgrad von 20 Prozent im Stadtbereich. Die Brennstoffzelle liegt heute schon bei 37 Prozent. Betrachtet man den Gesamtwirkungsgrad vom Fahrzeug und der Kraftstoffproduktion, so ergibt sich Folgendes: Der Wirkungsgrad der Kraftstoffproduktion mit Wasserstoff ist nicht so hoch wie die der Benzinherstellung. Der relativ schlechte Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors kann durch den hohen Wirkungsgrad der Benzinproduktion kompensiert werden. Der niedrige Grad bei der Wasserstoffproduktion kann durch die Brennstoffzelle kompensiert werden. Aber mit Wasserstoff für den Verbrennungsmotor werden die schlechtesten Wirkungsgrade miteinander kombiniert. Also: Wenn Wasserstoff, dann Brennstoffzelle.

DIE WELT: Muss es Anreize für Käufer dieser Autos geben?

Panik: Vergünstigungen wie Steuererleichterungen sind eine von vielen Möglichkeiten. Aber zunächst muss das Bewusstsein geschaffen werden, und die Bereitschaft vorliegen, eine neue Energiewelt aufzubauen. Eine Energiewelt umzustellen, dauert 50 Jahre.

DIE WELT: In Deutschland sollen 2004 oder 2005 die ersten Pkw

auf den Markt kommen. Werden diese Fahrzeuge wettbewerbsfähig sein?

Panik: Es geht darum, Schritt für Schritt voran zu kommen. Wir sind von den Kosten und von anderen Bedingungen her - wie Gewicht und Volumen - bei den Pkw im Jahre 2004 noch nicht völlig konkurrenzfähig. Deshalb muss am Anfang durch Investitionen und Anreize der Markt vorbereitet werden. Unsere Rechnung zeigt, dass wir etwa ab 2010 wettbewerbsfähig sein werden. Dann kommen die großen Stückzahlen.

DIE WELT: Wie viel mehr kostet ein Brennstoffzellen-Fahrzeug?

Panik: Um attraktiv zu sein, darf das Auto über die gesamte Lebensdauer betrachtet nicht viel teurer sein als herkömmliche Fahrzeuge. Ein zehn bis 20 Prozent höherer Anschaffungspreis könnte aber durch zusätzlichen Kundennutzen oder aber durch den Staat oder andere Interessengruppen kompensiert werden.

DIE WELT: Wie wird die Marktdurchdringung künftig sein?

Panik: Die Spanne verschiedener Studien für das Jahr 2020 ist sehr groß. Der positive Ausblick geht davon aus, dass 20 Prozent aller produzierten Fahrzeuge mit Brennstoffzelle ausgestattet sind, die Worst-case-Studie geht von vier bis fünf Prozent im Pkw-Bereich aus. Bei Stadt-Bussen reichen die Prognosen von 40 bis 100 Prozent Marktdurchdringung.

DIE WELT: Warum setzt Daimler bei der Brennstoffzelle im Pkw-Bereich auf Methanol statt Wasserstoff?

Panik: Wir halten Wasserstoff für Flottenanwendungen im Bereich unter 400 Kilometer für geeignet. Alle Stadtbusse, alle Verteilerfahrzeuge, alle Shuttles können mit Wasserstoff betrieben werden. Für größere Reichweiten, an die der Privatkunde gewöhnt ist und die er auch verlangt, ist mit der heutigen Wasserstoff-Speichertechnologie keine Chance zu sehen. Dann bleibt nur ein flüssiger Kraftstoff wie Methanol.
 
aus der Diskussion: Ballard Power - Realistische Zukunftsperspektiven Nr. 4
Autor (Datum des Eintrages): local hero 3  (26.09.00 16:49:23)
Beitrag: 122 von 407 (ID:1927236)
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